Wow, danke.
Du triffst das sehr genau mit dem apokalyptischen Reiter, ich musste gerade echt doch mal grinsen.
Erstens- mein Trauma- und Krisenmanagement der letzten bestimmt 30 Jahre bestand vor allen Dingen daraus, mir zu sagen
werd scho wieda, gibt Ärgeres und dann zum Beispiel weder eine Pause einzulegen noch in Kur zu gehen oder den Onkel Doktor zu fragen, sondern volle Fahrt voraus loszulegen- womit auch immer. Noch ein Kind zu bekommen, noch einen Job dazu, ein Großprojekt irgendeiner Art starten, den Garten umzugraben oder einfach mal zu joggen anzufangen. Wenn man nicht darüber zu genau nachdenkt, geht es auch wieder weg oder bestimmt einen auch nicht, war so meine Devise. Und: Lass dir nur nichts anmerken.
Zweitens- man kann bei mir prima emotion buttons drücken, wenn man nur weiß, wo. Und wenn einer die geschicktestens zu drücken vermochte, dann die Zecke. Sich in fantasievollster Weise zwischen meine Beine zu labern und zu schreiben, sorry hoffe keine Kinder lesen mit, war bestimmt ein Projekt, das erstens mal seine Langeweile gründlichst vertrieben hat und zweitens ihn dann selbst ziemlich mitgerissen hat, high emotion seeker trifft es als Beschreibung für ihn nämlich auch. Ich glaube, ich war eine Zeitlang regelrecht eine Obsession für ihn. Und zwar nicht, weil ich so gnadenlos toll wäre, sondern weil ich so unerreichbar war. Betrunkene und Narren sagen oft mal wahre oder interessante Dinge- als er einmal ein paar B. zu viel hatte, sagte er in einem kuscheligen Moment: *ich hätte ja nie gedacht dass ich es tatsächlich schaffen würde die Frau auf der deutschen Webseite mit ihrem Töpferkram wirklich zu bekommen* Chase and kill und so weiter, schon klar.
Den Moment, als wir das erste Mal ihr wißt schon was hatten, werde ich nicht vergessen, da hat er mich dabei so eindringlich beobachtet und gesagt- it`s real. This is real. This is real now.
Drittens- meine natürlichen Verteidigungs- und Abgrenzungsmechanismen auszuhebeln ging mit der Zeit immer besser. Abgrenzen tat sehr weh, wieder zuwenden tat sehr gut- außerdem war das die ganz große Liebe, erkennbar schon allein, dass es dauernd entweder unglaublich schön oder unglaublich schmerzhaft war. Liebe ist, wenn`s weh tut, schon klar. Ironie aus.
Viertens- ich hatte so dermaßen die Verbindung zu mir verloren, wenn das so sagen kann, dass ich mit Schwindelgefühl, hallenden Geräuschen im Ohr, Mundtrockenheit, Herzklopfen, Stechen in der Brust und Übelkeit tatsächlich noch in die Arbeit gefahren bin, immer schön nach dem Motto *in Afrika verhungern die Kinder und du stellst dich wegen Liebeskummer so an, reiß dich mal zusammen*. Dass das der letzte Warnschuss vor den Bug war, hab ich mir schlicht und einfach erst eingestehen müssen.
Fünftens- das böse böse sich Eingestehen. dass es mitnichten die große Liebe war und sich auch nicht wunderbarerweise in genau die verwandeln wird- egal ob Affäre, Ehefrau, brexit, Distanz etc. Dass ich genau das getan habe- die Zügel jemand anderem überlassen, wieder und wieder. Dass ich genau jetzt die Kertwendung machen muss- und zwar ICH. Dass er nächstes Jahr demnächst wieder mal Langeweile bekommt und sich fragt was ich so treibe und ob es das tatsächlich war, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Hatten wir ja schon. Und zwar unfehlbar immer dann wenn ich wieder gut drauf war, wie vorher schon erwähnt. Und sobald er ernsthaften Widerstand spürt oder halt eben keine Reaktion mehr von mir, spornt ihn das umso mehr an, kenne ich auch. Wurde dann von mir gerne mit *oh er liebt mich doch* verwechselt.
Sechstens- die Leere. Ja klar. Die macht sich bemerkbar. Er war nämlich emotional und so rein zweitmäßig schon recht präsent. Und ist ständig in meinen Gedanken herumgeturnt. Da ist jetzt Kapazität frei. Würde für einen Nebenjob reichen wahrscheinlich.
Ich schreibe das hier so ausführlich, weil ich mir gerade immer und wieder klar mache, dass es gut ist, dass das vorbei ist. Dass es dieses Mal nicht das Hintertürchen in die nächsten Telefonate, Treffen, den nächsten Wahnsinn geben wird.