Mal abgesehen davon, viele Leute in Deinem Alter für erstaunlich konservativ und eine so frühe Ehe für vollkommen unnötig halte, tut es mir auch von Herzen leid, dass Dir das passiert ist.
Daran, dass das passieren konnte, hast Du auch einen Anteil, aber Dir diesen anzusehen (warum habe ich ihn wiederholt zurück genommen?) hat noch Zeit, denn erstmal musst Du durch diese schlimme Situation der ersten Zeit kommen und das wirst Du! Was er will und macht, ist dabei vollkommen irrelevant. Er sollte sich in Grund und Boden schämen für sein Verhalten.
Mein besten Freundin ist ähnliches passiert. Ihre Hochzeit war geplant (standesamtlich und kirchlich), das Restaurant reserviert, Musik usw. ..eben alles was zu einer traditionellen Hochzeit gehört halt. Die Gäste hatten längst ihre Einladungen bekommen. Die Party konnte steigen.
Da stand sie eines Tages weinend vor meiner Tür, weil er, den ich nebenbei bemerkt immer für einen Idioten gehalten hatte, (aber das musste ich ja auch nicht) und bat mich Hände ringend ein paar Tage mit ihr wegzufahren. Er hatte Schluss gemacht. Ich nahm ein paar Tage Urlaub und wir verreisten.
Ich habe ihren Wunsch zu heiraten und dann auch diesen Typen nie verstanden, aber eines war klar: ihr Zustand war desolat. Sie hat kaum geredet in diesem Tagen, sie war todtraurig, verlassen, gedemütigt und am Boden zerstört. Sie hatte ihre große Liebe verloren. Ich machte mir große Sorgen und konnte nichts anderes tun, als da zu sein, und mit ihr zu schweigen. Sie waren 8 Jahre zusammen. Seine heutige Frau hat er sehr schnell danach kennengelernt und nach etwa zwei Jahren geheiratet.
Jugendlieben führen leider oft dazu, dass irgendwann einer von beiden meint, etwas versäumt zu haben. Leider ist Dir das auch passiert.
Meine Bitte: arbeite das Thema auf! Meine Freundin hat sich nie wieder verliebt.Vielleicht fand sie mal jemanden gut, aber weiter ist das nie gegangen. Es gab auch durchaus Interessenten, aber sie hat keinen mehr an sich heran gelassen. Sie ist nie wieder eine Beziehung eingegangen, die von ihr so herbeigesehnte Familie hat sie nie bekommen. Das hat wirklich Spuren in ihrer Seele hinterlassen. Sie ist ansonsten eine tolle, eine attraktive, eine engagierte und energiegeladene Frau, aber dieses Sitzengelassenwerden vor dem Altar hat tiefe Spuren in ihrer Seele hinterlassen. Das muss nicht bei jedem so massiv der Fall sein, aber es ist eben auch nicht ausgeschlossen sondern eher wahrscheinlich, dass man das ein Leben lang mit sich herum trägt.
Ich glaube, wenn es damals schon so üblich und selbstverständlich gewesen wäre wie heute, hätte sie sich therapeutische Hilfe holen müssen. Aber das gab es vor 20 Jahren in diesem Maße noch nicht.
Bitte denke darüber nach, das zu tun. So einen Vertrauensmissbrauch und so eine Demütigung steckt man nicht ohne Weiteres weg, zumal Du auch eindeutig eine Baustelle hast, was Deine Selbstachtung angeht.
Ich habe auch ein positives Beispiel für eine kurzfristig abgesagte Hochzeit. Ein verlobter Mann hatte sich ohne mein Wissen in mich verliebt. Er war 12 Jahre mit seiner Freundin zusammen. Sie wollten heiraten und auch da war alles geplant. Doch er erkannte, dass es wohl nicht richtig wäre zu heiraten, wenn er doch in eine andere Frau verliebt war. Also sorgte er dafür, dass sie aufgefangen wird, wenn er die Verlobung aufkündigt. Er hatte eine Therapeutin um Krisenintervention gebeten.
Es müssen auch da dramatische Zeiten gewesen. Er erzählte mir davon, als er mich fragte, ob ich die ausgefallenen Hochzeitsreise mit ihm machen würde. Zu dem Zeitpunkt war die Trennung allerdings schon ein halbes Jahr her. Beiden ehemaligen Verlobten ging es gut, sie arbeiteten ihre Trennung auf und hatten sogar am eigentlichen Hochzeitstag mit ihren Gästen gefeiert, dass sie sich entschieden haben, nicht zu heiraten.
Als wir uns zuletzt sprachen, erzählte er mir, dass es seiner Ex-Verlobten blendend ginge, sie eine schöne Wohnung und wieder einen Freund hätte und dass sie genauso gute Freunde wären wie zuvor; aber nur eben kein Paar mehr.
Was ich damit sagen will: es kann durchaus ratsam und hilfreich sein, sich professionell unterstützen zu lassen, denn so eine Situation ist eine Lebenskrise.
Bitte, bitte, lass Dich nie wieder auf Deine Ex-Freund ein. Er ist ein unreifes Kind und kein Mann. Davon abgesehen, gibt es noch reichlich Zeit, irgendwann zu heiraten und auch zum glücklich werden, wie Du oben lesen kannst. Die beiden waren übrigens Anfang 40, als sie sich trennten.
Ich weiß, das ist Dir jetzt nicht wichtig, aber wann hast Du denn eigentlich gelebt? Wann warst Du ausgelassen? Hast gefeiert? Warst auf Partys? Hast geflirtet, vielleicht Dummheiten gemacht, nach denen man sich am nächsten Tag fragt, ob das wirklich hätte sein müssen und diese mit einem Egal, aber g*il war´s! vom Tisch gewischt? Wann hast Du die Welt entdeckt und und auf den Kopf gestellt und den Männern eben diesen verdreht? Wann warst Du frei und ungebunden und hattest an jedem Finger einen Verehrer? Wann warst Du unabhängig und eigenständig in Deinen Entscheidungen? Wann hast Du die Freiheit gespürt, autark zu sein? Wann konntest Du aus dem Vollen schöpfen, um aus dem zu lernen, was Du eigentlich möchtest und was Deine Werte sind?
Das alles wartet noch auf Dich! All das solltest Du aus meiner Sicht unbedingt noch erleben und irgendwann wirst Du einem Mann begegnen, der all das möchte, was Du möchtest und der Dich nicht aus Kalkül und Dich bei der Stange zuhalten manipuliert. Und dann, das kannst Du mir glauben, wirst Du Deine Jugendliebe längst um geistige Reife überholt und hinter Dir gelassen haben. Dann interessiert er Dich nicht mehr.
Fühl Dich gedrückt!
25.11.2017 18:09 •
x 1 #9