Eines Mal vorab, ich will hier kein Mitleid, auch kein Geld, obwohl ich es dringend brauchen würde, aber ich weiss, dass es keine Samariter auf dieser Welt gibt.
Ich möchte heute und hier meine Vergangenheit abschliessen und dies auf den Rat eines guten Freundes hier niederschreiben....ich möchte anderen Menschen helfen, weiter zu kämpfen auch wenn es manchmal auswegslos erscheint....ich möchte einfach nur den Menschen hier Mut machen.....Ihnen die Gewissheit geben nicht allein zu sein.....weil ich immer alleine war....
Hier begann alles:
Ich sitze hier in meinem kleinen Zimmer und höre wie der Wind draußen durch die Strassen heult. Es ist kalt an diesem Wintertag und ich lausche dem Klappern der Jalousien, dass wie eine wilde Sinfonie in meine Ohren dringt.
Ich schließe meine Augen und versinke in einer Welt in der die Vergangenheit Ihre Konturen hinterlassen hat. Wie ein Film wird die Zeit zurückgedreht, um genau 4 Jahre. Zu jenem Zeitpunkt war ich in der Schweiz und mein damaliger Freund machte mir gerade einen Heiratantrag. Ich war froh es endlich geschafft zu haben, endlich habe ich es geschafft diesen Mann glücklich zu machen.
Als ich Toni ein Filipino – Chinese vor 4 Jahren kennen lernte war er so schwach, während ich vor Energie und Lebensfreude nur so schäumte. Er war so hilflos so bemitleidenswert. Er hatte 5 Geschwister und eine Mutter, die sein Leben regelrecht regierten. Ich wollte ihn befreien, ich wollte ihm ein sein Leben wieder zurückgeben, ich wollte ihn einfach glücklich sehen.
Ich willigte ein und freute mich auf die folgende Zeit. Die Vorbereitungen für die Feier liefen auf Hochtouren. Ich musste bis zum letzten Tag vor der Hochzeit arbeiten und gab Toni ca. DM 20.000 um die laufenden Rechnungen für die Hochzeit zu bezahlen.
Toni wollte, dass die ganze Welt wusste, dass wir heirateten. Da ich Einzelkind war plante Toni eine große Hochzeit aus Respekt zu meinen Eltern. Tonis Familie waren sehr geldgierig und ruhmsüchtig. Jeder Wunsch wurde erfüllt obwohl ich damit oftmals nicht einverstanden war. So kam es das ich im Trubel des Geschehens bemerkte wie mein Freund sich anfing zu verändern.
Zwei Wochen vor der Hochzeit wollte ich das ganze Fest absagen, weil ich plötzlich anfing zu zweifeln. War es wirklich der Mann? Doch meine Eltern redeten auf mich ein mit der Vermutung, dass ich einfach eine Torschusspanik vor dem Heiraten hatte.
Nach der Hochzeit flogen wir in die Flitterwochen, als mir Toni eines morgens am Frühstückstisch mitteilte, dass er das Geld, was ich ihm gegeben hatte nicht für das Bezahlen der Rechnungen benutzt hat, sondern seine ganze Familie inkl. Anhang für die Hochzeit mit Anzügen, Abendkleidern, mit anderen Worten von Kopf bis Fuß und von Innen nach Außen ausgestattet hat.
Für mich brach eine Welt zusammen. Die folgenden Wochen wusste ich nicht mehr was ich fühlen sollte. Ich war wie in einem falschen Film. Nach 3 Wochen flogen wir zurück in die Schweiz. Das Leben wurde für mich zu einem reinen Machtkampf. Ich musste von 7 Wochentagen 6 Tage bei Tonis Familie kochen.
Meine Eltern waren zu jenem Zeitpunkt bereits nach Thailand ausgewandert, weil sie dachten, dass ich ja jetzt versorgt war. Seine Mutter bestimmte Tonis und somit auch unser Leben. Seine Geschwister mischten sich in unsere
Ehe ein und ohne das Toni nur jeglichen Widerstand leistete.
Kurz darauf bekam Tonis Mutter einen Schlaganfall. In einer sogenannten „Familienratsitzung“ wurde in meiner Abwesenheit beschlossen, dass ich meinen Job kündigen sollte und sich um seine Mutter kümmern sollte. Ebenfalls verlangte Toni von mir einen Erben, damit er seinen Pflichten gegenüber seiner Familie gerecht wurde. Toni versteckte meine Pille und versuchte alles mögliche damit ich endlich schwanger wurde, aber es klappte einfach nicht, weil ich es einfach nicht wollte und heimlich die Pille weiternahm.
Nach 6 Monaten Ehe hielt ich es einfach nicht mehr aus und reichte die Scheidung ein. Toni sollte aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen und ich vereinbarte mit ihm den Zeitpunkt.
Als ich jenem Abend nach Hause kam, an dem er schon weg sein sollte, standen 3 Männer mit ihm in meiner Wohnung. Sie klebten meinen Mund zu damit ich nicht schreien konnte und hielten mich fest. Sie prügelten auf mich ein bis ich ohnmächtig wurde. Ich wachte auf und versuchte zu schreien, aber ich konnte nicht. Mein Jammern und meine Schreie verstummten unter dem Gelächter der Männer und meines sogenannten Ehemannes. Einer nach dem anderen Drang in mich ein. Jeder vergewaltigte meinen Körper und ließ meine Seele sterben. Ich schloss die Augen und hoffte nur, dass alles einfach nur schnell vorbeiging.
Mein sogenannter Ehemann zog mich an den Haaren ins Wohnzimmer als er mir ein Stück Papier unter die Nase hielt: „Unterschreib!“. Es war eine Auflistungen von diversen Einkäufen bei Versandhäusern, einem Auto, Kredite im Gesamtwert von € 100.000. Ich entzifferte nur einen Satz: „Hiermit willige ich freiwillig ein die obengenannten Rechnungen aus freien Stück zu übernehmen und auch zu bezahlen!“
Die Männer prügelten solange auf mich ein – solange bis ich für mein Überleben unterschrieben hatte. Mit einem Tritt in meinen Bauch verließen sie die Wohnung. Es war still, nur mein Schluchzen war leise zu hören. Ich spürte wie das Blut an meinen Beinen runterlief und ich wusste ich war schwanger.
2 Tage lag ich da – 2 Tage in denen niemand mich vermisste. Zwei Tage in denen ich mich nicht bewegen konnte.
Einen Monat später fand ich mich vor Gericht wieder. Ich klagte für eine Gerechtigkeit, die es für mich nicht gab. Er hatte drei Zeugen, ich keinen. Ich sehe sein Lachen noch vor mir. Beim Herausgehen sagte er mir auf chinesisch: „Denk an die 4 Trennungsjahre.....ich werde die Scheidung nicht einwilligen, solange habe ich Dich unter Kontrolle und solange wirst Du mindestens dafür bezahlen!!!“
Ich brach zusammen.
Ein guter Freund rat mir nach Deutschland zu kommen. Hier ein neues Leben anzufangen. So kam es, dass ich in einer Nacht und Nebelaktion die Schweiz nur mit dem nötigsten verließ. Seine Eltern nahmen mich mit offenen Armen auf und ich arbeitete dafür im Haushalt. Nach 2 Monaten fand ich endlich einen Job als Projektmanagerin und war froh mich für Deutschland entschlossen zu haben. Der Vater von meinem guten Freund war ein sehr einflussreicher und namhafter Mann in der Umgebung und so schaffte er es mir sehr schnell eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung zu beschaffen.
Nach der Probezeit hatte ich gerade eine Wohnung für mich gefunden, als der Vater meines guten Freundes eines Abends in sein Büro zitierte. „Mein Sohn liebt Dich und Du wirst mit ihm zusammenziehen und ihn lieben, ansonsten sorge ich dafür, dass Du Deutschland verlassen musst und in die Schweiz zurückkehren musst! Das wollen wir ja nicht oder?“
Aus Angst vor meinem Leben willigte ich ein. 2 Jahre spielte ich die Freundin, 2 Jahre spielte ich die Liebe vor, die ich nicht empfand. Ich versuchte meine Schulden aus der Schweiz rüberzuziehen und die in Deutschland weiter zu tilgen. 2 Jahre bis ich schaffte die Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung über meinen Arbeitgeber abwickeln zu können. Schuldnerberatungen und Beamtengänge die mir nicht helfen konnten: „Sie sind keine Deutsche und haben auch keine unbefristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, wir können Ihnen leider nicht helfen! Da müssen sie schon in die Schweiz zurückkehren!“
2 Jahre hatte ich es ausgehalten, 2 Jahre hab ich gekämpft und dann hatte ich mich von meinem damaligen Freund getrennt ohne das sein Vater auch nur das geringste Bewirken konnte.
Nach einem Dreiviertel Jahr lernte ich dann einen Mann kennen, der mir zum ersten Mal in meinem Leben zeigte was es heißt geliebt zu werden. Ich konnte mit ihm über alles reden. Wir sprachen über die Zukunft und wir sprachen über Familie und Kinder. Dann wurde ich unachtsam schwanger. Doch wir freuten uns auf das Kind und unsere gemeinsame Zukunft. Ich zog meine Möbel von Süddeutschland hoch zu ihm in Norden wo er wohnte.
Bis zu jenem Tag als ich seine Eltern kennen lernte: „Eine Asiatin kommt mir nicht ins Haus!“, sagte seine Mutter vor meinen Augen giftig. Wieder brach für mich eine Welt zusammen. Aber ich dachte ich hatte ihn und das Kind. Von jenem Tag merkte ich wie seine Liebe zu mir in seinen Augen verschwand.
Ich wollte das Kind ohne ihn groß ziehen. Ich wüsste nicht wie aber ich wusste, dass ich es irgendwie schaffen würde. Ich trennte mich dann von ihm.
Unter Tränen fuhr ich vom Norden zurück in den Süden zu meiner Arbeitsstelle, die ich bis zu jenem Zeitpunkt noch nicht gekündigt hatte. Ich hatte noch keinen Job im Norden gefunden.
In Hannover bekam ich die ersten Bauchkrämpfe in Kassel lief mir das Blut an den Beinen runter. Wieder war ich allein. Niemand war im Zugabteil. Bis nach Karlsruhe hielt ich es aus als ich unter den Armen eines guten Freundes zusammenbrach und ins Krankenhaus gebracht wurde und die Gewissheit alles verloren zu haben....auch mein Kind.
Jetzt sitze ich hier in meinem kleinen Fremdenzimmer und schreibe all das nieder um mich immer daran zu erinnern wie mein Leben einmal war und nie wieder sein sollte.
Ich habe endlich einen Job in Flensburg gefunden und ich weiß wenn ich demnächst eine Wohnung finde, kann ich MEIN neues Leben anfangen. Meine Schulden konnte ich bis heute auf € 60.000 reduzieren.
Und wie soll ich sagen, ich bin stolz darauf noch hier sitzen zu können und alles aufschreiben zu können. Ich bin stolz darauf überlebt zu haben und ich bin stolz darauf alles alleine und mit meiner eigenen Kraft durchgestanden zu haben.
Dann kann ich ein neues Leben anfangen – am Wasser wo ich vieles verarbeiten und verdauen kann in meinem Leben.
Den ich habe es gelernt: „Aufstehen ist die Kunst des Lebens!“
Das ist meine Vergangenheit.....eine Vergangenheit, die niemals verwischbar ist....eine Vergangenheit, die ein Bestandteil von mir geworden ist.
Doch es kam der Tag an dem ich, wie ein Phönix aus der Asche emporstieg und dies am Ostermontag diesen Jahres (2002) geschrieben hatte:
Es ist ein stürmischer milder Wintertag als ich an der Küste entlanggehe. Der kühle Wind streichelt sanft meine Haut und meine Haare tänzeln wie kleine Federn in der frischen Luft. Ich blicke in Gedanken auf das weite Meer und ich fühle mich frei. Für einen kurzen Augenblick sehe ich zum blauen Himmel, sehe die Wolken, die sich wie kleine Schafe in der Weite verteilen. Ich schließe die Augen und versinke in der Vergangenheit. Mein Herz gleicht einem kleinen Boot, dass auf dem großen weiten Meer treibt ohne wirklich ein Ziel zu kennen. Egal wie stürmisch oder wie ruhig die See ist, treibt das Boot dennoch immer geradeaus. Egal wie das Schicksal mich in meinem Leben gelenkt hat, stehe ich doch hier an dieser Stelle, an der Stelle wo der Sand an meinen Schuhen klebt und blicke lächelnd in die Ferne. Dinge über die ich früher geweint habe, Situationen in denen ich keinen Ausweg sah, Momente in denen ich alles aufzugeben drohte, begegne ich in diesem Augenblick doch nur mit einem kleinen Lächeln.
Hier gibt es nur das Meer, der Himmel, die Wolken und mich. Hier bin ich zu Hause, hier gehöre ich hin. Ich lausche dem leisen Rauschen der Wellen, während der salzige Geschmack des Meeres meine Nase erfüllt. Hier kann ich für Momente alles vergessen. Hier umarmt mich die Welt, hier blühe ich auf, hier atme ich auf, hier dreht sich die ganze Welt nur um mich.
Der Wind wird stärker und ich kuschle mich sanft in meine Jacke. Über dem Himmel hat sich ein grauer Schleier gebildet. Ich schließe die Augen während die ersten Regentropfen mein Gesicht benetzen. Ich lächle und atme tief die frische Luft tief in mich ein. Ich beobachte wie der Regen sanft auf meine Jacke prasselt und in den Stoff eindunkelt. Ich lehne verträumt meinen Kopf nach hinten und beobachte die wild gewordene See. Kleine weiße Häuptchen haben sich mittlerweile auf dem Meer gebildet. Die Wellen werden höher und erheben sich im Glanz der Gestirne.
Ich setze mich auf eine Bank und genieße wie der Wind meinen Körper durchfließt. Sanft wische ich mir die Regentropfen vom Gesicht und blicke auf meine nasse Hand. Ich verreibe das Wasser in meinen Händen und sehe mit offenen Augen zum Himmel. Ich lasse den Regen mein Gesicht streicheln, ich lasse denn Sand an meinen Schuhen kleben, ich lasse mich mit den Gestirnen vereinen. Ich lächle als ich plötzlich die ersten Sonnenstrahlen meine Augen kitzeln sehe. Ich lächle weil ich weiß, dass ich es geschafft habe. Ich lächle, weil ich weiß, dass ich hier bin. Ich lächle, weil ich weiß, dass ich „zu Hause“ bin.
Manchmal verlier ich die Kraft, manchmal verlier ich den Mut und manchmal verlier ich den Glauben, aber ich muss aufstehen, weil ich weiss, dass es niemanden gibt, der mir hochhelfen würde und liegen bleiben will ich nicht....
ICH WILL NICHT!!!!!!!
Zum Schluss möchte ich juice danken, für die richtigen Worte im richtigen Moment...danke, dass Du in jenen Stunden für mich da warst und mir Mut gemacht hast....nochmals herzlichen Dank.....
08.07.2002 21:50 •
x 1 #1