Also ich denke, man kann sich aus dieser Welt ja zumindest auch ein Stück weit zurückziehen und muß ja nicht jeden Schmarren mitmachen. Diese Freiheit hat man durchaus.
Was Beziehungen betrifft, so stimmt es zweifellos, daß hier oft alles gleich ganz leichtfertig und gedankenlos weggeworfen wird. Das hat aber nicht zuletzt auch mit der überhöhten Verletzlichkeit zu tun. Oft genügt ja schon ein falsches Wort, und der Partner und die Beziehung werden in Frage gestellt.
Früher hatten viele Menschen einfach wirklich mit existenziellen Problemen zu kämpfen, da konnte man sich mit irgendwelchem Firlefanz gar nicht beschäftigen. Wenn es etwa einmal zu einem Fremdgehen gekommen ist, gab es eine auf den Deckel, eine Woche Spinnerei - und damit hatte es sich wieder. Heute muß man sich nicht nur gleich trennen, sondern braucht vielleicht auch noch eine jahrelange Psychotherapie ...
Auf der anderen Seite hat aber eben auch alles seine Vorteile. Man muß etwa nicht mehr, wie früher, allein der Konvention oder der Kinder wegen zusammenbleiben. Und das ist gut so. Denn eine besch.... Beziehung ist nicht nur schlecht für die jene, die sie führen, sondern auch und vor allem für die Kinder. Und das halte ich für absolut verantwortungslos. Kinder brauchen ein liebevolles Nest, um auch selber liebevolle und gefestigte Persönlichkeiten zu werden.
Ich halte es für unsinnig und kindisch, sich wegen jeder Kleinigkeit zu trennen, nicht zuletzt, weil man sich auf diese Weise auch nie weiterentwickelt und da und dort vielleicht auch ein bißchen über sich hinauswächst oder auch zu ganz wichtigen Selbsterkenntnissen kommt. Genauso unsinnig aber ist es, über lange Zeit an einer destruktiven Beziehung festzuhalten, in der sich nichts und nichts bewegt. Man sollte also möglichst einen guten Mittelweg finden.
Interessant finde ich überdies, wenn man sich ein wenig mit der Geschichte der Liebe beschäftigt. Es gab auch Zeiten, in denen die Liebe viel mehr Bedeutung hatte als heute, seelischere, geistigere, gefühlvollere Zeiten (während heute eben meist S. das wesentliche Motiv ist und vielleicht noch Familiengründung oder halbe Miete), und zu jenen Zeiten konnte sich daher die Liebe auch viel tiefgreifender entfalten und echte und beständige Bande knüpfen. Es ging noch darum, einander tatsächlich zu erkennen und dadurch in gewissem Sinne eins zu werden. Man war einander Sonne, die den anderen so erblühen ließ, wie Gott ihn gemeint hat. Heute hingegen geht es vor allem um die eigene Wunscherfüllung (wobei Ausnahmen natürlich auch hier die Regel bestätigen). Allerdings war das natürlich nur dort so, wo es wirklich um Liebe ging und gehen konnte. Viel öfter kamen klarerweise pragmatische Beziehungen vor. Zudem gab es auch früher natürlich schon Liebesleid, z. B. wenn einer der beiden gebunden war. Denn das war ja fast ein unüberwindliches Hindernis. Was sich aber auf alle Fälle sagen läßt, ist, daß die Gefühle viel bedeutsamer und auch verfeinerter waren, was sich auch in der Sprache niedergeschlagen hat. Man wußte oder vielmehr spürte eben, daß Liebe etwas wirklich Besonderes ist, das einem nicht an jeder Straßenecke begegnet und das sich nicht konsumieren läßt wie irgendein fetter Braten im Schnellrestaurant.
LG
03.07.2016 01:53 •
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