Zitat von Painfull:Noch nie in meinen Leben wurde ich so gedemütigt. Deshalb bin ich voller Wut auf diese Leute.
Da genau da ist der Schmerz!
Lieber @Painfull
Du hast mein Mitgefühl. Es muß unfassbar frustrierend sein, sich so ausgeliefert zu fühlen.
Hast Du mal überlegt, warum manche Menschen scheinbar schneller oder scheinbar besser mit Trennungen zu Recht kommen als andere?
Natürlich können wir jetzt hier einen auf schlau machen und behaupten das läge halt an deren Resilienz. Ein Stück weit stimmt das natürlich. Manchen Menschen ist mehr Resilienz mitgegeben als anderen, die gute Nachricht aber ist auch das man diese Fähigkeit auch noch im Erwachsenenalter lernen kann, dies allerdings zumeist erst durch externe Hilfe. Deswegen ist Therapie ein wirklich mutiger aber auch sehr sinnvoller Schritt.
Die erste Faustregel heißt daher: Menschen, die sich Hilfe suchen, sind gesund genug zu erkennen, daß sie welche benötigen.
Immer dran denken, wenn du nen Blinddarmdurchbruch hast, hilft halt kein Pflaster. Und auch dran denken, selbst der geschickteste Chirurg, kann sich nicht selbst am Blinddarm operieren.
Neben dieser Resilienz kommt aber etwas hinzu. Menschen, die scheinbar schneller, scheinbar besser überwinden, sind zumeist so weit beieinander, daß sie Trennung, den Verlust des Partners, auch den Verlust des jetzigen Lebensmodells, als genau das betrachten. Als einschneidende Veränderung. Diese Menschen können aber sehen, daß Veränderung eben genau das ist, ein ändern der Situation. Für diese Menschen teilt sich die Welt nicht in ein vorher/nachher im Sinne eines alles vorher gut/alles nachher verloren, es wird nie wieder gut.
Dazu braucht es aber die Überzeugung, daß es das eigene Leben ist (man also nicht nur durch den/die anderen besteht), es braucht die Überzeugung, daß das eigene Leben grundsätzlich etwas wert ist (nicht erst dadurch an Wert gewinnt, daß eine Job-Position, das haben einer Familie, etc einem diesen Wert vermittelt) und es braucht die Überzeugung, daß, es einem mit ein bißchen Anstrengung absolut gelingt, ein wunderbar erfülltes Leben auch wieder zu führen.
Und dann gibt es Menschen für die ist das ganz und gar nicht so. Dann ist eine Trennung, das Ende der Welt. Nicht eine Veränderung, sondern das Ende.
Das passiert zumeist dann, wenn neben dem Verlust des Partners, wenn neben der Trennung, ein sehr alter Schmerz, der wenig mit Partnerschaft zu tun hat, existiert.
Wenn wir zum Beispiel immer insgeheim vermutet haben, daß wir es gar nicht wert sind, geliebt zu werden. Dann um bei diesem Beispiel zu bleiben, werden unsere schlimmsten, existenziellsten Ängste wahr. Diese Ängste scheinen so groß, so übermächtig, was wenn das Gefühl stimmt?, daß wir alles tun um zu vermeiden, uns mit diesen Ängsten auseinanderzusetzen.
Unser einziger Weg dies vermeintlich nicht tun zu müssen, ist, wenn wir es schaffen, daß das von uns empfundene Ende kein solches mehr ist. Wir investieren unendlich viel Energie, Zeit und Kraft darauf, aus diesem Ende etwas anderes zu machen.
Menschen, denen das anders geht, siehe oben, nehmen diese ganze Energie, Kraft und Zeit und investieren diese in die Veränderung, für diese ist es eben kein Ende sondern nur Veränderung.
Gleichzeitig wird uns aber bewußt, daß egal wie sehr wir versuchen aus dem Ende etwas anderes zu machen, es irgendwie nie mehr so wird. Das lässt uns verzweifeln. Am Leben zweifeln, im Wort Sinne.
Und das löst natürlich noch viel mehr Schmerz aus und weil wir ja schon überhaupt keine Kraft mehr haben, die stecken wir ja statt in die Veränderung in das Abwenden eines nicht aufhaltbaren Endes, fühlen wir uns dann nicht nur unendlich klein, sondern wir werden auch richtig wütend.
Weil auch das deutlich besser ist, als sich mit diesem Schmerz und mit der hinter allem stehenden Angst auseinanderzusetzen.
Im Grunde genommen kannst Du Dir das ein bißchen so vorstellen, als gäbe es da so eine schicke Bundestrasse, hübsche Bäume links und rechts, mal mehr, mal weniger ausgebaut. Eines Tages kommst Du an einen Straßenblockade. Strasse ist dicht, kannst Du nicht mehr weiterfahren. Wird auch nicht wieder aufgemacht, weil, was weiß ich, da super seltene Igel sich paaren und der Naturschutz sagt, nö is nicht. Links und rechts gibt es so Mini-Feldwege nicht ausgebaut, schaut auch gar nicht einladend aus, weiß auch keiner wo die hin führen.
Du kannst jetzt für den Rest Deines Lebens an dieser Strassenblockade stehen bleiben, hupen, zetern, Dich aufregen, die Lokalpresse anrufen, damit die darüber berichten, wie unendlich blöd das ist. Davon gehen die Igel aber nicht weg und die Strasse wird auch nicht wieder aufgemacht.
Es bleiben die Feldwege. Und wer weiß, ob nicht einer von denen, dich auf die nächste richtig fette Autobahn führt. Da kannste ganz anders als auf so ner Bundestrasse mal richtig Gas geben.
Faustregel Nummer 2 heißt daher: Du mußt Dich um den alten Schmerz kümmern und egal wie schwer es fällt, dich mit diesem auseinandersetzen. Sonst bleibst Du nämlich für immer jemand, der diesen blöden Igeln bei der Paarung zuschaut.
Was die Nummer mit dem Kopfkino angeht. Ach Mensch, ich würde Dir ja gerne erzählen, daß Du jetzt fünf Tropfen Morgentau gesammelt von vierblättrigen Kleeblättern, mit ner zerbröselten Hasenpfote mischt, das ganze bei Vollmond ziehen lässt und dann in Deinen Kaffee tust. Tja, wie meinen flapsigen Worten zu entnehmen, so läuft das halt nicht.
Es gibt eine dritte Faustregel, die is aber ein bißchen komplizierter, weil Du mir jetzt im Moment vielleicht noch nicht zustimmen kannst. Aber es ist eben auch eine, die solche Menschen, die scheinbar schneller, scheinbar besser klarkommen, sich immer wieder sagen: es geht einem selbst nicht davon besser, daß es anderen schlechter geht.
Nicht langfristig jedenfalls.
Weißt Du warum? Weil es diesen alten Schmerz, diese Ur-Angst, diesen fehlenden Eigenwert weder zum Schweigen bringt noch löst.
Bitte versteh mich jetzt richtig, nichts von dem, was ich geschrieben habe, löst alle Deine Problem sofort. Es gibt hier einen Thread, wo sich Väter in Deiner Position austauschen, schau da mal rein.
Das Verhalten Deiner Ex wird sich dadurch nicht lösen lassen, aber Du bist dann in einer Position, in der Du Deine Problem besser angehen kannst, womöglich andere Lösungen für Situationen findest und die Wahrscheinlichkeit, daß auch Du wieder ein Leben hast, welches Du für lebenswert hältst, steigt enorm.
Ich wünsche Dir einen sehr hübschen und machbaren Feldweg.