Liebe Downinahole,
Ich weiß, was du durchmachst, es ist die Hölle! Du hast hier schon sehr viele gute Hinweise erhalten. Versuche dich daran zu halten. Schritt für Schritt.
Ich bin 20 Jahre älter als du und habe diese Katastrophe schon zweimal erleben müssen. Beim ersten Mal war ich 26 und dachte, ich sterbe daran. Die vielen Lebensjahre, die nun ohne ihn vor mir lagen, ich konnte mir das nicht vorstellen. Viele Jahre lang dachte ich, er wäre die Liebe meines Lebens und niemals zu ersetzen. Trotzdem habe ich mich aufgerappelt und weitergelebt. Ich hatte ja noch meine Familie, Freunde, einen guten Beruf und vieles mehr. Das Schönste: Ich habe bald darauf meinen Sohn bekommen, der mir das Liebste ist auf der Welt. Und ich habe mit dem Älter- werden erfahren, wie schnell die Lebenszeit verrinnt, dass man für jeden Tag (in Gesundheit) dankbar sein muss und dass es eine Sünde gewesen wäre, dieses Leben wegzuwerfen nur wegen eines gebrochenen Herzens. Ich hatte all die Jahre keinen Partner, dafür fehlten mir Mut und Gelegenheit. Ich wollte nie wieder so leiden. Nie wieder sollte mir jemand so fürchterlich weh tun können. Vor drei Jahren erfuhr mein Leben wegen eines (gutartigen) Tumors einen schwerwiegenden Einschnitt. Als alles wieder geregelt und in Ordnung war, fasste ich Mut und meldete mich auf einer Partnerbörse an. Das Unglaubliche geschah! Ich fand Ihn und begriff, dass der junge Mann damals eigentlich gar nicht zu mir gepasst hatte, dass ich erst jetzt meinen Seelenverwandten, meine wahre große Liebe gefunden hatte. Wir waren so innig miteinander und so glücklich und selig, uns gefunden zu haben. Von Anfang an gab es keine Spielchen, keine Unsicherheiten, voller Stolz stellte er mich seiner Mutter, seiner Tochter vor, seine Verwandten nahmen mich herzlich auf und sein lieber Freundeskreis. Und ihm ging es mit meinen Lieben genauso. Für meinen Sohn war es auch wunderbar, eine Stieffamilie zu bekommen, vor allem einen Ersatzvater. Mein Mann (er wollte mich auch nie nur als Freundin bezeichnen) nahm mich in seinem Zuhause auf (einem Häuschen), aber vor allem in seinem Herzen und in seinem Leben. Wir teilten Interessen , Einstellungen, waren auf der gleichen Wellenlänge, wollten miteinander alt werden. Ich hätte nie gedacht, doch noch so ein Glück zu finden.
Warum schreibe ich dir das alles, wo es doch hier um deine Geschichte geht?
Die große Liebe ist zerbrochen. Es ist sogar nich viel schwerwiegender und schlimmer als damals. Er hat vor über vier Monaten über Nacht alles weggeworfen. ( Die Gründe liegen in einem Trauma, damit verbundener Verlustangst, die ich durch ein eigentlich banales Missverständnis getriggert habe. Beziehungsangst. Depression. Psychotherapie. Druck . Quintessenz: Er hat mich zu sehr geliebt und hat die Angst, mich zu verlieren, nicht mehr ausgehalten. Mittlerweile hat er sich wohl erfolgreich entliebt.)
Ich dachte, mit über 50 Jahren Lebenserfahrung wäre ich abgehärtet genug. Aber nein, es hat mich (fast!) zerbrochen. Fast täglich laufen noch die Tränen und ich bin unendlich traurig, zumal die Umstände der Trennung so tragisch sind und ich das niemals von ihm erwartet hätte.
Was mir dennoch hilft:
1. Ich habe mich viel mit anderen Menschen ausgetauscht (Familie, Freunde, in Internetforen gelesen, mir eine psychologische Beraterin gesucht, die mich motiviert und mir die Sache mit der Bindungsangst erklärt hat und vieles mehr).
2. Ich gestalte mir ein Beziehungsalbum. Das sind nicht nur ganz viele Fotos aus unserer gemeinsamen Zeit und Gedichte, die er mir gegeben hat, sondern das sind Screenshots aus dem Whatsapp -Verlauf von Anfang an (mit den herrlichsten Liebeserklärungen und vielen lieben,kleinen Dingen , die man einander zugesandt hat.) Auch wenn es dabei Tränen gibt, so ist es doch gleichzeitig sehr wohltuend.
3. Ich unterziehe meine Wohnung (die es glücklicherweise noch gibt) einer Generalüberholung, habe schon neue Möbel ausgesucht, Gardinen, Wandfarbe, Fußbodenbelag.
4. Meine Beraterin sagt mir:Ich darf ihn weiterhin lieben. Auch ohne Beziehung. Und die Hoffnung haben, dass er den Weg irgendwann zu mir zurückfindet. Trotzdem soll ich nicht hilflos warten, sondern mein Leben gestalten, als käme er nie zurück. (Er hat keine neue Beziehung, ist mit der Aufarbeitung seiner Vergangenheit genug beschäftigt. Wir brauchen eigentlich auch die Zeit . Ob seine Gefühle jemals zurückkommen, weiß ich nicht. Ich wünsche es mir. Und selbst , wenn er jetzt eine andere Frau hätte, wäre es nicht ausgeschlossen. )
5. Bücher zur Trennungs- und Liebeskummerverarbeitung , allen voran von Doris Wolf: Wenn der Partner geht.
6.Ich habe- und das ist eigentlich das Wichtigste- liebe Menschen. Vor allem meinen Sohn! Ich weiß, dieser letzte Punkt kann jetzt für dich insofern keine Rolle spielen, weil du noch kein Kind hast. Aber stell dir mal vor, ich hätte damals aufgegeben ... .
Ich verspreche es dir: Du kommst heraus aus dieser Hölle! Verdränge die Tränen nicht. Lass den Schmerz zu. Oder gib ihm ganz bewusst eine Stunde Raum am Tag . (Lass dir übrigens nicht einreden, du habest genug getrauert. Es ist doch überhaupt noch nicht viel Zeit vergangen. Es ist schließlich so, als wäre ein lieber Mensch gestorben. ) Und gestalte dein Leben. Du hast nur das eine!
Liebe Grüße!
Annegret