Ja, Couch und ich- wir verstehen uns.
Da ich etwas vergrippt erwacht bin am Freitag morgen, beschloss ich, mal dieses Lemsip Pulver zu probieren, das der Schotte dagelassen hatte. Hilft gegen alles an Erkältungsgefühl, angeblich.
Es muss irgendwie auch irgendwas Wachmachendes drin gewesen sein, denn ich war schon Stunden vor Feierabend mit sämtlichen Arbeiten durch- oder vielleicht lags an den Punkrock CDs meines Kollegen, jedenfalls war ich bis abends hellwach und gruseligerweise schon fast hyperaktiv.
Und dann kam ich nach Hause und holte eine ellenlange Epistel des Zeckerichs aus dem Postkasten. Getippt diesmal und ausgedruckt, insgesamt 27 Seiten lang. Ja klar hab ich die gelesen. Schön zusammengeheftet und in einer Mappe.
Anscheinend länger kein Wirtstier in seinem Leben gewesen, denn da muss er ordentlich lange geschrieben haben. Angefangen hat seine Art Tagebuch letzten Dezember und es endete so ca vor einem Monat.
Und es ähnelt ein bisschen meinem Thread hier- der Versuch, nach einer 1000 Volt Geschichte wieder neu anzufangen.
Ziemlich gut beschrieben seine anfängliche Erleichterung nach der Trennung , seine Aggressionen gegen mich, sein Misstrauen, seine Besessenheit in meine Gedanken zu kriechen.
Die Unfähigkeit, mit sich klarzukommen, mit der Leere. Die Unfähigkeit, sich zu spüren, irgendetwas zu spüren.
Die kleinen ironisch erzählten Szenen- er alleine in der Stadt, fest entschlossen sich zu amüsieren. Seine fiktiven Dialoge mit Hilde, der schwarzen Sträunerkatze am Ende der Straße, wenn er aus der Stadt nach Hause lief. Ich hatte sie Hilde genannt damals.
Und ich in seinem Kopf, mehr und mehr eine stets kommentierende und beobachtende Fantasiefigur in seinen Gedanken.
Seine Angst vor dem Altwerden.
Die Gewissheit, diesmal den Karren endgültig an die Wand gefahren zu haben und die Leere danach.
Und immer wieder am Ende jeder Szene Hilde oder ich als sarkastisch kommentierende Beobachter.
Seine Ausflüge in die Datingwelt, die so selbstironisch geschrieben waren, bei denen er sich innerlich distanziert dabei beobachtet hat, wie er interessant und charmant sein wollte und bei all dem oft vergessen hat, der Dame jeweils auch mal zuzuhören.
Das Gefühl, sich nur spüren zu können durch extreme Emotionen, großes Gefühlskino, Drama, Herzklopfen, Tränen oder absolut High sein.
Ja ja, sehr krank das alles, dachte ich beim Lesen- aber sauwitzig beschrieben bei all der leicht ironischen Distanziertheit. Google mal deine Symptome, Zeckerich!
Und ist dir klar, was du da beschreibst?
Je weiter ich für ihn weg war über die Monate hinweg, desto stärker wurde auch seine Gefühle für mich- oder die Fantasiefigur in seinem Kopf.
Er trifft eine Frau in einem Café, das erste Date. Sie ist hübsch und auch sehr liebenswert. Lacht viel und ist ein bisschen nervös.
Er erzählt von sich, sie erzählt von sich. Wie sie wohl küsst?
Er hat das alles vermisst- und ja, 7 fehlt ihm auch. Er ertappt sich dabei, sie in Gedanken zu beschreiben, das Date zu beschreiben. Mir? Der Fantasiefigur in seinem Kopf, die ich mal war? Und warum?
Die Frau stellt eine Frage, er bemerkt, dass er nicht zugehört hat. Sie ist etwas irritiert. Er stellt auf einmal fest, dass er gerne zuhause wäre jetzt.
Oder eines unserer ausufernden wahnsinnigen und alles in Einzelteilen zerlegenden stundenlangen Telefongespräche führen würde.
Das Ende seines Briefs oder seines Tagebuchs war eine reale Erinnerung an mich, als ich einmal am Arbeiten war und er mir zusah.
Warum modellierst du so oft Echsen, fragte er. Ich weiß nicht, sagte ich. Sie faszinieren mich. Ihre Bewegungen. Das Fremde in ihrem Blick, wenn man das überhaupt so sagen kann. Something in their vacant gaze inspires me somehow. Maybe I m a lizard, meinte er. Cold blooded, meinte ich und wir mussten lachen.
Er hat sich und seine Gedanken ziemlich treffend beschrieben und ich hab teilweise laut gelacht bei manchen Schilderungen. Vor allen Dingen über Hildes Sicht der Dinge. Aber ich war nicht traurig oder wehmütig danach. Oder wollte ihn wiedersehen. Oder war gar beschwingt beim Gedanken daran, dass er noch an mich denkt.
Oder hatte Mitleid. Der kommt schon klar, der alte Stinkstiefel.
Aber es war wie eine Ergänzung und ein Abschluss zu meiner Geschichte. Vielleicht die Bestätigung für mich, dass es einfach unmöglich war, eine normale Beziehung mit ihm zu führen. Wie seine Uschi das 35 Jahre lang das gemeistert hat- naja, Schwamm drüber, nicht mein B.
Ich glaube, ich bin wirklich froh, wieder in mir angekommen zu sein.
Was mich daran erinnert, jetzt mal mein Mittagsstündchen auf der Couch zu beenden und mich an die Arbeit zu machen.
17.11.2018 14:15 •
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