Mein Umzug und mein semideprimiertes Dahindämmern sind vorbei- schon alleine wegen der vielen Arbeit die hier auf mich lauert, wenn ich nach Hause komme. Es ist spannend zu sehen, wie Raum für Raum so wird, wie ich mir das vorstelle. Mit so wenig Mitteln und Möbeln wie möglich.
Am meisten hat die winzige Küchenecke Spaß gemacht, die mit meinem ehemaligen Hausfrauenverliess mit Einbauküche und tausend Schubladen und Oberschränken nichts mehr gemein hat. Alles neu und weiß, auch die Arbeitsplatten, Regale statt Oberschränke und eine nette kleine Spülmaschine, die das tut, was ich hasse. Tassen an Haken und Pfannen ebenfalls- ich kann mit ein paar Handgriffen und einer Körperdrehung die Küche auf Hochglanz polieren.
Das winzige Wohnesszimmer ist so gemütlich dass ich hauptsächlich darin wohne- meine geliebte Couch ist natürlich mit umgezogen. Ich hab ihr Schafffelle spendiert. Der Couchtisch ist ein alter und jetzt frisch gewachster Stallschemel meiner Uroma und die guten alten Esszimmermöbel Kiefer verschmiert und zerkratzt ( ehemals gelaugt und geölt) hab ich mittels weißer Farbe, Schleifpapier und Essigrostlösung in etwas Neues verwandelt. Da das Zimmer schmal und klein ist, hängt der wirklich größtmögliche Spiegel über dem Esstisch und darunter ein Regalbrett für Kerzen und Vasen. Das einzig dunkle ist mein Jugendstilbuffet. Jaaa- langweilig, ich weiß. Aber doch interessanter als über vergangenen Blödsinn nachzuhirnen.
Das Bad ( sorry, ich muss jetzt einfach über die Wohnung weiter schreiben) ist dafür riesig, mit tempelartigen Ausmaßen und dann einer so kleinen Badewanne, dass meine Füße ab den Knien aus der Wanne ragen.
Ich hab zwar keinen Keller oder Speicher, aber zwei Arbeitszimmer und einen gar fürstlich großen Carport im ehemaligen Stall- nehme ich mal an. Oder da stand mal der Traktor. Oder früher die Kutsche.
Ich könnte Pferde ohne Ende im Stall unterstellen hier, leider hab ich halt keine. Und auch sonst gibt es nur Norbert den Hofkater und dann die anderen Hofbewohner in ihren jeweiligen Wohnungen. Norbert erwähne ich als Erstes, weil er mir seit dem Einzug Mäuse schenkt.
Ich fühle mich eigentlich wohl. Oder gewöhne mich an mein neues Leben. Werkle in der Wohnung herum, trinke manchmal ein Feierabendbier mit den Anderen im Hof, freue mich auf das Wochenende, fahre Rad.
Und manchmal hab ich auch Tage, an denen mich die letzten Jahre einholen und ich fürchterlich müde und traurig bin. An denen mich Erinnerungen einholen. An denen ich Heimweh habe nach etwas das es nicht mehr gibt.
Leider- trauriges Kapitel- hat der Schotte nach endgültiger Diagnose und angefangener Therapie mich schlicht und einfach emotional überfordert. Es geht ihm soweit viel besser, aber ich bin sein einziger Lebensinhalt und Ansprechpartner geworden und das hält, sorry, kein Mensch aus.
Während er in seinen geliebten house pants auf der Couch mehr oder minder leidend lagert und den lieben Herrgott einen guten Mann sein lässt, arbeite ich die ganze Woche und musste OP samt Umzug stemmen. Als er das letzte Mal hier war im November musste ich die ganze Zeit fahren, einkaufen, kochen und caring und loving sein. Mach ich ja gerne. Ging ihm ja nicht sooo gut und dann die deutschen Autobahnen... Aber irgendwie hat dann etwas plötzlich revoltiert in mir , als es um Kiste ging und das wurde nicht besser bis heute.
Und dann kam jetzt der Abend als er mir am Telefon ausgiebig von diversen Leiden wie Nasenbluten, wundem Hintern ( sorry ) und Übelkeit erzählte, hat die gute Freundin in mir zugehört, ganz klar. Dann meinte er aber- next time we meet we HAVE to make love, darling, thats months ago since we last did it.
Und dann wars vorbei in mir. Geht nicht. Aber der Typ vor mir war doch fünf Jahre älter, meinte der Schotte düster und jeder wird mal älter. Ja klar, sagte ich, aber erstens kennen wir uns noch nicht so lange und zweitens waren sowohl NM als auch Zeckerich ( trotz seines Alters) echt körperlich gut drauf und gerade Zeckerich echt 6y, sorry. Und klar kommt es nicht darauf an, aber .... naja. Aber.
Des Schotten riesige Bedürftigkeit und Klammerigkeit tötet echt alles, Krankheit hin und Krankheit her.
Du bist unbarmherzig und kalt, meinte er.
Hm, dachte ich.
Vielleicht.
Aber meine kleine schwester ist krank geworden jetzt, Krebs, und ich würde alles für sie tun was sie braucht. Das wird auch vielleicht so kommen und ich werde sie dann zu mir nehmen und will dass sie bei mir ist während ihrer Behandlung. Und es ist auch schon sehr weit fortgeschritten, also kann es gut sein dass sie stirbt und ich will dass sie dann mit ihren Miezis hier sein kann. Und all ihren Lieblingssachen. Aber das ist etwas anderes.
Das ist meine Schwester.
Ich bin bisschen traurig und vermisse den Schotten ziemlich arg. Aber es hat sich angefühlt als würde eine Krake nach mir greifen.
Ich kann das so einfach nicht mit ihm.