Hallo ihr,
ich (männlich, Ü30) sitze hier und grüble. Seit Tagen gebe ich immer wieder bei Google meine Fragen ein, und lande immer wieder in diesem Forum, teils bei Jahrzehntalten Threads, die mir aber immer wieder zeigen, dass andere ebenfalls Schwierigkeiten haben, das Beziehungsende einzuleiten. Vielleicht ist es Zeit, mir meine Gedanken, Gefühle und Zweifel von der Seele zu schreiben - in die Anonymität des Netzes zu posten - Das fühlt sich bei einer so persönliche Sache merkwürdig an. Aber vielleicht hat jemand ein Ohr für mich und hat Rat, Bestätigung, Kritik, was auch immer.
Bei meiner nun 8-jährigen Beziehung ist die Luft von meiner Seite aus raus. Wenn ich ehrlich bin, führen wir seit Jahren eine Gewohnheitsbeziehung. Wir sind damals relativ schnell nach wenigen Wochen zusammengezogen, später nochmals zusammen in eine größere Wohnung (das war vor 3,5 Jahren). Verheiratet sind wir nicht, Kinder gibt es auch keine. Unseren Alltag verbringen wir, von der Arbeit abgesehen, größtenteils gemeinsam. Auch an den Wochenenden unternehmen wir relativ viel zusammen. Leider bedeutet das, dass meine Hobbies, meine Leidenschaften zu kurz kommen. Vor wenigen Jahren war das noch ein wenig anders, da habe ich mir einfach meine Zeit genommen, die ich brauchte - für sie schien das OK zu sein. Wir haben ja immer noch genug Zeit miteinander verbracht.
Doch in letzter Zeit bekomme ich immer öfter Ihren Widerwillen zu spüren, wenn ich mich ausklinken möchte. Ich würd ja auch gern meine Leidenschaften mit Ihr zusammen ausleben, aber sie hat leider null Interesse. Ich fühle mich seit sehr langem immer mehr eingeengt und in Fesseln gelegt. Das geht mittlerweile so weit, dass ich seit einiger Zeit Beziehungsmüde bin und mich nach einem Singleleben sehne.
Im Bett ist es leider auch schon seit Ewigkeiten eher mau. Es gibt immer mal kurze Phasen, in denen die Leidenschaft für ein paar Tage wieder entflammt, dazwischen passiert monate-, teils jahrelang nichts. Ich möchte sie jedoch nicht bedrängen, und S. ist auch nicht das Wichtigste für mich in einer Beziehung. Trotzdem, in DIESER Beziehung kommt er zu kurz.
Außerdem streiten wir uns relativ oft, heftig und lautstark. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Beziehung. Wir drücken dann beide genau die Knöpfe, die den anderen zum explodieren bringen - Das Gute ist, dass wir uns beide gerade noch soweit im Griff haben, dass es noch nicht zu körperlicher Gewalt gekommen ist (abgesehen von einem Mal, wo ich sie relativ grob festgehalten habe, weil ich fürchtete, sie würde sich selbst was antun). Versöhnung und Aussprache gab es zwar jedes mal. Aber die ewigen Streitereien werden immer mehr zur Belastung für mich.
Aufgrund einer chronischen Krankheit geht es ihr oft sehr schlecht, ich tu dann mein Bestes, für sie da zu sein, den Haushalt zu machen, sie zu pflegen und so weiter. Auch das ist eine Situation, die mich mehr und mehr belastet, die ich jedoch aus Liebe immer ertrug. Aber ich merke, dass ich immer weniger dazu bereit bin. Immer öfter ertappe ich mich bei dem Gedanken, ob es ihr in Wahrheit nicht doch besser geht und sie meine Hilfsbereitschaft ausnutzt.
Meine gefühlte Gefangenschaft, der ewige Streit, der fehlende S. - darüber haben wir schon öfter gesprochen, aber es tut sich nichts, und wenn, dann nur für kurze Zeit, dann ist wieder alles beim alten.
Nun, seit ich die Trennungsgedanken habe, hat sich mein Bild von Ihr offenbar auch geändert. Ihre Attraktivität ist gesunken, obwohl sich objektiv nichts geändert hat. Ich fühle mich unwohl, wenn wir uns berühren, wenn Sie kuscheln will oder wir uns küssen. Es ist als sei sie meine Schwester, nicht meine Lebensgefährtin.
Für mich ist die Situation eindeutig: Die Beziehung tut mir nicht gut. Ich muss sie beenden. Aber ich weiß einfach nicht wie ich das anstellen soll. Natürlich weiß ich, dass ich ihr am besten ehrlich im Vieraugengespräch das erzähle, was ich euch oben geschildert habe. Aber ich bringe es einfach nicht übers Herz. Einerseits weiß ich, dass es richtig wäre, einfach die Wahrheit zu sagen, statt ihr etwas vorzumachen. Niemand will gespielte Liebe. Andererseits fürchte ich mich vor ihrer Reaktion. Vor ihren Tränen. Davor ihr das Herz zu brechen. Ich weiß ja, wie sich das anfühlt. In meinen bisherigen Beziehungen war am Ende immer ich der Verlassene. Ich bin ein gebranntes Kind, ich weiß, welchen unerträglichen Herzschmerz ich damit auslöse. Und sie ist im Gegensatz zu mir extrem emotional und nah am Wasser gebaut. Sie verhält sich schon bei so Kleinigkeiten wie einer ins Wasser gefallenen Wochenendplanung, als sei ein naher Verwandter verstorben. Wie wird das erst sein, wenn echter Grund zur Trauer besteht?
Und wie geht es danach weiter? Ich könnte dann nicht in unserer Wohnung bleiben, weil ich es einfach nicht ertragen würde, sie leiden zu sehen. Vielleicht erstmal ein paar Tage ins Hotel. Dann neue Wohnung suchen, etc. Finanziell würd ich das schon stemmen. Aber dann muss ich mich wieder mit ihr zusammensetzen, um unser Hab und Gut auseinanderzudividieren. Naja eher weniger ein Problem, sie kann meinetwegen alles behalten, was wir zusammen angeschafft haben. Aber meine persönlichen Dinge und den Hobbykram brauch ich, das heißt ich muss nochmal in die Wohnung, in die Garage, den Keller. Das heißt ich werde sie leiden sehen.
Dazu kommt, dass wir beim selben Arbeitgeber arbeiten. Nicht zusammen, es ist ein großer Konzern, wir arbeiten in unterschiedlichen Abteilungen. Aber wir würden uns immer wieder über den Weg laufen, z.B. in der Kantine, und wir würden hin und wieder auch dienstlich was miteinander zu tun haben. Wie damit umgehen? Ein Arbeitgeberwechsel kommt für mich nicht in Frage, ich habe mich auf meine Stelle hochgearbeitet, mache meinen Job gerne und komme gut mit meinen Kollegen und Vorgesetzten aus. Das würde ich nur ungern aufs Spiel setzen.
Tja und nun hadere ich mit mir. Eigentlich hatte ich mir für heute fest vogenommen, dass ich es ihr sage. Aber ich habe es nicht geschafft. Sie hatte heute einen beschissenen Tag auf der Arbeit und ist außerdem noch erkältet. Da wollte ich ihr den Tag nicht noch mehr versauen. Das ist nicht die erste Gelegenheit, die ich verstreichen lassen habe. Bin ich feige? Offensichtlich. Warum schaffe ich es nicht, ihr die Wahrheit zu sagen? Warum werde ich so von Schuldgefühlen geplagt, weil ich die Beziehung beenden will, aber nicht weil ich ihr was vormache? Ist es nicht besser, ihr die Wahrheit zu sagen? Oder versuche ich mir damit nur die Entscheidung zu rechtfertigen? Ich weiß es nicht. Ich habe mich immer für stark gehalten. Ich verstehe mein eigenes Zögern nicht. Sich selbst eingestehen zu müssen, es nicht auf die Reihe zu bekommen, macht es auch nur noch schlimmer.
Wow, der Text ist lang geworden. Ich bin dankbar für jeden, der sich das bis hier hin alles durchliest. Alles in Worte zu fassen hat gut getan. Das habe ich gebraucht. Zu Freunden kann ich mit diesen Gedanken nicht gehen. Ich habe nur gemeinsame Freunde mit ihr. Ich befürchte, dass sie hintenrum etwas mitbekommt, bevor ich es durchziehe. Das muss ich selbst machen, das ist mir wichtig. Aber mir fehlt offensichtlich die Kraft. Hier im Forum habe ich einige Beiträge gelesen, in denen Menschen in vertrackten Trennungssituationen Kraft gespendet wurde. Ich hoffe, durch diesen Post ebenfalls Beistand zu erhalten.
13.11.2018 23:03 •
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