Eigentlich wollte ich heute nur raus hier, aus meiner Wohnung, weil ich das Gefühl hatte, die Luft hier drinnen besteht nur aus Gedanken, die ich nicht haben möchte. Gedanken an ihn, Gedanken an das, was geblieben ist. Gedanken, die mir nur wehtun. Also packte ich schnell meine Sachen und ging zum Bahnhof. Einfach mal kurz in die Stadt fahren... im Bahnhof dort haben einige Geschäfte geöffnet. Ablenken. Und wenn es nur kurzzeitig ist... habe das ja öfter schon gemacht. Hat geholfen.
Noch während ich losging, merkte ich, dass ich eigentlich etwas anderes brauche und möchte. Fragte per Handy meine Tochter, ob sie mich auf einen Kaffee reinlässt... Familie, Vertrautheit, Nähe, reden...
Sie antwortete, dass sie gleich Besuch bekäme. Ich wusste, dass es ein Besuch war, mit dem sie alleine sein musste - ihr Ex kam zu einem Gespräch. Also stieg ich doch in den Zug.
Bis zur nächsten Haltestelle war mir klar, das mit der Stadt konnte ich heute nicht. Das Dunkel in mir war einfach zu dunkel. Und zu schwer. Es drückte schon sehr auf meine Augen. Nicht weinen. Nicht hier im Zug weinen. Und auch nicht in der Stadt. Ich stieg schnell aus als der Zug das erste mal hielt. Und ging durch den Ort in Richtung Feldmark - zu einem Weg dort, der wieder nach Hause führt. Und die Tränen kamen schon, konnte sie nicht mehr stoppen. Schaute nach unten, solange mir noch Menschen entgegenkamen.
In der Feldmark dann war es okay. Da durfte das sein. Ich nahm Nebenwege, auf denen ich niemanden vermutete. Die Sonne schien durch die Wolken. Die Luft war frisch und klar. Ganz anders als mir war. Dieser Schmerz. Dieser furchtbare Schmerz. Wieder einmal. Er war das 3. Mal in ein anderes Boot gestiegen. Wieder ein tolleres als meines wohl je für ihn war und ist.
Ich marschierte wie besinnungslos die Wege entlang. Konnte gar nicht wahrnehmen, wie schön es eigentlich um mich herum ist. Hörte die Vögel zwitschern, spürte die Sonne warm... aber alles war Schmerz. Und es war, als hätte ich einen großen Stausee in mir, dessen Befestigung einfach gebrochen ist. Fühle mich verlassen, alleine zurückgelassen. Ausgetauscht. Ersetzt durch etwas Besseres. Wertlos. War nicht gut genug für ihn. Nicht interessant genug. Nicht vorzeigbar genug.
Ihm geht es gerade sehr gut. Er schrieb mir ja durch die Blume (wie jedesmal: durch die Blume), er ist verliebt. Und während ich mit dem Leben hadere, mir ein gutes Gefühl wünsche, Hoffnung haben möchte auf - ja, auf was? -, jetzt wieder ganz alleine rudere mit so müden Armen und Augen, so kraftlos, ist er sicher gerade ganz weit oben. Hat unglaublich gute Gefühle. Mein Kopfkino quält mich. Ein Film mit Kuschelbildern und mehr läuft. Hauptdarsteller sind er und sie. Ein Liebesfilm. Ein schei. Liebesfilm. Ich möchte ihn nicht sehen. Dieser Film tut mir doch auch nur weh. Aber finde den Knopf zum Umschalten nicht.
Jetzt bin ich nicht mehr wichtig. Das mit mir braucht er nun nicht mehr. Und ich muss mir seit Tagen gut zureden, dass ich das mit ihm auch nicht brauche. Dass das Leben auch so viele schöne Momente hat. Muss.es.mir.immer.wieder.vorsagen. Nicht verzweifeln. Jetzt bloß nicht verzweifeln, nicht untergehen.
Und es war doch abzusehen. Kam nicht wirklich überraschend. Er hatte schon nach dem anderen Boot geschielt. War sich nur noch nicht sicher, ob sich der Sprung da hinein lohnt. Und sprang rüber. Schlechter kann es nicht werden, schrieb er mir kurz vorher noch. Ja, es hat sich gelohnt. Für ihn. Ich kann es sogar irgendwie verstehen. Kann ihn verstehen. Aber auch das Verstehen tut sehr weh.
Ich habe es gerade sehr satt, wieder neu anzufangen... irgendwie die große Lücke zu schließen, die er hinterlassen hat... wieder neu zu beginnen. Es kommt mir unglaublich mühsam vor. Und es ist doch anders, ob ich mit Schmetterlingen im Bauch neu anfange -egal, weshalb ich sie spüre und wieviele es sind-, oder ob ich mit Motten im Bauch neu anfange... und es ist doch anders, wenn ich gar nicht die Wahl hatte zwischen will und muss.
In wenigen Stunden muss ich wieder einigermaßen gut rudern. Einfach treiben lassen geht auf der Arbeit ja nicht.
Bin müde.
Wünsche uns allen hier leuchtende Momente, Hoffnungsschimmer, warme wohltuende Gedanken... ganz viel von allem, was einfach gut tut.
Liebe Grüße
liberty
18.04.2016 03:24 •
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