Ich will nicht, dass irgendjemand merkt wie es mir geht. Ja, ich weiß, ich hab Freunde, ich hab eine Familie. Und es ist unvernünftig, es in sich hineinzufressen. Aber sie haben mich im Sommer das letzte Mal am Boden gesehen und ich hab mir danach geschworen, das wird nie wieder passieren. Ich will nie mehr, dass eine meiner Töchter an meinem Bett steht, weil ich im Schlaf schon wieder geheult habe und mich dann fragt was los ist. Das Einzige was ich will, ist mich verdammt nochmal zusammenzureißen und weiter zu machen. Andere haben viel Schlimmeres erlebt als sich vier Jahre lang von einem Erzdeppen verA.en zu lassen und machen ihr Ding und jammern nicht.
Was immer wieder in Wellen und Wellen kommt ist so eine Art Schrecken und dann Scham.
Wen habe ich in mein Leben gelassen? Wem habe ich vertraut, in mein Haus geholt, mit ihm geschlafen, wem hab ich meine Gedanken anvertraut, mit wem hab ich da stundenlang geredet. Wem hab ich da so vertraut, dass ich ihm so viel über mich erzählt habe?
Und das Schlimme ist- genau hier war ich schon einmal, genau an der Stelle. Im Dezember und Januar vor drei Jahren.
Ich muss es für mich aufschreiben, glaube ich, noch einmal. Um mir endlich einzugestehen...naja. Dass ich offenen Auges in die Kreissäge gelaufen bin.
Wir hatten uns kurz vorher iene Woche lang gesehen und ich hatte gesagt, ich kann einfach keine Affäre sein, so möchte ich nicht leben. Nach einem Telefonat voller innigster Liebesschwüre und anderem Gesülz nachdem er seiner Frau von uns erzählt hatte, kam am nächsten Tag nichts und am übernächsten Tag eröffnete er mir, dass er gerade wenig Zeit hätte, sie wären übers Wochenende bei den Enkelkindern und er renoviere gerade sein Schlafzimmer/ Gästezimmer. Und er brauche gerade Zeit für sich, also könnten wir ja nach Weihnachten wieder telefonieren. Da ich damals noch kein Affärenfuchs war, wußte ich nicht dass das im Klartext hieß *Ja, ich hab meiner Frau gesagt, ich möchte mich trennen, aber wir haben gerade ein Eherettungsprogramm gestartet und haben uns leidenschaftlich versöhnt, weshalb ich wieder ins Schlafzimmer gezogen bin und das Gästezimmer endlich mal streichen kann, Mausi. Desweiteren ist jetzt Merry Xmas angesagt- melde mich aber bestimmt, Küßchen*
Perfiderweise ließ er mich aber dann monatelang an seiner häuslichen Situation per Mail und am Telefon teilhaben und immer wenn ich völlig verzweifelt abspringen wollte, schrieb er mir glühende Briefe, dass es nur eine Frage der Zeit war. Ja, er sage immer wieder, er wolle ausziehen, aber es sei so schwierig und seine Frau leide so unheimlich und sie stritten dauernd. Das zumindest war keine Lüge, das hat sie wirklich. Im März dann kam es zum Gau, als seine Frau auf seinem Handy eine Nachricht von mir fand, mich von seinem Handy aus anrief und mich anbrüllte. Als er ihr das Telefon entwinden wollte, kam es zum Kampf, ich hörte nur Brüllen und Krachen und Geschrei. Sie hatte sich mit einem Messer auf sein im Zimmer liegendes Hemd gestürzt, er ist samt Handy geflohen, sie schmiss ihm seine Sachen hinterher. Zu mir sagte er, er sei jetzt endlich frei und wir könnten uns sehen. Einen Tag später dämmerte ihm wohl dass er irgendwie doch nicht so frei war und ging wieder nach Hause statt auszuziehen. Sie nahm ihn wieder auf, aber verlangte, er solle mich sofort anrufen und mit mir Schluss machen. Er verlangte aber, dass er das alleine macht, ohne Mithörer. Er rief mich an und sagte, er sei zwar so gut wie frei, bräuchte aber noch Zeit um seine Sachen zu ordnen und wir sollten eine Pause von einem Monat machen. Und ich solle mir schon Gedanken machen, wo wir uns sehen und wie es danach weitergeht. Auf Affärensprech: *Wenn ich dich jetzt noch einmal kontaktiere, bin ich geliefert, ganz ganz rote Karte- aber bleib mal am Ball, melde mich*
Seine Situation wurde zuhause naturgemäß nahezu unerträglich, lückenlose Kontrolle, ich wurde für seine Frau zur Obsession und Streit nahezu jeden Tag. Im Juni machte er einen Kurs in Spanien, ich sollte ihn da besuchen, er hatte mich per Telefon bekniet und besäuselt und ich hab ihm wieder vertraut- und den Flug gebucht. Einen Tag vorher sagte er ab und sagte, es liefe irgendwie so besch.issen und er könne mich in der Verfassung nicht treffen. Ich bin am Telefon explodiert und wollte das Geld für den Flug wieder. In seiner umnebelten Verfassung überwies er es vom gemeinsamen Konto, seine Frau sah das auf dem Auszug, rief mich an und wir hatten ein mehrstündiges Gespräch über die Zeit vom Anfang unserer Affäre bis zu dem Tag. Ich war so wütend und als sie sagte, sie wollte die lückenlose Wahrheit über alles auf dem Tisch, aber über alles, sagte ich, ich wolle das bitte auch. Ich muss sagen, ich hab ganze Passagen aus ihren Berichten wiedererkannt von seinen Mails- und auf einmal passte alles zusammen. Sie hatte Kalender und ihr Tagebuch neben sich. Und für sie machte das auch endlich mal Sinn. Sie hatte sich nicht recht erklären können, warum eine einigermaßen intelligente Frau dermaßen kopf- und schamlos einem verheirateten Mann hinterläuft und reist- bis in die Türkei, der ihr immer wieder zu verstehen gibt, dass er sie nicht liebt. Ich konnte im Gegenzug nicht verstehen, warum ihn eine Ehefrau quasi von der Bettkante aus anflehen sollte zu bleiben nachdem er ihr gesagt hatte dass er nur mich liebt und sie nicht mehr begehrt und so weiter und so fort. In diesem Gespräch zumindest verstanden wir uns vollkommen, sie und ich, das muss ich zugeben.
Ich war so wütend, dass ich ihn ohne mit der Wimper zu zucken in mundgerechte Stücke hätte zerlegen wollen. Leider leider nämlich klang das alles sehr plausibel.
Nach dieser Episode flog er aus dem Haus und kontaktierte mich wieder. Sie hatte den Söhnen die leider nicht jugendfreie und sohnesgrechte Fassung der Geschehnisse und Abläufe erzählt, Trennung wurde vollzogen, Finanzen geregelt.
Ich war wütend und wollte ihn nie mehr sehen, aber da er ein begnadeter Schreiberling ist, schaffte er es, mich wieder weich zu bekommen. Ja, er habe gelogen. Ja, das war unverzeihlich. Ja, er sehe alles ein. Er habe gelogen aus Feigheit und weil er keinen Ausweg für uns sah, er wolle ab jetzt mit mir ein Leben haben, das frei von solchen Lügen sei...und so weiter. Großes Kino. Das kann er wirklich. Er hat mal eine Geschichte für mich geschrieben die so saugut war, dass ich für Wochen vollkommen darin aufging, jedes Mal wenn wieder ein Kapitel fertig war- schreiben kann er, was das Zeug hält.
Und dann waren wir wirklich so zusammen wie ich das immer wollte- keine Lügen, keine Geheimnisse, alles offen und wir konnten uns immer sehen, wann wir wollten.
Seine Frau natürlich war sehr verbittert über diese Wendung. Die Aktionen, die sie gebracht hat waren grenzwertig und wurden immer irrsinniger, gerne über die Feiertage wie Weihnachten.
Ich hab oft versucht, sie objektiv zu sehen.
Ansonsten wollte ich mit aller Kraft daran glauben und alles dafür tun, dass es ...gut wurde. Ich hatte so viel deswegen geheult und gelitten, das mußte doch jetzt einfach endlich gut werden, endlich, wenn alles geklärt ist. (Denkfehler deluxe)
Und natürlich hab ich alle Puzzleteile eifrig gesammelt die zum Puzzle er und ich gehörten- dass ich einen Schlüssel für sein Haus hatte, dass wir uns immer sehen konnten, dass er meine Kinder kennenlernen wollte, dass wir Pläne hatten, dass er so oft sagte, die Beziehung mit mir sei für ihn das Wertvollste was er habe im Leben, dass er...
Ich werde nie den Abend bei seiner Schwester und mit seinen vier Brüdern vergessen, an dem er von den Sachen erzählte, die wir gemacht haben. Von unseren Insiderwitzen, von mir, von meinen Kindern. Ich war absolut ahnungslos und wie vom Blitz getroffen am nächsten Tag, als er total verändert war.
Ich hab mir auch ehrlich gesagt noch einmal die letzte Jahre genau angeschaut und gesehen wie ich sie mir oft zurechtfantasiert habe.
Ich war im Sommer so am Boden zerstört, dass ich Wochen brauchte, um wieder auf die Füße zu kommen. Ich hab versucht, keine Jammergestalt zu sein, aber Freunde und meine Töchter haben schon mitbekommen dass ich oft insgeheim oder weniger heimlich am Heulen war und waren so geduldig und lieb. Und haben auch noch Zeit dafür geopfert mir zuzuhören.
Und dann renne ich erzdoofe Kuh ein weiteres Mal los-und mache genau das Gleiche wieder.
Wieso?
Ich hab das Gefühl, ich kann mir und den Leuten um mich herum nicht mehr in die Augen schauen. Das ist das Ärgste. Ich hab das Gefühl, ich kann mir einfach nicht mehr vertrauen, gut von mir denken. Ich kann mir das nicht verzeihen.
Die Affäre an sich ist etwas anderes. Wenn mir jetzt irgendso ein Moraladler ins Ohr krächzt- du würdest dir jetzt auch keine Gedanken machen blabla wenn du jetzt die first lady in seinem Leben wärst- muss ich die nächste Flinte greifen und ihn abknallen. geschützte Tierart oder nicht. Nee klar. Wenn wir jetzt glücklich zusammen wären, würde ich nicht über Sinn und Wesen und Leid von Trennung, Betrug, Affäre grübeln. Welch Erkenntnis.
16.12.2017 16:18 •
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