Gestern und Vorgestern, Tage 84 und 85,...
Von der Angst zu verschwinden
Da bin ich nun.
Gefesselt und geknebelt, in irgendeinem dreckigen Loch
auf dem Schiff dieser Fieslinge.
Ich höre, wie sie oben lachen und singen.
Herumbrüllen und sich schlagen.
Ab und an fällt einer von denen um und dann
kracht es laut über mir.
Neben mir steht ein Teller mit schimmeligem Brot darauf.
Aber, wie soll ich essen, wenn ich doch geknebelt bin?
Das Schlimmste an denen ist deren unsägliche Dummheit.
Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich überhaupt noch lebe.
Sie wissen nicht, was sie mit mir anstellen sollen.
Es ist auch möglich, dass sie mich einfach vergessen.
Dann werde ich verdursten und die Ratten werden...
Oh nein!
Das kann ich nicht zulassen!
Und ich soll bis in meinen Tod hinein deren schreckliche Saufgesänge hören?
Ich denke darüber nach, ob sich irgendjemand da draußen fragt, wo ich bin?
Ob mich wohl jemand vermisst?
Ich kaute auf dem Knebel herum und merkte, dass sie den nicht richtig
befestigt hatten.
Ein paar Drehungen links, einige rechts und...! Voilà!
Puh! Wenigstens war ich dieses eklige Ding los!
Ich schaute mich um und starrte irgendwann einfach nur noch
Löcher in die Luft.
Es mögen so Stunden vergangen sein.
Nie wieder werde ich frei sein.
Ich war gerade dabei, mich in mein Schicksal zu fügen, da durchdrang
blauer Rauch den Raum.
Dieser formte sich zu einem Wesen, ein Gesicht war schon klar zu erkennen.
Ich weiß bis heute nicht, was es war, aber dieses Wesen schwebte da
vor mir und begann mir mir zu reden.
Ich will Dir helfen! Aber ich kann Deine Fesseln nicht lösen.
Ich kann Dir nur einen Zauber geben, der Deine Fesseln, ganz wie von selbst in Luft auflöst, wenn Du jemanden findest, der Dich liebt!
Na, das ist ja toll.
Wie soll ich denn hier unten jemanden finden, der mich liebt?
Etwa die Ratten?
Ach, dann kannst Du es auch gleich lassen.
Vielen Dank für Deine Hilfe.
Du bist leichtsinnig gewesen. Und töricht.
Du hast nicht gut genug auf Dich aufgepasst!
Paddelst alleine in einem kleinen Boot durch diese Gefilde!
Wo Du doch wusstest, dass sie dir auflauern werden!
Ich denke gar, vielleicht wolltest Du ja aufgegriffen werden?
Warum sollte ich das gewollt haben, in drei Teufels Namen?
Weil Du nicht wusstest wohin sonst!
Du warst ziellos.
Und heimatlos.
Und da mag es doch besser erscheinen, bei diesen fiesen Piraten zu sein!
Da bist Du wenigstens nicht allein!
Ist das wahr, konnte ich wirklich so töricht gewesen sein?
Das, was dieses Wesen da sagte, hatte mich nachdenklich gemacht.
Dann zischte es und mit einem Mal lösten sich die Konturen der blauen Erscheinung wieder in Luft auf
und verschwand dann vollends.
Vergiß nicht! Jemanden, der Dich liebt!, hörte ich es noch aus
dem Dunst zu mir sagen.
Oh je. Ich halluziniere.
Da bilde ich mir doch tatsächlich ein, ich hätte mit einem
blauen Rauchwesen geredet.
Naja. Kein Wunder. Es geht zu Ende.
Jemanden finden, der mich liebt! Ha! Hier unten?
Und dann lösen sich die Fesseln wie von selbst auf?
Guter Witz!
Ich hörte wieder diese stumpfen Idioten da über mir,
wie sie holperten und polterten.
Jeden Tag feiern? Ein leichtes Leben?
Ohne Tiefgang?
Ohne Melancholie, ohne Sehnsucht?
Nein, zu denen gehöre ich nicht.
Ich muss hier weg!
Aber wie?
Jemanden finden, der mich liebt! Tz.
Ich schüttelte innerlich den Kopf.
M.
02.08.2013 09:20 •
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