@wenja: Ich wusste auch von Frau und 2 kleinen Kindern.
Ich war frisch getrennt, also anfällig und nicht in mir ruhend. Ich habe weder nach 6 noch nach Kuscheln oder gar einer Beziehung gesucht, war dafür gar nicht bereit und habe das auch ausgestrahlt und -wenn nötig- offen gesagt.
Der spätere AM gab vor, als Kollege meine traurigen Augen seit einiger Zeit zu sehen und sich zu fragen, was denn los ist. Er hat sich mehrere Monate wie eine beste Arbeitskollegin verhalten, also gemeinsame Mittagspausen, fragen wie es einem geht, Gespräche übers neue Diensthandy, ein offenes Ohr, wenn man sich über den Chef ärgert, etc. Über Monate ließ er subtil einfliessen, wie es bei ihm zu Hause aussieht. Dass er seine Kinder über alles liebt, auch wenn das 2. nicht geplant war. Dass seine Frau eine tolle Frau und Mutter ist, aber... Dass er sich eigentlich nicht beschweren dürfte, aber alles so anders gekommen sei. Er jetzt Verantwortung habe und dazu stehen müsse und aus seinen Kindern keine Scheidungskinder werden sollen, obwohl seine Frau und er nur noch gute Eltern für die Kinder und sonst nichts füreinander seien. Dass sie alle 4 am glücklichsten wären, wenn unter der Woche seine Frau mit den Kindern ihr Ding macht und er am Wochenende mit den Kindern etwas unternehmen könne. Dass er ja auch immer abends alleine isst. Dass er sich in der Pflicht sieht, alle zu versorgen und seine Frau ja auf ihn angewiesen sein, weil sie dem Stress des Berufslebens nicht so gut standhalten könne. Dass er sich im Gegenzug aber eben auch nicht um Kitaschließzeiten kümmern müsse und seine Frau eine tolle Mutter sei und er sie ja auch früher mal sehr geliebt habe. Dass sie sich durch die Schwangerschaften eben sehr verändert habe und trotz seiner Hinweise da nie etwas geändert habe (mit traurigen Hundeaugen vorgetragen). Dass sie abends vor dem PC im Arbeitszimmer säße und er im Wohnzimmer vor TV und Babyphon - oder umgekehrt. Dass der Familienurlaub für die Kinder ganz toll war und er auch Mal wieder Sport machen konnte und abends, wenn die Kinder schliefen, dann halt zur Clubbar ging, damit er jemanden zum Unterhalten hat. Alles nur im Nebensatz, wenn es thematisch passte, fallen gelassen. Aber in meinem Kopf bildete sich das Bild einer toten Ehe.
Und irgendwann schwenken die Gespräche von seiner Frau ganz weg. Manchmal erzählte er noch von den Kindern.
Dafür half er ganz viel. Wenn ich von meinem ruckeligen Türschloss erzählte, stand er nach der Arbeit mit einer Metallfeile vor meiner Tür. Abends noch schnell per messenger ein paar Apps durchgegeben, die für mich interessant sein könnten. Erzählte ich von einer TV-Serie, die ich gut fand, hatte ich 3 Tage später sämtliche Staffeln auf einem Stick auf dem Schreibtisch. Fuhr ich in Urlaub, kamen Nachrichten vom letzten Büroklatsch und dass er mich in der Pause vermisst hätte. Zurück gekommen dann harmlose Komplimente zu meiner Bräune. Irgendwann dann mit einem Seufzen vorgetragen, dass er mit niemandem so gut reden können wie mit mir und sich auch niemandem so weit geöffnet habe. Ich erzählte in der Pause, dass ich früh los muss, um bei MediaMarkt noch ein besonderes Angebot zu erwischen. Ihmnfiel ein, dass er er auch noch was elektronisches braucht, also führen wir gemeinsam. Und hatten natürlich ganz viel Spaß. Lachen, noch ein Kaffee auf dem Weg, schönen Abend noch wünschen und sehen, wie sich seine Miene erst verfinstert und dann wieder aufhellt, weil er jetzt noch die Kleinen baden kann und sich danach auf dem Messenger nochmal meldet, ob ich mit der Installation des Geräts gut klargekommen bin. Anlässlich einer Vortragsdienstreise dann die Frage, ob ich den blauen Hosenanzug dabei habe, in dem ich immer so klasse aussähe. Gleich gefolgt von unverfänglichen Scherzen zu seiner letzten Dienstreise an den Standort und dem miesepetrigen Kollegen X. Abends nach der Rückkehr von der Reise dann die Frage, ob ich gut angekommen sei und ein Schlaf schön. Freu mich schon auf die Mittagspause morgen.
Es interessierte mich, als ich nur freundschaftliche Gefühle für ihn hatte, natürlich, wie seine Ehe so einschlafen konnte und warum sie nicht wiederbelebt oder beendet wird. Ihm sei die Liebe für sie abhanden gekommen, nachdem sie sich durch die Kinder so sehr verändert habe. Und sie habe sich auch nicht über fehlende Küsse, 6 oder Nähe beschwert, sondern sei wohl ganz froh, wenn sie mit ihren Freunden ihre Tage frei gestalten können und er dann zum Reifenwechsel und Einkäufe ins Haus tragen da sei. Sie seien gute Eltern und alle 4 gut versorgt und hätten sich stillschweigend so arrangiert. Man könne schließlich nicht ewiges Glück erwarten. Hauptsache alle seien gesund und den Kindern ginge es gut.
Klar hätte ich da irgendwo deutlich eine Grenze finden und ziehen müssen.
Aber es ging über Monate, immer unter dem Deckmantel nur gut befreundete Kollegen und (seine Aussage) in der ähnlichen Situation einer erloschenen Liebe zu sein.
Und für mich als frisch Getrennter war es einfach schön, jemanden zu haben, der jeden Tag im Büro nachschaute, mich zum Lachen brachte, dem ich sowohl berufliches als auch privates anvertrauen könnte, der da war, wenn ich ihn brauchte. Ein guter Freund und Kollege eben, der sich nicht entscheiden musste, ob er auf meiner Seite oder der meines langjährigen Ex war - er war auf meiner und sah das Ende meiner Beziehung nicht als Fehler oder Scheitern, sondern als Chance für mich (bzw für sich).
Und ja, ich war dumm und naiv, zu glauben, dass Männer eine solche Freundschaft ohne Ziel führen würden und dass das nach Monaten eintretende Verlieben etwas Natürliches bzw. Ungewolltes war.
Und zu dumm und naiv, um dann nicht zu erkennen, dass dieser Mann es nicht nur gut in diesem Zwiespalt bzw. Doppelleben aushalten kann, sondern es geradezu genießt. Ich habe noch weit nach meinem Weggang an seine Worte geglaubt, die auch ganz meiner Logik und Moral entsprechen, dass man einen solch verlogenen, uneindeutigen Zustand, wie unsere Beziehung neben seiner Ehe, so schnell wie möglich auflösen und klarstellen muss, auch wenn das schwierig ist und Verlust bedeutet. Dass auch er darunter leide, nicht offen zu seinen Gefühlen stehen zu können und sich als Erwachsener Mann heimlich in die Arme einer anderen schleichen zu müssen. Und dass es für solche Situationen Lösungen gibt und geben muss, man sie nur finden und dahinter stehen muss.
Ich bin jetzt weniger naiv.
Freundschaften mit Männern kommen für mich seitdem überhaupt nicht mehr in Frage. Jede Form von Interesse an meinem Privatleben oder Fürsorglichkeit durch einen Mann löst bei mir einen Ekelreflex aus. Ich trage meine Getränkekisten selbst und feile meine Türschlösser selbst oder bezahle einen Handwerker. Freundliche (männliche) Nachbarn oder Kollegen bekommen ein blitzschnelles Nein danke! Geht schon!
Vor der Affäre waren Männer und Frauen für mich gleich. Gute Freunde hatte ich quer durch alle Geschlechter, Orientierungen, Alters- und Gehaltsklassen. Ich war offener und frei. Durch die und seit der Affäre nicht mehr. Ich bin gegenüber Männer extrem misstrauisch.
Und ich bin nicht mehr so naiv zu glauben, dass allen Menschen grundsätzlich an einem aufrechten Gang und geklärten Verhältnissen gelegen ist. Manche scheinen sich geradezu auf Doppelleben spezialisiert zu haben, um vor keinem ihr wahres Gesicht zeigen zu müssen.
Du brauchst die Ex Deines Mannes also nicht zu verachten.
Sie war vermutlich arglos und ist jetzt argwöhnisch.
Die Welt ist durch die Affäre für alle außer dem Initiator ein dunklerer Ort geworden.
25.02.2017 14:16 •
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