Hallo Conny!
Also das will ich doch nicht hoffen, daß Du heute abend reif für die Klapse bist ...
Auch wenn ich mir vorstellen kann, daß die Begegnung nicht ohne Herzklopfen abgehen wird.
Daß Du bei alldem nicht an eine weiche Landung gedacht hast, das glaube ich Dir schon.
Aber einmal abgesehen davon, daß dieser Mann Dir gleich gesagt hat, daß er sich nicht trennen wird - von einer Beziehung in eine andere überzuwechseln macht es oftmals zwar leichter, aber ist einigermaßen riskant. Wenn man nämlich in einer Beziehung lebt, in der es schwerwiegende Mängel gibt, verspürt man diese noch intensiver als wenn man solo ist. Dann sind sie viel präsenter. Und dadurch wird man auch empfänglicher für zumindest scheinbare Wunscherfüller, idealisiert auch mehr, projiziert mehr, hat überhöhte Erwartungen - und das wiederum führt oft zu Enttäuschungen, an denen dann auch die neue Beziehung krankt oder scheitert. Und (auch wenn das bei Dir nicht der Fall ist) man wird dann auch leichter das Opfer von Rettern. Nichts macht es jemanden, der es darauf abgesehen hat, ja leichter als die Bedürftigkeit eines anderen.
Aus diesem Grund ist es eben besser, sich, wenn eine Beziehung versandet ist, erst zu trennen und dann nach einem neuen Glück zu suchen. Weil man dann gewissermaßen weniger verschleierte Augen hat und auch das finden kann, wonach man tatsächlich sucht (und das ist, zumindest längerfristig, nie ein Retter, außer man wäre grundsätzlich ziemlich verkorkst).
Was Deine Ehe betrifft:
Erstens verstehe ich, daß Du aufgrund der Umstände nicht einfach einen Schlußstrich ziehen kannst.
Auf der anderen Seite habe ich, wenn ich das sagen darf, aber auch den deutlichen Eindruck, daß diese Beziehung nicht ewig halten wird. Dazu fehlt es einfach an zu vielem. Eine Zeitlang schafft man es zwar vielleicht, sich an allen Ecken und Enden zu verleugnen, sich etwas vorzumachen und im Zustand der Hoffnung auf ein Wunder zu leben. Doch auf Dauer zerfällt das alles wie morsches Holz und man steht vor der unverblümten Wahrheit. Zwar kann man natürlich dennoch formell die Beziehung weiterführen, aber das ist dann nicht mehr als eine WG.
Und woran ich noch denken mußte bei Deiner Geschichte: Es gibt ja zwei Arten von Beziehung: Eine Ich-Du-Beziehung und eine Ich-Es(Sie/Er)-Beziehung. Diese beiden Arten unterscheiden sich ganz grundsätzlich. Bei einer Ich-Es(Sie/Er)-Beziehung geht es um bestimmte Eigenschaften, Vorteile, Nützlichkeiten, Brauchbarkeiten usw. Also durchaus wie bei einem Haushaltsgegenstand. Auch ein solcher kann einen anfangs begeistern, man will ihn unbedingt haben, er kann einem wichtig und wertvoll werden, man kann ihn gut gebrauchen, er erfüllt sein Zwecke, er kann einen auch ans Herz wachsen ... was auch immer. Aber man wird diesen Gegenstand bzw. den anderen Menschen immer als etwas von sich Getrenntes erleben, das auch austauschbar ist. Bestimmte Eigenschaften, Vorteilhaftigkeiten, Nützlichkeiten haben ja viele und hat vieles, die Bedeutung ist hier vorwiegend nach außen gerichtet, auf die Funktionalität und Gefälligkeit hin.
Ganz anders bei einer Ich-Du-Beziehung. Hier läßt man sich sozusagen ganz auf eine andere Welt ein, in der Einzelheiten nicht so wesentlich sind, die Bedeutung nach innen gerichtet ist, etwas tatsächlich Gemeinsames entsteht. Natürlich kann es in dieser Welt (wie auch in der eigenen) Dinge geben, die einem nicht so zusagen, aber dennoch kann man sie als Gesamtheit annehmen (und auch verstehen und sehen lernen). Und jedenfalls gibt es hier keine Austauschbarkeit, weil es eben nicht um einzelne Nützlichkeiten und Vorteile geht, sondern um das Gesamte (und das ist natürlich immer einzigartig). Das ist in etwa so, wie eine Mutter nicht ihr Kind austauschen kann, wenn es sich nicht so verhält wie gewünscht oder eine Behinderung hat oder sonst etwas. Es wird immer ihr Kind bleiben, und die Beziehung zu ihm ist eine besondere, die sich ganz klar von den Beziehungen zu irgendwelchen anderen Kindern (oder auch Erwachsenen) unterscheidet. Und auch das ist eben eine Ich-Du-Beziehung (die allerdings nicht gewählt wird, sondern sich natürlicherweise ergibt im Normalfall).
Wegen Deines Geschenks - das mußt Du Dir halt noch überlegen. Also vor allem, ob es Dir wirklich hilft, damit einen Abschluß zu finden. Oft nimmt man sich etwas in dieser Art zwar vor, findet dann aber dennoch keine Ruhe. Weil sich Theorie und Praxis halt oft sehr deutlich unterscheiden.
Andererseits hast Du wenig zu verlieren. In gewissem Sinne hast Du nämlich den Vorteil, daß dieser Mann selber Dir gar keine Hoffnungen gemacht hat und Dir auch bewußt ist, daß es nicht darum geht, ihn sozusagen zu erobern. Für Dich selber mag das im Moment zwar schmerzlich sein. Aber objektiv gesehen ist das sicher besser, als würdest Du auch noch an dieser Hoffnungsangeln zappeln (wie es vielen anderen in einer ähnlichen Situation ergeht).
Jedenfalls kannst Du im Grunde nichts falsch machen. Es kommt lediglich darauf an, womit es Dir besser geht: ihm das Geschenk geben oder es ihm nicht geben.
Vielleicht siehst Du nach dem heutigen Tag in dieser Angelegenheit klarer, nachdem Du hoffentlich wider Erwarten doch nicht in der Klapse gelandet bist .
Liebe Grüße
16.11.2016 02:23 •
x 2 #117