Verwundert, noch eine kleine Annekdote im Bezug auf deine Frage.
Animiert durch diesen Thread habe ich meine Mutter gefragt ob meine Tante in der Vergangenheit unter ihren Dauer-Affären gelitten hätte.
Denn sie hat sich diese Affären ja freiwillig gesucht und ist sie in vollem Bewusstsein eingegangen, dass es Affären sind.
Meine Mutter antwortete darauf, dass meine Tante immer sehr darunter gelitten hätte.
Sie hatte auch eine über 15 Jahre währende Affäre mit einem Tierarzt.
Dieser wollte dann nach all der Zeit tatsächlich eine richtige Beziehung mit ihr eingehen, weil seine Frau ihn rausgeworfen hatte (witzigerweise aber gar nicht wegen der Affäre sondern aus anderen Gründen)
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Und meine Tante wollte das Objekt ihrer jahrzehntelangen Begierde und Leidenschaften dann plötzlich von einem Tag auf den anderen NICHT mehr.
Mit dem Rauswurf seiner Frau hatte das aber nichts zu tun, und meine Tante und der Mann sind bis heute gute Freunde (- er ist auch nicht neu liiert).
Meine Mutter meinte auch, dass sie die Geschichte nur sehr schwer nachvollziehen könne.
Ich finde es gar nicht mal so merkwürdig, sondern sehe darin eher die extreme Bindungsangst meiner Tante bestätigt.
Über 30 Jahre Erwachsenenleben ohne eine einzige normale Beziehung und ausschließlich mit Affären, bei denen nie Gefahr besteht, dass eine reale, feste Bindung daraus wird, sprechen wohl für sich.
Auch bei meiner Mutter habe ich mich damals oft gefragt ob sie wirklich hätte damit umgehen können, wenn der Mann damals mit Sack und Pack vor ihrer Türe gestanden wäre.
Denn meine Mutter ist schon so ein Rückzugsmensch, dem schnell alles zuviel wird, der unheimlich viel Privatsphäre und seine Ruhe braucht.
Irgendwie kann ich sie gar nicht so einem Alltag mit einer richtig engen Beziehung sehen... obwohl sie auch ihre lebenslustigen Seiten hat.
Aber das sind bei ihr mehr Phasen.
Gerade mit den Emotionen kommt sie, wenn es sehr persönlich und tief geht, auch in Bedrängnis.
Und generell ist sie so stark auf sich selbst und ihre Angelegenheiten fixiert, dass ich mich schon oft gefragt habe, wo bei alledem wirklich Platz für eine Beziehung ist.
Klar - wenn der Mann da war, hat sie sich unterwürfig um ihn gekümmert, ihm alles recht gemacht, sich aber auch verwöhnen lassen.
Und nach einer Weile fing es dann meist schon an (er war ja immer wochenweise da), dass sie einiges nervte - sobald halt ein bisschen Alltag Einzug hielt.
Das habe ich damals sehr wohl mitbekommen.
In diese Verlegenheit kommen viele Affären, die ihren Affärenpartner nur stunden oder bestenfalls mal tageweise sehen vermutlich gar nicht, und die Idealisierung der Beziehung nimmt daher gar kein Ende.
Ich selbst würde mal ganz gewagt vermuten, dass jede Geliebte, die so verzweifelt über Jahre an ihrem vermeintlichen Mr. Right hängt, diesen erstmal mit offenen Armen empfangen würde.
Aber ob der Traum dann nicht relativ bald ausgeträumt wäre..?
Ob nicht überhaupt diese Sehnsucht und das Glorifizieren des Anderen nicht - unterbewusst - nur deswegen so unnatürlich groß sind, weil die Betroffenen eh zu 100% sicher wissen, dass er definitiv NICHT kommen wird..?
Liebe Grüße
Sommermorgen