Zitat von LB_94: Es ist halt so, dass ich noch viel aus der alten Beziehung mit mir rumschleppe und das noch zusätzlich die ganze Situation für mich erschwert
Vorgelebte und übernommenen Muster sind nun mal da, bei jedem. Und die praktisch zu überschreiben oder gar auszuradieren, ist ausgeschlossen, denn sie sind Teil der eigenen Biografie.
Dann hilft es nur, es zu erkennen und es in der bewussten Ebene zu integrieren. Nicht in Form von Was mir meine Eltern vorgelebt haben, ist Sch..., also möglichst ohne oppositionelle Haltung, denn die Eltern gaben auch nur das weiter, was sie vorgelebt bekamen.
Einfach zur Kenntnis nehmen und Parallelen zum eigenen Erlebten in Beziehung sehen.
Das Motto Augen zu ist kein guter Ratgeber, denn damit schiebt man das wieder weg und alles, was man verdrängt, kommt eines schönen Tages wieder zum Vorschein.
Es geht bei Kindheitsdefiziten oft um mangelnde Liebe, keinen guten Bezug zu einem oder gar beiden Elternteilen. Wenn dann noch Gewalterfahrungen dazu kommen, ist es noch schlimmer.
Was man aber für sich selbst tun kann, ist, sich selbst zu beobachten und zu hinterfragen. Also sich im Fall von LB _94 z.B., warum hänge ich mich an Männer, die offensichtlich nicht gut mit mir umgehen? Warum glaube ich , dass Hartnäckigkeit und immer wieder von Neuem auf ihn zuzugehen, etwas bringt? Denn es ist die Haltung, ich möchte den Ochsen melken, der bekanntermweise keine Milch gibt.
Und, liebe LB, solltest Du immer ganz genau in Dich hinein hören und hinein fühlen, wie sich etwas für Dich anfühlt. Das Bauchgefühl kann ein guter Ratgeber sein. Aber wenn Du feststellst, ihm ohne
Antwort und ohne seinen Invest hinterherzulaufen und zu fühlen, dass es Dir nicht gut tut, ist das ein wichtiger Hinweis für Dich. Was tut mir gut, was macht mir Angst, was macht mir Sorgen, warum fühle ich mich nicht mehr wohl mit ihm?
Es geht hier darum, mehr in Beziehung zu sich zu gehen und mit sich selbst achtsam umzugehen. Du bist einzigartig, Dich gibt es nicht nochmals und Du solltest lernen, besser auf Dich aufzupassen und vor allem auch ins Handeln gehen, wenn es Dir zunehmend schlechter geht.
Ich war auch mal in einer Beziehung. Zunächst war die Wolke 7, ein wunderbares Gefühl der Übereinstimmung stellte sich ein und es fühlte sich alles so warm und vertraut an, so wie nach Hause zu kommen. Aber nach den ersten Wochen ging er allmählich auf Abstand, erst ganz langsam und allmählich, dann aber häuften sich seine Verhaltensweisen, die dazu dienten, dass er sein Leben in den Vordergrund stellte und seinen Freiraum verteidigte. Ich wollte doch so gerne die Hauptrolle in seinem Leben führen, aber das Gegenteil war der Fall. Ich fühlte mich wie ein Zaungast, der ihm beim Leben zusah. Für mich als richtige Partnerin war kein Platz.
Ich merkte zwar, dass altbekannte Ängste mich überrollten und ich ratlos dem gegenüber stand, aber ich ging nicht konstruktiv damit um. Anstatt den Warnhinweis zu verstehen, sagte ich mir, es liegt an mir. Wenn ich besser damit umgehen könnte, dann ... Ich müsste einfach souveräner sein, dann ... Ja, dann kam aber nicht. Ich konnte mir ja nicht einreden, dass mir sein Verhalten nicht weh tat.Und ich war jenseits von Souveränität und Gelassenheit.
Ich war leider völlig unfähig mich zu lösen, denn dafür hätte ich ja ganz auf ihn verzichten müssen. Also holt man das Prinzip Hoffnung zu Hilfe. Wenn ich mich so und so verhalte, dann könnte das so sein, dass es ihm zusagt, womit ich wieder ein paar Pluspunkte erreicht hätte.
Das allerdings führte dann dazu, dass ich nicht mehr ehrlich und authentisch war. Ich verschwieg, wie es mir ging, wollte unser Zusammensein nicht belasten, stellte höchst selten unangenehme Fragen und verbog mich stattdessen. Damit ging es mir noch schlechter, denn ich fühlte, dass ich gegen mich selbst handelte und dass ich meine Wünsche und Sehnsüchte der Hoffnung, die eh umsonst sein sollte, unterordnete. Ich lebte in einem inneren Zwiespalt aus Wollen und unerfüllten Wünschen.
Meine Ängste verstärkten sich und das Machtgefälle zwischen uns auch. Ich fühlte mich übergangen, untergeordnet und der Platz auf dem Podest, auf den ich ihn gesetzt hatte, war besetzt. Kein Wunder, dass ich in dieser mehrmonatigen Phase gequält wurde von Ungewissheit, Verdrängen und vor allem von Verlustangst.
Das Problem löste sich nach etlichen ereignisreichen Wochen von selbst, indem er sich trennte. Natürlich ging es mir damit zunächst nochmals schlechter, denn nun trat die Trauer auf den Plan. Die Phasen von Verdrängung, Traurigkeit, Tränen und später Wut wolten durchlebt werden.
Als ich bei der Wut angelangt war, aus der ich nicht mehr rausfand, ging ich zu einem Therapeuten zu einem Beratungsgespräch, das mir entscheidend weiter half.
1. Das Gespräch war irgendwie entlastend für mich, denn der Therapeut war völlig wertneutral. Es gab keine Verurteilung, kein Mitleid. Es war wie es war.
2. Eigentlch wollte ich über ihn sprechen, aber das war nicht das Thema. Er blieb ziemlich außen vor, denn erstaunt bemerkte ich, dass es nur um mich ging. Ich wurde gefragt, wie meine Kindheit verlaufen war, wie ich aufgewachsen war, wie meine Eltern waren und was sie erlebt hatten, weil sich alles weiter trägt. Ich merkte, dass ich bestimmte Muster wiederholte - immer wieder, indem ich in Beziehungen kam, die nicht so recht funktionierten und mir nie das erhoffte Glück brachten. Und das war aus dem Unterbewussten gesteuert, weil da die Ängste oder auch traumatische Erfahrungen abgespeichert sind und immer wieder an die Oberfläche drängten.
Aber ich hörte sie nicht, ich nahm sie nicht wahr, ging weiter mit Scheuklappen durchs Leben. Und dieser Mann war nichts weiter als ein Symptom der inneren Krankheiten die mich quälten und belasteten. Aber der Mann als solcher war uninteressant und kam nicht groß zur Sprache. Also nichts mit Mitgefühl und der Bestätigung, dass er ja völlig daneben war, während ich die gute war.
Es kam ein lang andauernder Prozess in Gang, während dem ich die Beziehung zu meinen Eltern überdachte und mich an meine Kindheit erinnerte. Was war gut gelaufen, was hatte mir Angst gemacht, wie hatte ich mich als Kind oft gefühlt?
Ich fühlte, dass ich die Ängste die ich in Beziehungen regelmäßig fühlte, altbekannt waren und dass mein Verhalten dem des Kindes von damals ähnelten, das schwieg und sich in sich zurückzog und wusste, es musste alles mit sich allein ausmachen. Denn es gab kaum eine Resonanzfläche für mich, der ich vertraute, außer den Großeltern, wo ich die gleichbliebende Liebe erfuhr, die ich bei meiner Muttter nicht fand. Denn da war Leistung gefragt und ich sollte Ansprüche erfüllen. Liebe war an Leistung gekoppelt und mein Vertrauter war ein Stoffpinguin dem ich alles erzählte.
Ich wollte, das die Verletzungen von damals heilten und praktisch überschrieben würden von einem, der da kam und mich heilen würde. Das geht leider nicht, denn keiner kann die Verletzungen eines anderen heilen, denn jeder ist ja mit sich selbst beschäftigt und lebt auch vieles nach, was er erfahren hat.
Ich suchte den Ritter auf dem edlen Ross, der mich retten würde - und es nicht tat. Niemals, denn auf der Erde gibt es keine Märchenprinzen und beschützenden Ritter, auf die immer Verlass ist.
Mit der Zeit nahm ich es an, was ich fühlte, was aufkam und merkte, dass ich nie richtig gelernt hatte, dass ich gut zu mir sein darf, dass ich liebenswert war und dass ich achtsam und sorgsam mit mir selbst umgehe. Stattdessen quälte ich mich mit hoffnungslosen Fällen herum.
Ich hatte viel zu wenig Selbstliebe, stattdessen blühten Selbstzweifel und Kleinmut. Ach nein, das traue ich mir gar nicht zu, also Finger weg davon. Ich kann das nicht und wenn doch, dann nicht gut genug. Ich müsste besser sein, gescheiter, selbstbewusster. Müsste, aber ich war es halt nicht.
Aber mit der Zeit übte ich es, besser mit mir umzugehen, auf mich zu hören und auch den Bauch zu Wort kommen zu lassen. Ich sprach mir gut zu, lobte mich, wenn etwas gut gelaufen war und hörte auf, auf die ständigen Selbstzweifel zu hören. Die waren einfach ein Produkt meiner Erziehung und nichts weiter.
Das muss man regelrecht üben und lernen und man darf nie aufhören, in sich hinein zu fühlen und da, wo es nötig ist, etwas besser zu machen oder einfach sein zu lassen. Ochsen kann man nicht melken und untaugliche Männer werden nicht besser und honorieren es auch gar nicht, wenn man ihnen nachläuft. Man macht sich allenfalls lächerlich und zeigt, wie wenig man von sich selbst hält.
Das siind so Dinge, die ich Dir ans Herz legen möchte. Übe Selbstliebe und höre auf, auf selbst gemachte Selbstzweifel zu hören und Dich selbst in Frage zu stellen. Du bist nicht auf die Welt gekommen, um zur Partnerin dieses Ukrainers zu avancieren. Du bist auf die Welt gekommen, weil Du eine Chance im Leben verdient hast. Und dafür musst Du auch selbst was tun: Gut zu Dir und mit Dir zu sein oder zu werden. Und dazu brauchst Du nicht mal einen Therapeuten.