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Ich, die Versagerin - arbeitslos, wohnungslos, getrennt

V
Hallo zusammen,

ich würde gerne ein wenig von meinem Schmerz loswerden und beim Schreiben ist mir das immer leichter gefallen.

Zu meinem Schicksal: Ich wachse in der Kleinstadt auf, Eltern stammen aus der Arbeiterschicht, man arbeitet für das Leben, aber es gibt keine Urlaube, keine Bildung und keinen sozialen Aufstieg. Man hat mir dem zufrieden zu sein was man hat. Ich schaffe es entgegen aller Erwartungen auf ein Gymnasium, meine eigene Familie will das nicht und macht mich klein, doch ich setze mich durch und kämpfe wie eine Löwin für mein Ziel - das Abitur. Es ist oft nicht leicht, meine Noten nicht immer gut genug, aber ich will etwas aus meinem Leben machen und das geht meiner Meinung nach mit Leistung, Bildung und Engagement. Ich denke oft an das Aufhören auch weil die Familie es mir immer wieder nahelegt - nicht gut genug.

Nach meinem bestanden Abitur beginne ich ein Studium meiner Wahl obwohl meine Familie wieder dagegen ist. Keiner hat studiert, aus uns ist auch etwas geworden, du hälst dich für etwas Besseres bekomme ich zu hören. Auch das Studium ist nicht einfach, aber ich schaffe es und lerne kurz vor dem Abschluss meinen damaligen Partner kennen und später lieben.

Da wir zusammen sein wollen, ziehe ich zu ihm und suche mir eine Stelle in seiner Nähe. Die erste berufliche Station ist auf sechs Monate befristet, aber es ist ein Anfang und ich verdiene dringend benötigtes Geld. Nach sechs Monaten wechsele ich in eine Elternzeitvertretung und bleibe dort 18 Monate befristet beschäftigt. Zum Dank, dass ich besser und beliebter bei den Kunden bin, wird keine zweite Stelle mit mir besetzt, sondern mit einem Mann, den ich anlernen soll. ich arbeite pflichtbewusst bis zum letzten Tag und fehle keim einziges Mal. Danach bekomme ich meine erste Festanstellung in meinem absoluten Traumberuf, ich arbeite dort fast drei Jahre, reiße mir täglich den Ar. auf, arbeite rund neun Stunden und bin täglich zusätzlich zwei Stunden im Auto unterwegs. Zum Ende meiner Probezeit hängt meine Beziehung am seidenen Faden. Wir stehen alles durch, als ich nach 2,5 Jahren mehr Geld will, werde ich abgeschmettert. Meine Benotungen sind top, meine Leistungen ohne Beanstandungen und die Umsätze gut. Dennoch belügt man mich und schiebt es auf die Pandemie. Ich arbeite weiter und komme nach sechs Monaten wieder - zum Dank wirft man mich raus, ich bin zu genau, zu gewissenhaft und verlange von den anderen Kollegen zu viel (Fristen, Termine einhalten, Pünktlichkeit). Ich nehme schnell eine Stelle an, die mir aber aufgrund des Drucks nach zwei Monaten nicht mehr wirklich zusagt und finde endlich wieder eine Stelle in der Nähe meines Partners.

Wir sind Mitte 30, gut bezahlte Jobs, wir kaufen uns eine Eigentumswohnung. Nach rund einem Jahr trennt er sich von mir, da er mich nicht mehr liebt und eine Affäre hat. Es folgen qualvolle Monate in denen ich alles rückabwickele - Kaufvertrag, Versicherungen, Wohnungsübergabe. Ich halte es nicht mehr aus, kündige und nehme einen neuen Job an, da ich Geld verdienen muss - der Verkauf der Wohnung lässt Schulden über. In meiner Trauer erhalte ich die Kündigung nach vier Wochen - Insolvenz der Firma. Ich bewerbe mich drei Monate lang vergeblich. Aus Verzweiflung und Schuldendruck gehe ich zurück in die Firma, die mich nach drei Jahren gekündigt habe - es war beschämend. Nach sechs weiteren Monaten kann ich endlich kündigen, da ich drei Angebote habe und entscheide mich für eine Firma in der Nähe, da ich aufgrund der Schulden in eine kleine Wohnung in meinem Elternhaus gezogen bin. Bereits vor dem Ende meiner Probezeit bekomme ich die Zusage gern bleiben zu können. Am letzten Tag meiner Probezeit erhalte ich meine Kündigung - bevorstehende Insolvenz, man muss dringend Geld sparen. Ich stehe seit drei Wochen auf der Straße, über 100 Bewerbungen, nur Absagen nach dem Vorstellungsgespräch. Ich hasse es Zuhause, weil es nicht mir gehört und ich bin mit 37 noch bei meinen Eltern wohne.

Ich hatte mit 35 alles, nun ist alles weg, meine ganze Arbeit und meine Anstrengungen der Kindheit und Jugend umsonst. Ich habe Angst als Akademiker demnächst Bürgergeld zu beziehen während alle heiraten, schwanger sind, Häuser bauen, Wohnungen kaufen und gesund sind. Ich bin hier verwurzelt, will keinenfalls in der Großstadt wohnen und nun leben wir im besten Deutschland aller Zeiten samt Wirtschaftskrise, Jobabbau und Rezession - niemand stellt mich mehr ein.

Heute 18:59 • x 4 #1


Heavydreamy
Zitat von Versagerin37:
Ich hatte mit 35 alles, nun ist alles weg, meine ganze Arbeit und meine Anstrengungen der Kindheit und Jugend umsonst. Ich habe Angst als Akademiker demnächst Bürgergeld zu beziehen während alle heiraten, schwanger sind, Häuser bauen, Wohnungen kaufen und gesund sind. Ich bin hier verwurzelt, will keinenfalls in der Großstadt wohnen und nun leben wir im besten Deutschland aller Zeiten samt Wirtschaftskrise, Jobabbau und Rezession - niemand stellt mich mehr ein.

Hallo Nicht-Versagerin!

Ich kann deine gesamte Situation gut verstehen. Mein Leben lief auch anders ab, als geplant.

Trotz deiner familiären Situation hast du es weit gebracht und darauf kann man superstolz sein!

Auch wenn du studiert hast, man kann immer Arbeit verlieren und ja, derzeit ist es in Deutschland wirklich sehr schwierig und wird vermutlich nicht besser.

Hast du dich auch mal auf andere Jobs beworben, wie Altenpflege, Einzelhandel oder Gastronomie?

Ich weiss, sicherlich nicht das, wofür die viel gelernt hast, aber es sind Jobs, wo Leute eben gesucht werden, auch dringend, gerade in der Pflege oder auch als Haushaltshilfe.
Und ja, auch das Geld ist jetzt nicht wirklich supi, aber man kann damit schon etwas überleben und sich eine kleine Wohnung suchen damit.

Ich möchte dich ermutigen, nicht aufzugeben, dich vielleicht auch mit weniger Geld, dafür eben Arbeit zufriedengeben, einfach weil das Leben nicht immer planbar ist.

Gib nicht auf. Du hast bisher alles super geschafft!

Heute 19:15 • x 3 #2


A


Ich, die Versagerin - arbeitslos, wohnungslos, getrennt

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V
@Heavydreamy

Vielen Dank, ich bin Diplom - Pressesprecherin und eigentlich recht gut in dem was ich tue und ich will ehrlich sein: Ich habe doch nicht studiert, Weiterbildungen ohne Ende absolviert und immer top Leistungen erbracht, um jetzt in der Pflege oder im Callcenter zu arbeiten. Ich konnte mir zum Glück letztes Jahr wieder etwas ansparen, da ich für verdient habe und natürlich will ich in Zukunft mir auch eine eigene Immobilie kaufen - von dem Affen lasse ich mich doch nicht klein kriegen.

Ich fühle mich einfach schuldig so viele falsche Lebensentscheidungen getroffen zu haben, die jetzt richtig teuer werden: Mann, Firma, Firma.

Heute 19:34 • x 2 #3


W
@Versagerin37
Zunächst solltest Du Dir einen anderen Forennamen zulegen, der passt so gar nicht.
Ich kann hier keine Anzeichen für eine Versagerin erkennen.
Deine Ziele und Werte sind keineswegs negativ behaftet.
Du laberst nicht Du handelst, gefällt mir.
Eigentlich könnte Dein Beitrag auch von einem Mann stammen.
Ich vermute aber dass Du Dir selbst zuviel Druck machst und etwas ungeduldig bist?
Du hast Dich zu stark auf Deine berufliche Karriere konzentriert.
Vielleicht blieben da andere Dinge, private Säulen etwas auf der Strecke.
Sehe ich das richtig?
Jetzt bist Du gerade mal 3 Wochen ohne Job und wirst nervös, hast in dieser Zeit schon 100 Bewerbungen rausgeballert und nichts hat gegriffen.
Du bist doch beruflich gut aufgestellt, das klappt schon, Du willst ja nicht irgendeinen Job bei einem Kräuter sondern was stabiles das Du mit Freude lange Zeit machen möchtest.
Du hast die Kohle für die Hütte mit rangeschafft, zum Dank wurdest Du ausgetauscht.
Das werde ich Dir bestimmt nicht erzählen müssen aber die Guten gewinnen nicht immer, das Leben ist nicht fair, Menschen Die Dir wichtig sind, die Du liebst, können Dich enttäuschen, verraten und betrügen.
Das mit dem Job klappt bald das sehe ich keine Probleme.
Dann solltest Du aber mehr für Dich tun, lass es Dir gut gehen.
Leben ist nicht nur arbeiten.

Heute 19:34 • x 6 #4


Laetitia2024
@Versagerin37
Ich möchte mich meiner Vorrednerin anschließen. Du hast viel erreicht, schon viel geleistet und bist ganz sicher keine Versagerin. Du hast nur auch viel Pech gehabt und nun sind wirtschaftlich generell schlechte Zeiten. Schraub deine Ansprüche etwas zurück. Such dir einen Job in einer Sparte, wo dringend Leute gesucht werden. Du verdienst dann wenigstens wieder eigenes Geld. Zur Not kannst du dich auch arbeitslos melden/Bürgergeld beziehen und eine Umschulung machen. Das ist keine Schande. Einen Mann wirst du auch wieder finden. Du bist doch noch jung. Gib dich nicht auf!

Heute 19:37 • x 3 #5


Heavydreamy
Zitat von Versagerin37:
Ich habe doch nicht studiert, Weiterbildungen ohne Ende absolviert und immer top Leistungen erbracht, um jetzt in der Pflege oder im Callcenter zu arbeiten.

Ja, wie gesagt, das verstehe ich ja schon.

Trotzdem, weil du schreibst, du findest nie mehr irgendwie was, es gibt immer noch Mittel und Wege, dann eben halt in eine andere Richtung.

Es soll einfach nur für dich heissen: Nicht aufgeben

Heute 19:39 • x 2 #6


M
Zitat von Worrior:
Vielleicht blieben da andere Dinge, private Säulen etwas auf der Strecke.



Ja, Karriere ist nicht alles im Leben.
Ich sehe schon seit einiger Zeit
die Gesundheit mehr und mehr an vorderster Front.
Aber die privaten Säulen von @Worrior gefallen mir auch !
Denn ohne diese Säulen haben ja sämtliche Anstrengungen zu was auch immer
überhaupt keinen Sinn.
Machst Du das alles nur für Dich selbst @Versagerin37
oder hast Du auch ein paar Säulen wie liebe Freunde oder ein knuffiges Haustier,
ein besonderes Hobby, ..... !? Irgendwas ?

Heute 19:46 • x 3 #7


W
@Versagerin37
Ich sehe keinen Grund dass Du Deine Ansprüche zurückschrauben solltest nur um irgendeinen Job für irgendein Gehalt zu kriegen.
Du bis von Deinen beruflichen Qualifikationen gut aufgestellt, hast eine gute Reputation, hast dafür geballert.
Während Andere sich kurzzeitigen Belohnungen und Vergnügungen hingegeben haben hast Du verzichtet zu Gunsten nachhaltiger Erfojge.
Du hast ein stabiles Mindset, super.
Aber hey, mach im Endeffekt den Job der Dir Spaß macht, für den Du brennst, egal was es ist.
Wenn Du es beispielsweise unheimlich toll finden würdest zu putzen dann mach das.
Aber nimm nicht irgendeinen Job um irgendwie zu leben.
Nimm den Job weil Du ihn willst nicht weil Du musst, wäre sonst schade.

Heute 19:49 • x 2 #8


Heavydreamy
Zitat von Worrior:
Aber nimm nicht irgendeinen Job um irgendwie zu leben.

Wenn die Wirtschaft weiter den Bach runter geht, is man froh überhaupt nen Job zu haben oder?

Heute 19:53 • x 2 #9


GreenTara
@Versagerin37 ich nenne dich @kämpferin37
Du hast vieles erreicht, obwohl dir Steine in den Weg gelegt wurden. Ich bin davon überzeugt, dass ein Mensch mit deiner Motivation beruflich seinen Platz findet, auch wenn die Zeiten rauher werden. Ich habe einen Gedanken, es ist nur eine Idee
Zitat von Versagerin37:
ich arbeite dort fast drei Jahre, reiße mir täglich den Ar. auf, arbeite rund neun Stunden

Zitat von Versagerin37:
ich bin zu genau, zu gewissenhaft und verlange von den anderen Kollegen zu viel

Verlangst du von anderen das gleiche wie von dir selbst? Falls das so ist: Nicht jeder Mensch hat die gleiche Power, und wenn du zuviel verlangst, hat dein Gegenüber das Gefühl: Ich kann nichts geben, es wird ja schon vorher an mir gezogen. Wie sieht es mit deinem Teamgeist aus? Willst du ständig beweisen, dass du besser bist?
Ich möchte dir kein Unrecht tun, es sind nur meine Gedanken, weil die Kündigungen zum Teil doch sehr unverhofft gekommen sind

Heute 19:56 • x 3 #10


Milly85
Zitat von Heavydreamy:
Wenn die Wirtschaft weiter den Bach runter geht, is man froh überhaupt nen Job zu haben oder?

Also ich finde auch, Diplom hin oder her (Glückwunsch dazu!) Man nimmt doch erstmal IRGENDEINEN Job, um wieder auf die Beine zu kommen?

du schreibst von Schulden und der Not, bei den Eltern zu wohnen, die dich immer negativ beeinflusst haben. Und davon, demnächst evtl. BÜRGERGELD in Anspruch zu nehmen… gibt es was schlimmeres, als sich da so nackig machen zu müssen? Ich meine ja wohl nicht.

du kannst jederzeit kündigen, wenn du was „Besseres“ findest. Nichts gegen Callcenter bitte, das habe ich auch mal gemacht. Es kommt drauf an, was man da macht, es ist nicht nur schlecht. Und besser, als Hartz auf jeden Fall?!

Heute 20:01 • x 3 #11


V
@Worrior ich liebe meinen Job, wenn ich arbeite, dann habe ich nicht das Gefühl, dass es Arbeit ist und ich will auch nichts anderes machen! Ich bin Pressesprecherin aus Leidenschaft und Überzeugung! Ich kann auch nichts anderes, bin kein Ingenieur, Mediziner oder Chemiker. Ich will nichts anderes als das was ich mache. Ich habe mir einen tollen Lebensstandard erarbeitet, den ich will ich wieder!

Heute 20:07 • x 1 #12


MissLilly
@Versagerin37

Hast du schon einmal darüber nachgedacht dich selbstständig zu machen?

Heute 20:08 • x 1 #13


W
Zitat von Heavydreamy:
Wenn die Wirtschaft weiter den Bach runter geht, is man froh überhaupt nen Job zu haben oder?

Mein letzter Beitrag wurde irgendwie verschluckt.
@Heavydreamy Ich weiß ich erzähle da aus meiner persönlichen Bubble heraus, Du hast schon recht.
Ich habe halt das Glück dass ich mich in einer Niesche breit gemacht habe wo Bedarf besteht.
Dafür habe ich aber auch mit 50 noch einen Bachelorabschluss gemacht.
Ich fände es halt schade wenn Perlen vor die Säue geworfen werden und sie sich unter Wert anbietet.

Heute 20:12 • x 2 #14


V
@MissLilly ja, aber dafür bin ich nicht der Typ. Ich will Sicherheit.

Heute 20:13 • x 1 #15


A


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