Tag 3? Ich glaube ja, bin noch so zerzaust im Kopf. Vor knapp anderthalb Jahren habe ich ihn kennengelernt, nach vier Monaten sind wir zusammen gezogen, da Distanzbeziehung irgendwie nicht das wahre war.
Es begann plötzlich und sehr gefühlsintensiv, nach kurzer Zeit war ihm schon klar, dass er mich heiraten wollte.
Genau die richtige Mischung aus Gemeinsamkeiten und Unterschieden.
Gut, er war in Privatinsolvenz, durch ein Kleingewerbe das nicht so funktioniert hat, wie er es sich vorgestellt hat. Nicht perfekt, aber wer ist das schon.
Der Rest stimmte, zunächst. Ich ging meinem Job nach, war regelmäßig im Büro, Samstags hatte ich Ladys Night und war meist mit Freunden tanzen. Gar kein Problem da wir beide ein ähnliches Nähe und Distanz Bedürfnis hatten.
Sein Job wurde zum Minijob, entsprechend sank sein Einkommen. Kein großes Problem, ich verdiene ganz okay, jeder steuerte halt das bei, was er konnte. Es gab halt dann jeden Monat Phasen in denen er pleite war und mich zwischendurch mal um Geld zum tanke bat. Es gab allerdings auch Tage, an denen ich hätte schwören können, dass ich noch Bargeld in der Tasche hatte, aber plötzlich nichts mehr drin war.Keine riesigen Summen, 10, 20 Euro, aber es hinterließ ein mieses Gefühl.
Er leugnete na klar, dass er dran war. Irgendwann schneiten Inkassoschreiben herein, er versprach sich drum zu kümmern und Raten zu vereinbaren.
Steckte dann aber wieder den Kopf in den Sand, ich versuchte ihn an die Hand zu nehmen und ihn dabei zu unterstützen, dies ging aber gar nicht gut. Er fühlte sich bevormundet.
Irgendwann sogar ein Schreiben der Gerichtsvollzieherin, und dann ein zweites mit dem Hinweis, dass es Haftandrohung gäbe, ich vermute es ging um den Zwang zur eidesstattlichen Versicherung. Er suchte sie auf. Ich erhöhte natürlich den Druck, denn ein Besuch vom Gerichtsvollzieher war für mich die Horrorvorstellung.
Sein Umgang mit mir wurde immer weniger partnerschaftlich, keine Umarmung, kaum Berührung, S. über Monate hinweg nicht, obwohl er ihn anfangs echt, wie ich auch, genossen hat.
Irgendwann kam Covid dazu, ich bin ins Homeoffice gegangen und war entsprechend noch näher dran. Meine Me-Time entfiel, meine Stamm-Disco war ja zu. Anfangs traf ich mich wenigstens noch hin und wieder mit meinem besten Freund auf einen Kaffee.
Ihm begann die Decke auf den Kopf zu fallen, er fühlte sich hier völlig eingekesselt, nichts was seine Laune aufrecht halten konnte.
Und die Dinge entglitten ihm weiter, er verschloss vor allem unangenehmen die Augen.
Mir fiel auf, dass er plötzlich aus WhatsApp ein Geheimnis machte. Er erzählte er habe wieder Kontakt zu einem alten Freund, ein Marco, Psychiatriepfleger aus Duisburg.
Ich wollte ihn mal sehen, hatte natürlich auch ein komisches Gefühl wegen der Heimlichtuerei. Er zeigte mir irgendwann ein Bild.
Plötzlich kamen für ihn Touren dazu, Reifenlieferungen als Tagestour, obwohl der Auftraggeber eigentlich insolvent war.
Wir hatten abgemacht, ich bestelle abends Pizza, schrieb ihn an um zu erfahren wann und was, er antwortete nicht. Also rief ich ihn an, er hob nicht ab. Kurz drauf kam eine WhatsApp, er habe das Handy nicht gehört, ich rief ihn nochmal an, und wieder klingelte es durch. Er schrieb dann, er könne nicht dran gehen, er telefoniere mit seiner Chefin.
Mir kam der Gedanke, vielleicht hat er ein Date und will deshalb nicht telefonieren.
Wie Frau ist, wenn sie einmal verunsichert ist, Google - Rückwärtssuche, mit dem Ergebnis, Marco heißt Thorsten und lebt in Ba Wü, der Psychiatriepfleger leitet zudem eine Versicherungsniederlassung. Kurz, ein Bild dass er sich bei Google herausgepickt hatte.
Ich konfrontierte ihn damit und bat ihn den Abend woanders zu schlafen. Vielleicht hätte ja seine Chefin Platz.
Am nächsten Abend kam er heim, eröffnete mir, dass er es so nicht mehr aushält und sich eine eigene Wohnung sucht, das Bild sei ein Test gewesen.
Gestern früh haben wir in Ruhe geredet, natürlich beide sehr aufgewühlt. Mit dem Fazit, dass er überfordert ist, ihm die Decke auf den Kopf fällt und er Schuldgefühle hat, dass es mir so geht. Er hat sich mit seiner Ex ausgetauscht, da sich die gleiche Geschichte die die beiden erlebt haben wohl bei uns wiederholt. Sie ist mittlerweile glücklich verheiratet mit Kindern und hat ihm nahegelegt eine Therapie zu machen.
Ich habe ihr da klar zugestimmt, weil er sich mit dem vermeidenden, verdrängenden Verhalten selbst in Teufelsküche bringt, mich und seine Tiere, ein Hund und zwei Katzen ebenfalls, so er für seine Schulden absitzen muss, gleich mit.
Seit gestern ist er er nach seiner Tour wieder bei seinem Arbeitskollegen, wollte aber eigentlich am liebsten Abends wieder nach Hause, obwohl er ja ursprünglich sogar in eine eigene Wohnung ziehen wollte. Meiner Meinung nach war es jedoch die bessere Entscheidung mal etwas Abstand hinein zu bringen, eben kam die WhatsApp, dass sie es mit dem Alk. sehr übertrieben haben und er noch nicht Auto fahren kann, also käme er morgen.
Ich stecke noch im kompletten Gefühlschaos. Einerseits entspricht die Beziehung nicht meinen Bedürfnissen, zumindest so verfahren, wie sie in den letzten Monaten war, andererseits liebe ich ihn und habe die Hoffnung, dass wir es, wenn er in Therapie geht wieder hinbekommen.
17.01.2021 19:04 •
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