Liebe Hardofstone,
ich habe Deinen Beitrag heute hier im Forum entdeckt und es hat mich sehr bewegt, was Du schreibst. Blöde Situation... Selbst erlebe ich gerade eine ähnliche Geschichte, bloss von der anderen Seite, und ich denke, vielleicht hilft es Dir bei Deiner Entscheidung, wenn ich Dir über meine eigenen Erfahrungen und das was dabei in mir vorgeht, berichte.
Auch ich habe im letzten Jahr, beziehungsgeschädigt nach einer schmerzhaften Trennung, im Internet jemanden kennengelernt, mit dem ich mich über all das austauschen konnte, was in mir nach meiner Trennung vorging. Sie war ebenfalls frisch getrennt und wir beide hatten von unseren ehemaligen Partnern viele Schläge einstecken müssen, die unsere Seelen sehr verletzt hatten. So nahmen wir einen regen Schriftwechsel auf und waren einander so etwas wie virtuelle sprechende Tagebücher. Da wir beide in einer ähnlichen Situation steckten, hatten wir ein ganz tiefes inneres Verständnis füreinander und wir schrieben uns täglich, manchmal mehrmals. Schliesslich waren wir beide ohne das zu merken, zu einem festen Bestandteil des Lebens des anderen geworden. Viele Flöhe die unsere Ex-Partner uns in die Köpfe und Herzen gepflanzt hatten, konnten wir uns gegenseitig austreiben. Wir machten uns gegenseitig Mut und jeder zeigte dem anderen, dass die erlebten Trennungen nicht das Ende von allem bedeuteten, sondern letztlich die Befreiung von einem ungesunden Zustand, an den man sich aber leider gewöhnt hatte, waren. Und es verging kein Tag an dem wir uns nicht schrieben. Irgendwann begannen wir auch per SMS zu kommunizieren. Beide trauten wir uns lange nicht miteinander zu telefonieren, wozu es aber dann schliesslich doch kam. Und so wurde unsere Kommunikation immer reger. Sie war für mich wie ein Engel, der in der absoluten Dunkelheit, als ich total hoffnungslos und deprimiert war, zu mir stieß und mich dann in meiner größten Not, trotz all meines Jammerns und Klagens nicht im Stich ließ, sondern mich virtuell an die Hand nahm und mir durch ihre Herzenswärme, Beharrlichkeit und ihr Verständnis langsam wieder den Weg ins Licht zeigte. Es entwickelte sich eine intensive Freundschaft zwischen uns und ich kann mit Worten nicht beschreiben, wie dankbar ich ihr dafür war und bin, dass sie mir in diesen schweren Stunden immer treu mit Rat und Tat zur Seite stand. Ich denke, dass ich für sie eine ähnliche Rolle spielte und auch ihr mit meinen Worten (mehr als Worte hatten wir zu dieser Zeit nicht) den Weg aus dem Dickicht gezeigt habe, in dem man sich eben verstrickt, wenn eine Beziehung zu Ende geht. Beide haben wir einander sehr dabei geholfen, unser niedergeschmettertes Selbstwertgefühl behutsam wieder aufzubauen.
Sie war schließlich irgendwann schneller über ihre vergangene Beziehung hinweg als ich, hielt mir aber trotzdem weiterhin die Treue und hatte immer ein offenes Ohr für meine Nöte und Sorgen und Probleme. Wir waren uns darüber einig, dass wir immer unsere sprechenden Tagebücher sein wollten. Und wir wollten uns aus diesem Grund auch nicht persönlich treffen, obwohl wir (WorldWide Web? Die Welt ist sooo klein...) direkt um die Ecke wohnen. Wir hatten einfach Angst, dass diese Freundschaft, die uns beiden so wichtig ist, dadurch Schaden erleiden könnte.
Schließlich kam der Tag, an dem wir uns doch trafen. Und obwohl wir einander eigentlich Fremde waren, war es gleich sehr vertraut. Und dann passierte das, was wir beide befürchtet hatten. Etwas neues trat ein. Sie verliebte sich in mich. Und obwohl ich dieses Gefühl nicht mit ihr teilte, weil ich noch immer zu sehr mit den Folgen der letzten Beziehung zu kämpfen hatte, brannte in meinem Herzen ein kleines Feuer für sie. Sie war so warmherzig und verständnisvoll, humorvoll, freundschaftlich, kumpelmässig, hatte so vieles von dem, was ich mir von meiner letzten Partnerin so gewünscht, aber nie bekommen hatte. Und ich fühlte mich zu ihr hingezogen, von ihr angezogen, aber unfähig in sie verliebt zu sein. Es flogen keine Schmetterlinge, trotzdem berührte sie mich ganz tief in meinem Inneren und manche Mail von ihr hat mich so berührt und meine inneren Saiten so zum Schwingen gebracht, dass ich daheim vor dem Monitor saß und nur noch hemmungslos losheulte... Was mich noch tiefer berührte, weil ich nach meiner Trennung von meiner vermeintlich großen Liebe nicht mehr in der Lage gewesen war zu weinen. So tief berührte sie mich, dass sie mein erstarrtes Herz wieder aufweichte und ich hatte ein sooo warmes Gefühl für sie, musste immerzu an sie denken. Und war trotzdem nicht in der Lage mich in sie zu verlieben. Trotzdem hatte ich sie lieb... Ich verstand mich selbst nicht... Wir waren uns zwischenzeitlich auch körperlich näher gekommen und gaben uns gegenseitig Zärtlichkeit und Geborgenheit und ich denke, es war sehr schön und heilsam für uns beide.
Sie wusste um meine Gefühlslage und wollte versuchen, auf mich zu warten. Ich wollte mit ihr zusammen sein, glaubte fest daran, dass wir gut füreinander wären, dachte so, wie Nordlicht es beschrieben hat, dass eine Liebe, die nicht aus den rosaroten Wolken entspringt, vielleicht doch stabiler ist, als ein anfangs heisses Feuer, das einen blendet, dann aber schnell verglimmt. Meine letzte Beziehungs-Erfahrung hatte mit einem solchen Feuer begonen und ich wäre beinahe darin zu Asche geworden. War ich noch nicht bereit, hatte ich Angst?
Mein Engel und ich wurden uns immer vertrauter, ihre Gefühle für mich immer intensiver, bis sie mir sagte, dass sie mich liebt. Und ich konnte sie nur lieb haben, aber nicht aus vollem Herzen sagen, dass ich ihr Gefühl für mich erwidere. Nicht, weil sie es nicht wert wäre, nein, ich halte sie für einen äußerst liebenswerten Menschen, sie ist mir sehr wertvoll, als Mensch, als Freund, als Kumpel, als Frau. Aber ich kann es einfach gerade nicht. Und fühle mich dabei schuldig, wie ein Idiot... Fühle mich zu ihr hingezogen, habe sie lieb, liebe sie aber nicht. Vielleicht ist meine letzte Beziehung noch nicht weit genug weg und es ist zu früh? Vielleicht kann ich nicht mehr lieben, sondern nur noch Zuneigung empfinden? Vielleicht ist sie nicht die richtige? Vielleicht, vielleicht, vielleicht... Ich weiss es nicht... Möglicherweise geht es Deinem Gegenüber ähnlich, Hardofstone? Was Du schreibst, klingt wenigstens ein bißchen danach.
Kürzlich rief sie mich an und sagte, wir könnten uns nicht mehr sehen, sie möchte den Kontakt mit mir nicht länger aufrechterhalten, weil sie es zu sehr verletzt, dass ich ihre Gefühle für mich nicht in der gleichen Intensität erwidere. Sie kann nicht länger warten, will nicht das Gefühl haben, hingehalten zu werden. Sie wollte auch nicht, dass ich ihr nochmal schreibe. Ich kann das nur so akzeptieren. Dieses gefühlsmässige Ungleichgewicht ist für sie wohl nicht lebbar und auch ich habe ein ungutes Gefühl dabei, ein schlechtes Gewissen, weil ich ihr nicht die Gefühlstiefe geben kann, die sie braucht und verdient... Und ihr Seelenschmerzen zuzufügen ist das letzte, was ich will. Wie Du siehst, ist ein solches Ungleichgewicht auch für die andere Seite keine einfache Angelegenheit...
Es macht mich traurig, dass sich unsere Befürchtung bezüglich eines persönlichen Treffens auf diese Weise zu erfüllen scheint. Mit ihr werde ich einen Menschen verlieren, der mir nicht nur in den finstersten Stunden zur Seite stand, sondern auch jemand, mit dem ich in der kurzen Zeit, die wir uns kennen, viele schöne Momente erlebt habe. Jemanden, der viele von den Eigenschaften in sich vereinigt, die ich mir von einer Partnerin, aber auch von einem Freund und Kumpel wünsche... So fühle auch ich, jemand von anderen Seite, mich hilflos und ratlos... Weiss aber auch, dass die Entscheidung, ob ein solches Verhältnis, in welcher Weise auch immer, fortbestehen soll, wohl immer auf der Seite desjenigen liegt, der gefühlsmässig tiefer verstrickt ist. Nur der tiefer eingelassene Teil kann wissen, wie weit er gehen kann und ob das, was von der anderen Seite kommt ausreichend ist. In dieser Hinsicht schliesse ich mich Wilma_41 an. Und jemand, der wie ich auf der anderen, gefühlsmässig nicht so tief involvierten Seite steht, kann sich dem nur fügen. Aus Achtung und Respekt vor dem, der tiefer drinsteckt. Aber auch aus Freundschaft. Niemand kann etwas für seine Gefühle. Aber es soll auch niemand daran kaputtgehen.
Als Teil der anderen Seite, kann man sich nur insgeheim etwas wünschen. In meinem Fall wäre das, dass mein Engel sich nicht vollends abwendet. Aber wenn sie es tut, so habe ich auch nicht das Recht sie aufzuhalten. Schliesslich weiss sie selbst am Besten, was sie kann und was nicht, wo ihre Grenzen liegen. Dann bleibt mir nur noch zu wünschen, dass sie weiss, was sie für mich bedeutet, dass sie eine Lücke hinterlässt und dass ich da sein werde, wenn sie mich braucht. So wie sie da war, wenn ich Hilfe benötigte. Schon das allein macht sie so wertvoll, dass ich sie nie vergessen werde... Aber das ist, wie Du siehst, ein Thema für die andere Seite...
Letztenendes kannst nur Du selbst wissen, was Du Dir selber zumuten kannst und willst, Hardofstone, was Du gewinnst oder verlierst, wenn Du Dich verschliesst oder abwartest und weiter hoffst. Wenn er Dir sagt, dass er ohne Dich nicht sein kann und Dich lieb hat, dann bist Du ihm wohl ebenfalls wichtig. Und wenn er auch gerade offenbar nicht die Gefühle für Dich hat, die Du Dir wünschst, vielleicht könnt ihr ja eine Freundschaft weiterbestehen lassen? Du siehst, auch jemand von der anderen Seite kann Dir keine Patentlösung präsentieren. Ich hoffe aber, der Blick auf die andere Seite kann Dir eine kleine Hilfestellung dabei bieten, eine Lösung für Dich zu finden.
Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du die für Dich richtige Entscheidung findest und einen Weg gehen kannst, der Dir entspricht und Dich ins Glück führt.
Ganz liebe Grüsse
Taube_Nuss_40
(P.S. Hoffentlich haben Dich meine ausschweifenden Ausführungen nicht genervt. Mich kurz zu fassen ist leider keine meiner Stärken...)