Ich sitze über den Hausaufgaben, die meine drei Sprachschülerinnen gebucht haben und mir fliegt gleich das Blech weg. Mir kann es ja egal sein, dass die drei britischen Damen ermattet von ihren Gattinnenpflichten keinen drive mehr hatten zum Selbstdenken und ihre Hausis einmal durch den Googletranslator gejagt haben. Und dass sie teuersten Einzelunterricht mit Hausbesuch bei der Sprachschule gebucht haben. Und genau nichts lernen.
Irgendwie hatte ich auch grad einen schwachen Moment und dachte, ich würde auch mal gerne so die Füße hochlegen wie die Ladies- bisschen Fitness, bisschen Tennis....
Aber egal.
Den nächsten schwachen Moment hatte ich als mir die anstehende Leistenbruch OP einfiel und der ebenfalls anstehende Umzug.
Nochmann war kurz da, um Unterlagen abzuholen und da ich gerne Dinge beim Laufen durchspreche, gingen wir eine kleine Runde. Böser Fehler. Eh schon bisschen angefressen durch allerlei trübe Gedanken bekam ich bei meiner/ unserer früheren Laufroute einen dicken Heulanfall.
Weil ich wegziehe, weil wir es beide so versiebt haben, weil das mal mein Lieblingsweg war - und überhaupt. Weil ich statt gediegen um unsere Beziehung zu trauern und damit abzuschließen, mich vier Jahre lang mit sämtlichen Nervensträngen an diesen blöden walisischen Zwerg verschwendet habe. Wie blöd kann man sein.
Vier Jahre.
Ja, mir gehts auch so, meinte Nochmann empathisch.
Was, fragte ich, wie jetzt- du wolltest doch wohl deine Dingsda, war ja nicht meine Idee. Und so einen Zeckerich hattest du auch nicht. Dat fehlte noch, meinte er bescheiden, aber ansonsten geht es mir genauso. Sag wenn ich dir helfen kann.
Du kannst mir die verflixte Küche für die Wohnung planen, da warst du immer Spitze drin, sagte ich. Und den Kram dafür im Netz zusammensuchen. Ich hasse das.
Geht klar, meinte er, kein Ding.
Und dann fiel mir unser Hollandurlaub ein, im eisigsten Januar vor 26 Jahren. Das war das erste und einzige Mal für viele Jahre danach, dass wir beide ganz alleine waren, ohne meine Tochter. Und nicht bei seinen hochkatholischen Eltern, die uns immer getrennt an wirklich weit entfernten Orten im Elternhaus einquartierten.
Es war so kalt dass es einem die Braue in die Stirn fror, das Fischerhäuschen war auch bitter kalt und wir waren hauptsächlich im Bett. Wir aßen einmal sogar im Bett zu Mittag, als die Heizung ganz den Geist aufgab.
Und wir spielten turniermässig Malefiz und Scrabble, ich hab die ganze Zeit verloren.
Ich hatte ewig nicht mehr an diese acht Tage gedacht.
Komisch, wie fremd man sich werden kann. Wie Intimität und Zärtlichkeit verschwindet.
Mir fiel ein Morgen ein, als meine zweite Tochter grade geboren war und ich sie morgens im Bett stillte. Er hatte sich an uns gekuschelt, es roch nach Schlaf, bisschen Schweiß und Muttermilch und Bett. Und ich war bisschen zu fett so kurz nach der Geburt, das lila Schlafihemd echt grausig, die Bettwäsche ganz schlimm 80iger mäßiger Seersuckerkram in türkis, lila und schwarz. Und ich war ziemlich sehr und fürchterlich glücklich in dem Moment. Vielleicht erinnere ich mich deshalb so genau.
Und dann erinnerte ich mich an den Abend, als mir das Dingsdaszenario in voller Bandbreite dämmerte und ich heulend fragte, ob das stimmt, ob er wirklich in diese Frau verliebt ist. Und als er schwieg, wurde mir klar- oh je, stimmt. Und ich dachte in dem Moment- wie blöd. Kann aber doch nicht sein. Nicht diese Trulla. Das darf jetzt aber nicht wahr sein. Nicht nach der Zeit jetzt in der wir so glücklich waren. Kinder groß und nur wir beide uns wieder so nahe. Nee. Ist ein Irrtum.
Und dann ist Woche für Woche, Tag um Tag wie im Zeitraffer Tür um Tür zwischen uns zugefallen. Bis wir endgültig getrennt waren.
Und jetzt weiß ich, dass wir beide nicht zurück wollen, aber dass wir traurig sind um das, was wir mal zusammen hatten. Mit Recht. Es war gut, was wir hatten.
Der Schotte hat mir heute ein paar fürchterlich unwitzige Witze erzählt und dann gesagt, dass er sich zur Beerdigung als Musik * Paranoid* von Black Sabbath wünscht. Vielleicht wartest du mal die Biopsie ab, meinte ich. Und dann nicht das Lied, bitte. Stell dir mal die Sargträger dabei vor.
Weißt du, fragte er, was mein glücklichster Moment letztes Jahr war?
Als du so vollkommen hin und weg von der Vogelinsel in den Farn Islands warst und so glücklich gelächelt hast. Und nur wir beide für eine Woche.
Wieso schlafen wir nicht mehr miteinander, fragte er unvermittelt. Seit Herbst, als ich da war.
Weil ich es nicht mehr kann, meinte ich. Ich kann mich nicht mehr so öffnen. Geht nicht. Ich weiß nicht wieso.
Weil du Angst hast es geht dir sonst zu nahe wenn du mich verlierst?
Ja, auch, meinte ich. Doch, sehr sogar.
Und weil ich nur den Wunsch habe, mich zusammen zu rollen und für mich zu sein, niemand der mich berührt.
Und ich fühle mich hässlich.
Das macht nichts, meinte er. Ich mag dich, egal was wir tun.
But I wouldnt mind a good shag.
Ich musste lachen.
Manchmal weiß man einfach nicht, wie eine Geschichte ausgeht, meinte er. Aber solange du in der Geschichte bist ist sie gut.
Das war so ein komischer Tag, so viele intensive Gefühle. Vielleicht ist das so, wenn man anfängt, sein Leben zu ändern?
20.01.2019 00:16 •
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