Eigentlich habe ich den Kurs genauso geschafft wie ich es mir vorgenommen habe- fast ein bißchen besser. Wenn ich mal so ein bißchen stolz darauf sein darf... Und ja, das muss ich mir ehrlich eingestehen, ich war auch bißchen verächtlich unterwegs, wenn ich an des Zeckerichs grausige Schilderungen so eines Tesol- Kurses dachte, wie anstrengend die sind, wie sehr mich das überfordern wird, wenn ich keine Hilfe habe- bis zu seinen absolut blöden Bemerkungen, dass der Kurs ja für Muttersprachler ist und ich ja allenfalls- wenn er jetzt mal ehrlich ist- Sprachniveau B2 habe, allerhöchstens schwaches C1. So ein Depp, ich hab in B2 und C1 unterrichtet und ich war jetzt auch nicht die Schmach der Kompanie und hab die Stunden geschafft. Und zwar auch noch 60 Minuten über Idioms, würde ich nie mehr tun, aber ich bin durchgekommen. Der Zeckerich war einfach vor zwei Jahren während seines Kurses faul, hat sich nicht vorbereitet und dann waren alle anderen schuld- die Tutoren, das Kursprogramm... Und dann mußte man am Telefon herumschniefen und es an mir auslassen. Schwächling. Weichei. So typisch wieder mal. Und auf meinem Englisch herumzuhacken ist auch so typisch. Ich war zwar die Tollste, Beste, Schlaueste- aber nur solange man mich durchkontrollieren und gängeln konnte.
Soweit so kindisch. Aber wenn man das gesamte Selbstwertgefühl so dermaßen im Keller hatte, ist bißchen Kopfhoch und Stolz erlaubt, hab ich beschlossen.
Und jetzt bin ich wieder zuhause. In den letzten beiden Tagen geht es mir so lala- ich hab schon damit gerechnet und mich innerlich gewappnet.
Ich habe mir mein Tagebuch des letzten Jahres durchgelesen und bin ehrlich gesagt erschrocken darüber, wie sehr ich mich geschämt und mich selbst dafür gehasst habe, dass es mir so schlecht ging. Die Tage, in denen ich würgend und zitternd mit Herzrasen herumgesessen bin und mich oft nicht erinnern konnte, wie ich in die Arbeit gekommen bin. Man hätte mir den Führerschein entziehen und mich ins Bett packen sollen, stattdessen hab ich mir noch in den Hintern getreten und mich eine dumme Kuh geschimpft und heulend die Anmeldung für den Kurs bestätigt und mir tagtäglich gesagt, dass ich mich nicht hängen lassen darf, nie und nimmer.
Wenn man von jemandem physisch verletzt wird- vermöbelt mit blauem Auge und ein paar gebrochenen Rippen, dann wundert man sich ja eigentlich nicht, wenn`s weh tut hinterher.
Die fürchterlichen Symptome letztes Jahr waren die Folgen davon, dass mich jemand seelisch so richtig vermöbelt hat und das auch noch mit so einer perfiden Grausamkeit, dass ich mich ehrlich gesagt frage, ob es ihm Spaß gemacht hat oder ob er einfach nicht darüber nachgedacht hat.
Die Nummer im Dezember auf meinem Sofa, mit Liebesschwüren währenddessen und der Aufzählung warum und wie sehr er mich liebt und warum wir zusammengehören und dass ich es ihm bittebitte glauben soll- und dann eine halbe Stunde später kaltlächelnd in der Küche bei einem Kaffee mir zu sagen, dass er mir noch nicht einmal Loyalität versprechen kann. Und ich steh da und versuche mir nichts ankennen zu lassen. Und er beobachtet mich dabei. Mein Gott, wie muss er sich dabei gefühlt haben- da hat er es doch echt in mühevoller Kleinarbeit geschafft, eine echt nicht blöde, ansonsten starke und kreative Frau so unter seiner Fuchtel zu haben, dass sie ihm in so einer Situation nicht schlicht und einfach eine knallt und ihm zeigt wo die Haustür ist.
Und danach kocht er noch für meine Töchter, umarmt die und spielt den lieben Dingsda von der verregneten Insel. Ich könnte die beiden Mädels zum Desinfizieren bringen lassen, so sehr ekelt es mich noch in der Erinnerung daran.
Das war seelisch Vermöbeln. Klar gings mir danach schlecht. Das hat mir so weh getan, dass ich Tage später laut heulend dasaß und hätte schreien können vor hilfloser Wut und vor Schmerz. Und vor Scham darüber. Und die Szene, den verdammten Tag, das werde ich mein Leben lang nicht vergessen.
Irgendwie schon der Lord Voldemort unter den Affärenheinis.
Ich habe jetzt noch drei Wochen bis zum nächsten Kurs und den werde ich hoffentlich genauso gut durchziehen. Diesmal muss ich mir wenigstens über die Sprache keine Gedanken machen, akzentfrei deutsch ist jetzt nicht so das Problem für mich. Und wenn ich diese Sprachanalysen auf Englisch geschafft habe, dann klappen sie auf deutsch wohl auch.
Ich war gestern das erste Mal wieder arbeiten und hab mich gefreut, wie sehr mich die Kinder vermisst haben. Ich hatte leider nur zwei Hände und jeweils zwei Seiten und konnte nicht neben jedem Kind sitzen und Händchen halten im Stuhlkreis- aber die kleinen wilden Kerle waren glücklich, mich wiederzusehen. Und ich auch. Ich hab mich an die Male erinnert im September und dann wieder im Dezember, an denen ich mich oft fast an meinen Tränen verschluckt habe und mir gedacht habe- bloß nichts anmerken lassen, einfach durchziehen, einfach weitermachen- und dann ist ein Tag nach dem anderen im Kindergarten vergangen und ich hab es durchgehalten. Ich war keinen Tag krank. Ob das gut war oder nicht, weiß ich nicht. Mir hat es viel bedeutet, dass er es nicht geschafft hat, mich so klein zu bekommen, dass ich zuhause bleibe.
Ich hab an den Nachmittag bei meiner Mutter im Biergarten denken müssen. In dem selben Biergarten in dem er mir gesagt hat er möchte dass wir Partner sind und zusammen leben. Und wie ich vor meiner Mutter in meine dämlichen Würschtel mit Kraut geheult habe, weil er mir eine halbe Stunde vorher am Telefon gesagt hat, dass es das jetzt war mit uns beiden. Oh for f.cks sake, don`t make a fuss. Und ein paar Wochen danach kriecht er glatt wieder an und schafft es wieder, dass ich ihm vertraue. Schon ein kleines Kunststück. Da hat er mich genau da gepackt, wo mein Stolz liegt und wo ich am verletztlichsten bin und mir demonstriert wie sehr er mich doch unterstützen und mir helfen möchte bei meinen beruflichen Plänen. Nicht ohne mir vorher liebevoll klargemacht zu haben, wie sehr ich ihn aber auch brauchen werde, ihn den großen Zampano.
Ich bin über das würgende, verzweifelte Gefühl hinaus. Ich weiß auch, dass ich weitergehen kann und schon am Weitergehen BIN. Dass ein neues Kapitel angefangen hat.
Ich muss trotzdem oft heulen. Ich kann es mir aber mittlerweile verzeihen und denke mir- das ist in Ordnung jetzt. Das ist in Ordnung, wenn du traurig bist. Das ist keine Schwäche. Das ist normal. Ich werde mir Stück für Stück und Tag für Tag mein Leben und meine Stärke zurückerobern. Mein Lachen. Meine Pläne. Ich werde mich nicht verkriechen. Ich werde den Kopf oben behalten.
Ich werde es auch einmal schaffen, die liebevolle und vertrauensvolle Seite in mir wieder anschauen zu können, ohne innerlich zusammenzuzucken und Angst zu bekommen, dass ich wieder verletzt werden könnte.
Die Frau, die jemanden umarmt und angelächelt hat, ihn gestreichelt und geküsst hat und fast übergeflossen ist vor Liebe und Zärtlichkeit und kurz hinterher einen dermaßenen Magenhaken bekommen hat- und noch nicht einmal das Gesicht verzogen hat dabei. Dieses Schwein. Die Fähigkeit, mich öffnen zu können, will ich nicht verlieren.
Ich kann das alles hier schreiben mittlerweile. Vielleicht mußte es mir so schlecht gehen wie letztes und vorletztes Jahr, um endlich zu lernen, ehrlicher mit mir umzugehen, keine Ahnung.
07.02.2018 11:36 •
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