Hallo Einsicht,
Du beschreibst Dein vorheriges Leben als wäre es das meines LG. Er hatte vor mir immer nur recht kurze
Beziehungen und war auch immer lange Single. Dann kam ich. Er fand mich wohl schon toll obwohl er mich gar nicht kannte, überhaupt nicht. Er glaubte ja selbst nicht, durch seine vorherigen Erfahrungen, dass es so lange mit uns gehen würde. 13 Jahre. Für ihn die beste Zeit seines gesamten Lebens. Das muss ich jetzt mal eben vorausschieben um es später wieder aufzunehmen.
Wie lernt man sich selbst zu lieben, sich selbst zu mögen und zu achten? Es ist ein verdammt schwerer weg. Ich gehe ihn schon seit Monaten, und bin mir erst ein Stück weit selbst näher gekommen. Ich mag mich selbst nicht für die Veränderungen in meinem Inneren und was ich damit meinem Lebensgefährten an tu. Würde ich nicht so mit mir kämpfen, wäre ich entweder schon lange weg oder ich hätte mich wieder eingefügt und alles wäre so weiter gegangen wie bisher.
Einerseits geht es um emotionale Verschmelzung. Ich habe ein sehr einleuchtendes Beispiel dafür gelesen. Wenn ein Baby auf die Welt kommt ist es als erstes mit seiner Mutter verschmolzen. Ganz klare Sache. Aber bereits mit 3-4 Monaten löst das Baby sich wieder ein gutes Stück aus dieser Verbindung. Sonst könnte es nicht überleben ohne Mutter, man könnte es keinem Babysitter anvertrauen, nicht adoptieren, ja nicht mal alleine schlafen.
Wenn man sich jedoch als Erwachsener auf einen anderen Menschen einläßt, sich also verliebt, passiert diese emotionale Verschmelzung wieder. Und je mehr diese Beziehung wächst und gedeiht, desto intensiver wird die Verschmelzung. Kann das gut sein? Nein. Aus Du und ich wird WIR. Wir sind keine Individuen mehr, wir verlieren unsere Integrität zu uns selbst. Wir stellen unsere Wünsche, Träume, Ansprüche hinten an zum Wohl des anderen. Wir nehmen seine Lebensform an, aus Liebe und Integrität zum anderen. Ganz oft verlieren wir Dinge die uns etwas bedeuten, weil sie dem anderen nichts oder nicht viel bedeuten.
Wir haben die Liebe zu uns selbst verloren und an deren Stelle die Liebe eines anderen Menschen eingesetzt.
Dann entzieht uns dieser Mensch seine Liebe, der Platz in uns wird leer, den Rest der dann kommt kennen wir alle.
Verstehst Du mich? Wann bist Du das letzte Mal, innerhalb und nach der Beziehung, morgens im Bett gelegen und hast Dir überlegt: Was möchte ICH heute machen? War es nicht immer so: Schatz was machen wir heute, was möchtest Du machen? Und jetzt nach der Trennung: Was tut sie/er wohl gerade?
Verstehst Du? Und ja, jetzt kommt das Argument: Wenn man mit jemanden zusammen ist muss man Rücksicht nehmen, Kompromisse eingehen, den anderen verwöhnen, und, und, und.
Wer hat sich dann selbst noch so lieb das er sich sagt: Heute nehme ich auf mich Rücksicht, heute verwöhne ich mich. Ich übertrage nicht dem anderen die Verantwortung für mein Wohlergehen. Heute trage ich für mich selbst die Verantwortung.
Auch die Selbstachtung und das Selbstwertgefühl gehört gepflegt. Zurück schauen, was habe ich alleine gemeistert in meinem Leben? Schulabschluß, Führerschein, Ausbildung, berufliche/sportliche Erfolge. Kleinigkeiten wie, gestern habe ich meinen ersten Kuchen gebacken und er war geniessbar. Ich bin finanziell unabhängig, ich kann reisen, spreche Fremdsprachen. Oder: Ich konnte jemanden anderes in einer schweren Zeit gut helfen. Ich war ein guter Freund/Zuhörer, ich konnte auffangen, aufbauen, trösten. Den Weg zurück ins Leben begleiten.
Unterm Strich: Ich bin ein guter Mensch, und ich habe schon einiges geleistet worauf ich stolz sein kann.
Denn es gibt ganz viele Menschen die solche Dinge gar nicht schaffen.
Aber auch zu erkennen wo die eigenen Defizite sind. Leide ich an Aufschieberitis, bin ich über die Maßen unordentlich, bin ich ungeduldig, bin ich aufbrausend, bin ich schnell gelangweilt von etwas oder jemanden.
Welche nicht so schönen Eigenschaften habe ich also die mich immer wieder in Schwierigkeiten bringen oder die andere an mir bemängeln? Und vor allem, was kann ich gegen die tun, die mir wirklich selbst an mir stinken?
Wenn ich etwas an mir abstelle, habe ich wieder etwas gemeistert.
Ich habe lernen müssen (und kämpfe immer noch damit), dass ich in erster Linie ganz alleine für mein Leben verantwortlich bin. Wir werden zur Selbständigkeit erzogen. Und wir dürfen diese Aufgaben dann nicht an einen anderen Menschen abgeben um ihn dann, wenn er seine Aufgabe nicht mehr richtig erfüllt, Vorwürfe zu machen, von ihm enttäuscht zu sein. Und wenn er uns verlässt, dann nimmt er unsere Selbständigkeit und unsere Würde mit und hinterlässt eine furchtbare Leere und Handlungsunfähigkeit. Warum haben wir das denn alles abgegeben?
Das was ich hier schreibe hat nichts mit fortgesetztem Egoismus heraus aus dem Singledasein zu tun.
Es geht um lebenslange Selbständigkeit, Selbstachtung, Selbstliebe, die man immer für sich empfinden und pflegen sollte. Mein ewig alter Spruch: Ich lebe mein Leben und sorge dafür das es schön ist. Ich kann einen anderen daran teilhaben lassen, und er kann es schöner und reicher machen. Aber er kann es auch zur Hölle werden lassen.
Und das schreibe ich jetzt nicht nur aus meiner Sicht. So einen Partner wünsche ich mir für die Zukunft.
Denn ich weiß, und jetzt kommen wir wieder zum Anfang, mein jetziger Partner wird seine Verschmelzung mit mir nicht auf ein gesundes, ausgeglichenes Maß zurückfahren können. Er kann es nicht. Er kann sich gar nichts ohne mich vorstellen und er ist bereit so ziemlich jede Kröte zu schlucken damit ich bei ihm bleibe. Er hat sich schon vor langer Zeit aufgegeben um sich komplett auf mich einzustellen.
Und ich, jawohl auch ich, habe das ein ganzes großes Stück weit auch getan. Und irgendwann fragte ich mich wo bin ich eigentlich in all den Jahren geblieben. Alles was mich als Mensch, als Frau, ausgemacht hat, habe ich aus Rücksicht und Harmoniebestreben in ein Schublade gelegt. Und dann ging die Schublade auf und hoppla, hier stimmt was nicht. Mit mir stimmt was nicht, mit ihm stimmt was nicht, und unser WIR stimmt auch nicht.
Und seit ich mich an die Arbeit gemacht habe das wieder ins Gleichgewicht zu bringen, haben wir nur noch Streit. Denn aus seiner Sicht war alles im Gleichgewicht, alles war schön, alles war super. Er will nichts an uns und auch nicht an sich ändern, er sieht es nicht so wie ich. Mein Bestreben empfindet er als Bedrohung seiner Existenz, seiner Werte, seines Lebens. Aber genau das bin ja ich alles, ich bin genau diese Punkte. Und wenn ich gehe, ist das alles mit mir weg gegangen. Und dann müsste er selbst versuchen die Leere wieder zu füllen. Und das kann nur ein Mensch, der sich selbst liebt und achtet, für sich selbst die Verantwortung übernimmt.
Wenn ich zu kompliziert denke, sag Bescheid, ich versuche es dann nochmal.
Liebe Grüße,
Gobby
28.03.2014 14:14 •
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