Oh Mann, was du schreibst, liest sich fast wie meine eigene Geschichte. Ich bin verheiratet, habe 2 Kinder und leide seit meiner frühen Jugend unter einer heftigen Angststörung, gegen die kein Kraut gewachsen war. Mein Mann war und ist sehr verständnisvoll. In den letzten Jahren legte meine Krankheit unser komplettes Familienleben nahezu lahm und beherrschte unseren Alltag bis in jede Haarspitze. Es ging NUR und immerzu um mich. Alles wurde nach mir ausgerichtet. Mein Mann bemühte sich nach Kräften, war fast allein für die Kinder zuständig und ließ sich selber dabei auf der Strecke. Daraus kann ich ihm keinen Vorwurf machen, denn wer noch nicht mit einem Angstkranken zusammen gelebt hat, macht sich absolut kein Bild davon, wie schwierig es ist, als Familienangehörige damit umzugehen. Letztendlich verlangte ich ja genau DAS von ihm. Naja, natürlich hat man unter dieser dauernden Last keinen Raum mehr für die selbstverständlichen Dinge des Zusammenlebens, wie gemeinsame Unternehmungen, sich Fallen lassen, S., Unbeschwertheit, Nestwärme, Gespräche über Alltägliches. Man verliert sich aus den Augen. Alles ist Problem. Im letzten Jahr bin ich dann überraschend und sehr blauäugig in eine Affäre geschlittert. Plötzlich war ich lebendig, begehrt, unbeschwert, hatte s.uelle Höhenflüge, keine Probleme und keine Vergangenheit, es war der Himmel. Auch mir war von Anfang an klar, dass ich meinen Mann nicht verlassen wollte. Ich brauchte aber dieses neue Erleben wie einen Rausch. Nach einiger Zeit schlich sich meine Krankheit aber auch in die Affäre. Der Mann begann auch mehr von mir zu fordern. Er wollte natürlich mehr als nur S. im Schutzraum des stillen Kämmerleins. Ich ahnte , eigentlich wusste ich es von Anfang an, dass ich auf dem Holzweg war. Mein Mann begann auch etwas zu ahnen und ich beichtete ihm schließlich alles. In der darauf folgenden Zeit tat sich der Boden unter uns auf. Nach einem Fehlversuch beendete ich die Affäre und bekam jetzt natürlich Druck von beiden Männern. Es war die Hölle. Auf der einen Seite mein Mann, den ich liebte, auf der anderen Seite die Affäre, die mir diese unsagbaren Momente verschaffte. Je mehr mir klar wurde, dass die Affäre nur ein Weglaufen und Betäuben ist, umso mehr trauerte ich und litt . Dies habe ich damals gar nicht verstanden. Es war dieses Unausweichliche, das mich immer wieder nahe an den Abgrund zog.Ich fühlte mich wie ein Alk., der das nächste Glas stehen lassen muss, obwohl es den Himmel verspricht. In der Rückschau kann ich sagen, es war die Angst ,meiner Krankheit die Stirn zu bieten und endlich meine Dämonen wirklich bei den Hörnern zu packen. Über die Jahrzehnte waren sie mir auch irgendwie zu Verbündeten geworden, die , so verrückt sich das anhört, auch Sicherheit boten.
Glücklicherweise fand ich einen guten Therapeuten. Das ist wirklich nicht einfach und ich wünsche dir, dass du deine Krankheit anpackst und ihn auch findest. Einige Versuche hatte ich seit meiner Jugend in dieser Richtung schon unternommen. Wirklich gefruchtet haben sie nicht. Woran das lag, kann ich nicht genau sagen. Bestimmt auch an den Therapeuten, die mich nicht kriegten, weil ich in den langen Jahren meiner Krankheitsgeschichte eine perfide Spezialistin in Selbst -und Fremdmanipulation geworden war. Aber sicher auch an mir selbst. Ich hatte Angst, mich mit dem Grausamen zu stellen, das mein Leben begleitete. Ich habe in der Therapie Strategien gelernt, meiner Angst zu begegnen, hinzuschauen und vor allem meine Krankheit zu akzeptieren. Das Wichtigste war jedoch zu erkennen, dass ich verantwortlich für mich und andere bin. Nur ICH kann meine Dämonen besiegen, denn es sind MEINE. Niemand auf dieser Welt kann mir das abnehmen. Diese Erkenntnis hatte ich, wenn ich ganz ehrlich bin, schon lange, aber ich flüchtete immer wieder vor ihr und nötigte mein Umfeld, sich auf mich einzustellen. Ich glaube, das wahre Realisieren dieser Tatsache verdanke ich meiner Affäre, die mich und meine Familie nah an den Abgrund geführt hat. So furchtbar und zerreißend die Postaffärenzeit auch war, manchmal sind mein Mann und ich auch dankbar für diese Erfahrung, die einem das Herz aus dem Leib riss, in der aber eine Unausweichlichkeit lag, die vom lähmenden Stillstand in die Bewegung führte. Ich bin mittlerweile so stolz und glücklich, dass ich mich meinen Problemen stelle und mich dadurch handlungsfähig und viel selbstbewusster fühle. Das ist natürlich ein anderes Selbstbewusstsein und Glück als das,was ich in der Affärenzeit erlebte. Nicht wild und trunken,aber stark und nachhaltig. Mein Mann und ich SEHEN uns wieder, nehmen uns Zeit füreinander und erleben eine tiefe Nähe zueinander. Ich will meinen Weg in den letzten Monaten nicht rosarot malen. Es gibt Höhen und Tiefen ,wenn man sich mit seinem eigenen Irrsinn auseinandersetzt, aber das ist wohl normal und geht allen Betroffenen so. Ich habe mich einer Selnsthilfegruppe angeschlossen. Auch das gibt mir Kraft, weil ich sehe, ich bin nicht allein. Das, was ich erlebe,ist normal und in Ordnung. Es gehört zu meinem Weg dazu. Im letzten Jahr habe ich mich still durch die Foren gelesen, was mir damals geholfen hat. Ich tue es ja von Zeit zu Zeit immernoch, wie du siehst. Aber der persönliche Austausch in der Gruppe ist nochmal intensiver. Die Idee meiner Vorrednerin mit der Paartherapie ist sicherlich eine gute Idee. Wir wollen das jetzt auch angehen. Leider dauert es doch einige Wochen, bis wir anfangen können. Ich bin meinem Mann so unendlich dankbar, dass er das alles durchgehalten hat und immer an meiner Seite war. Manchmal habe ich ihn für diese Selbstlosigkeit sogar verachtet, weil ich mich schämte für das, was er für mich getan hat. Für ihn ist es zwischendurch immer wieder nicht leicht, mit den Verletzungen umzugehen, die in den letzten Jahren nicht nur durch die Affäre für ihn und die Kinder entstanden sind. Deshalb erhoffen wir uns von der Paartherapie noch weitere Hilfe. Alles in allem kann ich aber sagen, es lohnt sich, den Stier bei den Hörnern zu packen, es verschafft tiefe Befriedigung und eröffnet eine innere Freiheit, die ich so noch nicht erlebt habe.
Ich war froh, deine Geschichte zu lesen,auch wenn ich weiß, wie schwer diese Zeit für euch ist. Meistens liest man in den Affärenforen nur die Erlebnisse der Partner , die sich von einem psychisch Kranken schweren Herzens trennen. In deinem Fall ist das anders und sehr anrührend, weil ich meine eigene Geschichte wieder sehe.
Vielleicht konnte ich dir etwas Mut und Hoffnung geben in der schwierigen Zeit, die du durchmachst. Das würde mich sehr freuen.
Ich wünsche die und deiner Frau viel Kraft . Ich glaube, du kennst deinen Weg. Er ist steinig, aber er lohnt sich. Pscl den Stier an den Hörnern.! Wenn du stark wirst, wird er schwächer.
09.03.2016 22:27 •
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