Zitat von Fliesentisch:Wo in Gottes Namen sieht man denn hier Therapiebedarf? Zwei Menschen halten es mit der Ordnung und Zielsetzung in ihrem Leben grundsätzlich anders, ...
Den sehe ich hier schon. Woher kommt diese Selbstoptimierung, die dann auch noch wie ein ausstrahlender Schmerz den Partner ergreift?
Ich habe mal eine (kurze) Partnerschaft mit so einer alles kontrollierenden, übergriffigen und vor allem optimierenden Frau geführt. Einige Dinge erkenne ich hier wieder. Sie war übrigens diagnostizierte (verdeckte) Narzisstin. Verdeckter Narzissmus äußert sich um einiges anders, als der oft (eher maskuline) offene Narzissmus. Kunststück, man sieht es ja schon am Adjektiv
Bevor es falsch rüberkommt: ich möchte der TE sowas nicht andichten. Ich bin kein Profi und das ist hier ein Forum, keine Praxis.
Kontrolle und Optimierung sind fast immer ein Ausdruck von fehlendem Selbstwert. Die Optimierung, die Kontrolle, gewisse Zwänge - alles Werkzeuge um Sicherheit und Wert zu generieren. Ich war auch mal so gestrickt. Bis ich das mit Profis angegangen bin. Die wichtigste und zentrale Frage, um die sich dann diese Problematik drehte war:
Was in deinem Leben wird durch den Anspruch an 100 Prozent (kurz-/mittel-/langfristig) besser?
Antwort: Nichts!
Es geht um den Vergleich zu dem, was passieren würde, wenn ich nicht 100 Prozent in allen Bereichen geben würde - wir reden hier über einen gewissen Zwang a la Wenn's gut werden muss, mach's lieber gleich selbst.
Die Erde würde sich weiterdrehen, niemand würde sterben, die Sonne morgen noch aufgehen, usw.
Wenn der Selbstwert nicht gesund ist, dann wird das in viele Bereiche des Denkens und des Lebens eingreifen. Ich differenziere da auch stark zwischen Selbstbewußtsein und Selbstwert. Ersteres sehe ich bei der TE als stark ausgeprägt, letzteres eher nicht so.
Ist der Selbstwert ungesund, so versucht man ihn durch Zufuhr von Anerkennung übers Außen zu heilen - was nicht wirklich möglich ist. Wir reden da über kleine Pflaster, die temporär gut tun, nicht über eine grundlegende Heilung. Ich hoffe die Metapher kommt halbwegs an.
Zitat von Giorgio88: Ich bin wirklich äußert anspruchsvoll und wählerisch (in allem) und überdenke jede Entscheidung 20.000 Mal (keine Ahnung wieso, aber ich habe ständig Angst vor Fehlentscheidungen). Dass ich nach dem Treffen einer Entscheidung mal zu 100% zufrieden bin, ist trotzdem selten.
Warum? Warum hast du diesen Anspruch an dich? Was wird dadurch besser für dich? Ich sage dir: nichts.
Was aber wird dadurch schlechter? Ich sage dir: soziale Bindungen (siehe die Auswirkungen auf deine Partnerschaft oder deine Mitarbeiter und auf dich).
Also meine essentielle Frage an dich: Wofür brauchst du das?
Das Paradoxon dabei ist doch, dass du einem Ideal nachläufst, was es nicht gibt und das lässt es dich vermutlich noch mehr versuchen. Wie der Esel mit der Karotte vor der Nase, die an einer Angel hängt die wiederum mit seinem Rücken verbunden ist. Du generierst als somit sogar zum Teil selbst deine Situation, die du dann wieder entschärfen möchtest.
Zitat von Giorgio88: Eine zu 100% glückliche Beziehung hatte ich auch noch nie.
Und das nimmst du als gegeben hin? Schau bitte mal auf deine Bewertung. Vielleicht gab es tolle Partnerschaften aber das Haar in der Suppe lässt dich so darüber denken.
Das was du suchst, das gibt es nicht.
Zitat von Giorgio88: Mein Verhalten nervt mich wirklich.
Und darum finde ich es toll, dass du selbst sagst, dass du was ändern möchtest. Für mich ein erster und der wichtigste Schritt.
Zitat von Giorgio88: Das sind alles Charakterzüge von mir, die ich selber gar nicht mag.
Dann schau mal hin, woher das kommt. Ich meine, man kann sogar soweit gehen und sagen, dass du dich mit so einer Aussage selbst defizitär darstellst, weil du nicht der Mensch bist, den du dir in deinem Kopf zurechtgelegt hast. Du bist gut wie du bist - auch mit deinen (vermeintlich negativen) Eigenschaften und deiner Kontrolle.
Du könntest auch einfach sagen, dass das so ist und schon wäre ein erster Schritt der Akzeptanz getan.
Halte einfach mal Situationen aus (und vor allem: erkenne sie!), die dich sonst stark antriggern würden.
Konfrontationstherapie nennt man das und die hat mir sehr geholfen. Dinge aushalten, Realitätschecks (was genau passiert eigentlich wirklich Schlimmes, wenn ich das und das jetzt nicht [ganz genau] mache?) und das wissen darum, dass diese Stresskurve in dir auch wieder abflachen wird - und das sehr zeitnah.