Hallo zusammen,
mein Name ist Britta, ich bin 46 Jahre alt und seit dem 25.10.16 getrennt nach 10-jähriger Beziehung mit meine Ex-Partner, 38 Jahre alt.
Ich lese mich interessiert durch die hiesigen Ratgeber und finde mich auch in vielem wieder. Trauer ist da und vor allem Verwirrung, weil diese Trennung so anders läuft als andere und auch von mir schon erlebte.
Deswegen melde ich mich mal hier in der Hoffnung, andere Sichtweisen kennenzulernen und auch Mitgefühl und Unterstützung.
Vielen Dank schon jetzt an Euch.
Angefangen hat es Ende September als ich mein Ex gebeten habe, mir endlich zu sagen, was ihn bedrückt. Er schien unzufrieden, reagierte häufiger latent aggressiv und ungeduldig.
Also setzten wir uns hin und redeten. Er sagte, er sei unzufrieden und nicht glücklich. Irgendwie laufe es nicht so, privat und geschäftlich (er hat sich 2011 als Schreiner selbständig gemacht) und er mache sich Sorgen. So gehe es nicht weiter. Wir vereinbarten, mit einer dritten Person darüber zu reden, zu der wir beide Vertrauen haben - meine beste Freundin.
Er selbst hat zwei Freunde, einer verheiratet und zwei Kinder (man sieht sich kaum) und einen, der offensichtlich große psychische Probleme hat und im übrigen null Lebenserfahrung. Diese schieden demnach aus. Mein Ex ist auch niemand, der überhaupt redet, wenn ihm irgendetwas nicht paßt, was mir die Situation nicht leichter machte. Hätte er früher was gesagt…
Das Gespräch mit meiner Freundin war schon verwirrend, da er alles auf die private Situation schob. Von den mir geschilderten geschäftlichen Sorgen war keine Rede.
Es werde nichts mehr unternommen, man mache nichts mehr gemeinsam und so gehe es nicht weiter.
Das Gespräch ließ meine Freundin und mich ratlos zurück. Er wiederum wollte auch mit seiner Schwester reden, wobei die sich 1 ½ Wochen später in den Urlaub verabschiedete, was mein Ex verdrängt hatte. Warum er nicht sofort mit ihr sprach weiß ich leider nicht.
In der Zwischenzeit machte ich mir meine Gedanken. Was läuft hier schief? Und je tiefer ich grub, desto schockierter mußte ich feststellen, dass es mich und mein Leben schon lange nicht mehr gab.
Vor Jahren bereits fingen Zipperlein an. Medizinisch nicht erklärbare Schmerzen. Ich habe sie ignoriert, da ich ja arbeiten mußte.
Die Arbeit wurde immer mehr und Klein-Britta tat ihre Pflicht und arbeitete noch mehr. Schmerzen? Gehen noch. Aber ich bin so müde… weiter arbeiten, Du mußt die Arbeit schaffen und Deine übrigen Pflichten… Ich wurde immer unkonzentrierter und erschöpfter, ging meinen Hobbies nicht mehr nach, keine Unternehmungen mehr, da ich viel zu müde war. Ich zog mich immer mehr zurück. Beziehung? Pflichterfüllung. S.? Keine Lust, aber muss ja sein. Bis gar keine Lust mehr da war… darunter hat er natürlich sehr gelitten, daher habe ich die Pflichten zwischendurch auch noch erfüllt.
Ich habe nichts mehr gefühlt. Nur meine Pflichten waren allgegenwärtig. Arbeit, Haushalt, bloß niemandem zur Last fallen, Du mußt weitermachen, Anerkennung heischend.
Bis zu dem Tag Anfang Oktober als ich das Ausmaß sah. Ich war irgendwann auf der Strecke geblieben und nicht mehr da.
Also kümmerte ich mich um eine Therapeutin. Ich wohne auf dem Land - keine leichte Sache. Termin aber erst 15.11. Ließ mir von meinem Hausarzt nochmals bestätigen, dass meine Schmerzen nicht medizinischer Natur sind und unternahm an den Wochenenden etwas mit meinem Ex - inkl. S..
Am 25.10. hatte mein Ex dann das Gespräch mit seiner Schwester. Als er nach Hause kam, sagte er, seine Schwester hätte seinen Sorgen bestätigt. Auch sagte sie, sie halte nichts von einer Trennung auf Zeit. Sie kenne 10 Paare, die versucht hätten, nach einer Auszeit wieder zusammenzukommen, bei 9 wäre es gescheitert.
Paartherapie möchte er nicht. Er habe das Bedürfnis, das erste Mal in seinem Leben allein zu sein. Vor einem, anderthalb Jahren hätte das schon angefangen.
Ich konnte mir nicht verkneifen, dass es fairer gewesen wäre, da schon etwas zu sagen, als mich hier vor vollendete Tatsachen zu stellen. Etwas, was ich sonst nie mache: ich habe daraufhin den Raum verlassen.
Er kam hinterher und sah mich geknickt an. Vor zwei Stunden bei dem Gespräch mit seiner Schwester sei ihm das erste Mal aufgegangen, dass er nie darüber redet, wenn ihn etwas stört. Er sehe ein, dass sei wirklich unfair mir gegenüber gewesen.
Dann kam jedoch: da ist keine Liebe mehr, sondern nur noch mögen.
Totschlagargument. Also habe ich ihm gesagt, dass ich das akzeptieren müsse, dagegen könne ich nichts sagen. Wir haben uns noch länger unterhalten und sind so verbleiben, dass er im (meinem) Haus bleiben könne, bis er eine Wohnung gefunden habe.
Nach der Trennung fiel mir als erstes auf, dass mein Selbstwertgefühl nicht im Keller war. Ich bin intelligent, attraktiv und kommunikativ. Ich weiß, ich werde immer Menschen um mich haben und auch nicht ewig allein sein. Mmmh… Das Gedankenkarussell lief immer weiter. Auch ich bin froh über die Trennung, weil mein Ex damit die “Stoptaste” gedrückt hatte, die ich in meinem vernebelten Burnout-Hirn schon längst nicht mehr drücken konnte!
Ich bin zu meinem Hausarzt, depressiv und völlig aufgelöst, weil ich mein Leben (nicht meinen Ex) zurückhaben wollte.
Also bekam ich eine Überweisung zum Psychiater (aber erst am 11.11.), machte den Standardtest für Depressionen noch bei meinem Hausarzt und fand mich in einer mittelgradigen Depression wieder.
Schließlich habe ich mit Hilfe meines Hausarztes einen Antrag auf Reduzierung meines Pensums auf 50% gestellt, wobei mein Arbeitgeber mir auf den Kopf zusagte, dass dies nun wieder mein Pflichtgefühl sei und mich ganz aus dem laufenden Betrieb nahm. Die mir noch vorliegenden Sachen und Termine bat ich, selbst durchführen zu dürfen, bis das Mitte Dezember ausläuft. Dem wurde zuges
immt.
In den Tagen nach der Trennung merkte ich jedoch, dass es mir wieder besser ging, bis abends mein Ex nach Hause kam. Da fingen dann die Stressschmerzen wieder an. Eine leichte Anspannung war zwischen uns zu spüreAlso habe ich ihn am 29.10. gebeten, vorläufig zu seiner Schwester zu gehen, da ich Abstand und Ruhe brauche. Er war sehr verständnisvoll. Und so packte er am 1.11. einen Teil seiner Klamotten und seines Büros ein und ging.
Und ich genoss die Ruhe. Erleichtert und erschöpft. Und mit schlechtem Gewissen, da er unbedingt nicht zu seiner bemutternden Schwester ziehen wollte.
Aber es tat so gut.
Ein paar Tage später fragte er an, ob er seine Post holen könne. Als er kam, war ich völlig perplex, wie gut, unbefangen und lustig wir miteinander reden konnten.
Er habe sich Gedanken gemacht und versuche nun in jeder Situation direkt zu sagen, wenn ihn etwas störe. Er habe seinen Fehler erkannt. Er stehe zu seiner Entscheidung mit der Trennung, da er das Gefühl habe, er müsse mal allein zurechtkommen. Weg von seiner Familie und deren Beeinflussungen. Klasse. Hatte ich mir schon länger gewünscht.
Ich bin auch der Meinung, dass die Trennung gut und notwendig war, sonst hätte ich nie mit meinem Zwang aufhören können und wäre wahrscheinlich irgendwann umgekippt.
Auf einmal konnten wir reden, lachen und über Probleme reden… Ein echter Schub, das tat richtig gut. Ich hatte ja schon einiges in die Wege geleitet, bin eigentlich größtenteils zufrieden und glücklich mit mir und Harmonie mit dem Ex.
Beim nächsten Postabholen das gleiche. Lustig, unbelastet und er redete über Gefühle. Er sehe Hoffnung für uns, aber er kenne halt kein Pärchen, dem das zweite Mal geglückt sei. Ich versuchte ihm zumindest zu sagen, er solle sich anderen Möglichkeiten nicht verschließen. Mmmmh. Jedenfalls schien er mir bereits sehr reflektiert über das, was in der Beziehung schief gelaufen ist. Ich sagte ihm, Frauen und Männer verarbeiten unterschiedlich und er gab direkt zu, dass er Magenprobleme und Schlafprobleme habe. Das Gedankenkarussell sei immer da, von morgens bis abends, bei der Arbeit oder beim Kaffee. Er könne sich nicht wehren. Ich fehle ihm. Hinzu käme dann noch, dass quasi mit Trennung sein s.uelles Verlangen wieder da sei und er auch nur noch darüber nachdachte. Nun, dumm, dass mir das seit der Trennung auch so geht, ich habe ja wieder Gefühle zugelassen. Pech… so ein Burnout haut wirklich rein in den Körper…
Da ich ja der Meinung bin, dass er auch in einem Burnout steckt, aber selbst noch stoppen konnte, erscheint mir sein aufflammendes Verlangen nachvollziehbar.
Anschließend fragte er mich noch, ob ich ihm bei der Entscheidung für eine neue Wohnung helfe. Er hätte zwei zur Auswahl, könne mir diese jedoch nur beschreiben und nicht zeigen. Seine Erzählungen ließen mich die Tendenz zu einer Wohnung erkennen und ich sagte ihm dies. Auch ein Kriterium für ihn: weiter weg von seiner Schwester - er will Ruhe.
Es verging ein Tag und mir ließ natürlich keine Ruhe, dass er Hoffnung sehe, aber Zweifel habe. Das Trauma der Verlassenen.
Also habe ich mich hingesetzt und ihm einen Brief (eigenhändig!) geschrieben, in dem ich ihm sagte, dass negative Gedanken die Macht haben, sich in das Unterbewusstsein festzusetzen und durch den Tunnelblick positive Möglichkeiten ausklammern würden. Dies solle er bitte nicht zulassen. Ich habe einen zweiten Anlauf noch nie selbst probiert und angesichts des derzeitigen, völlig anderen Umgangs miteinander werde ich jede Chance nutzen, wenn auch nur ein wenig Hoffnung besteht. Für diese würde ich dann kämpfen. Ich erinnerte ihn noch daran, dass ich vor Jahren einen Blasentumor hatte und die Chance der Gutartigkeit laut Arzt bei 3% lag. Er war gutartig. Ich bin also der lebende Beweis für die Möglichkeit jeder Unwahrscheinlichkeit.
Ich schlug vor, unsere eigenen Wege zu finden, uns aber regelmäßig zu treffen, um im Gespräch zu bleiben und uns wieder etwas kennenzulernen.
Wir vereinbarten schließlich, uns einmal die Woche zwangslos irgendwo zu treffen, es sei denn, einer von uns möchte es nicht mehr.
Er weiß, dass von meiner Seite aus Kontaktsperre herrscht. Meldet er sich reagiere ich, andersherum nur, wenn die Welt untergeht (selbst auferlegte Pflicht - kann ich. Notfalls bis zum Umfallen!).
Am Samstag schließlich kam er wieder vorbei und wir unterhielten uns locker, lachend und mit viel Neckereien. Und schließlich wollten wir eine Runde spazierengehen, landeten stattdessen aber wir im Bett (ja,ja ich weiß!). Wir hatten ausgemacht, dass jeder jederzeit aussteigen konnte…
Was soll ich sagen? Ich war das erste Mal seit langer, langer Zeit völlig entspannt und es war genial. Wohl nicht nur für mich… Er schrieb abends noch, dass er sich herzlich für den schönen Spaziergang bedanken wolle.
Ich dachte mir nur, warte bis morgen früh, bis Du einmal darüber geschlafen hast… er ist nämlich grundsätzlich kein Typ für one-night-stands, da er S. und Gefühle nicht trennen könne.
Siehe da? Am anderen Morgen bekam ich eine Nachricht, dass er sich viele schöne Plätze zum Spazierengehen ausgedacht hätte. Ähm? Was ist hier los?
Er wußte, dass ich am Dienstag, 15.11. 17.30 Uhr den ersten Termin bei der Therapeutin hatte. Er weiß auch, dass ich abends Antidepressiva nehme, um besser schlafen zu können. Bin demnach ab 22 Uhr auf Schlafwölkchen
Er schreibt um 23.05 Uhr eine Nachricht und laut Messenger war er zuletzt in der Nacht um 01.20 Uhr online. Da ich ziemlich sicher weiß, dass keine andere Frau im Hintergrund ist und kein Mensch um die Uhrzeit schreibt, habe ich die Vermutung, dass er nicht schlafen konnte und noch mal nach einer Antwort gesehen hat. Wunschdenken?
Am anderen Morgen habe ich ihm geantwortet, dass der Termin gut war, viele Ansätze gefunden wurden und ich schöne Dinge annehmen soll, wie sie sind (das war die Antwort der Therapeutin auf mein Eingeständnis zum S.). In den nächsten vier Wochen ein Termin pro Woche.
Er antwortete, dass sich das gut anhöre und ich bestimmt viele schöne Dinge sehen werde (Smiley). Er fragte, ob ich am Sonntag Lust auf Kaffeetrinken und Spazierengehen hätte, was ich bejahte.
To be continued…
Ich möchte diese Beziehung nicht aufleben lassen. Ich wünsche mir eine neue Beziehung mit viel Arbeit, neu kennenlernen und viel reden über das, was nie wieder sein darf.
Eigentlich war ich richtig gut auf meinem neuen Weg unterwegs. Ich bin achtsamer mit mir, gönne mir viel Pause und Muße. Mache progressive Muskelentspannung und Meditation. Ich bin mit mir im Reinen - bis auf die Verhaltensweisen, wenn es um Pflichtausübung geht, aber dafür habe ich jetzt die Therapie. Der Psychiater erkennt keine Depression mehr und sagt, mein Wille, alles perfekt machen zu wollen, habe den positiven Effekt, dass ich viel erreicht hätte in den drei Wochen. Die Erschöpfung wird noch eine Weile bleiben, sie ist ja auch erst richtig in Erscheinung getreten als der erste Stress weg war. Ich bin vorerst krankgeschrieben und das wird wohl auch noch mindestens zwei Monate andauern, bis mein Energielevel auf ein zufriedenstellendes Niveau gelangt ist.
Mit der Trennung hätte ich leben können. Die Trauer zulassen. Wut habe ich keine, wird auch nicht kommen, da er im Rahmen seiner Möglichkeiten gehandelt hat und das habe ich akzeptiert. Hätte gedauert, aber der Weg zeigte nach oben.
Und jetzt? Bin ich verwirrt. Ich verstehe sein Handeln nicht. Hat er im Überlebensmodus gesteckt und die Entscheidung intuitiv getroffen? Kopf und Gefühle waren ausgeschaltet und jetzt wurden wieder zugeschaltet? Und ab geht das Karussell?
Soll ich einfach alles laufen lassen und sehen, was passiert? Hatte ich erwähnt, dass ich das Wort ‘Geduld’ im Leben nicht erfunden hätte, aber diese wohl lernen muss, wenn ich uns eine Chance geben möchte?
Irgendwie beschäftigt mich das im Moment mehr als alles andere und daher dachte ich, schreiben ist gut.
Was ist Eure Meinung?
Sorry für den Roman...
17.11.2016 19:55 •
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