Hallo!
Maria Magdalena, ich glaube, hier sprichst Du den wesentlichsten Punkt überhaupt an (Eros - Agape).
Dieses Buch, das Du erwähnst, kenne ich zwar nicht, denn solche Bücher schrecken mich schon ihrer Intention nach ab, und sie sind mir auch zu psychologistisch und zu oberflächlich und dogmatisch und lehrmeisterisch (was keine Kritik sein soll).
Aber vielleicht hast Du einmal auch den ursprünglichen Text zu diesem Thema gelesen oder liest ihn einmal (Plato, Symposion / Das Gastmahl). Diese Frage beschäftigt die Menschheit ja schon lange. Und in dieser Schrift geht es eben darum, daß zunächst über den Eros philosophiert wird, über das Wunderbare, aber auch das Schädliche und Zerstörerische daran (auch die Kugelmenschen, die zwei getrennten Hälften, kommen hier vor). Und zuletzt kommt Sokrates an die Reihe und erzählt von seiner Unterhaltung mit einer weisen Frau, Diotima, in der es eben um Agape geht, die eben etwas ganz anderes ist und will als die ero. Liebe.
(Interessanter und bezeichnender Weise reden die Männer allesamt eben nur vom Eros, während die einzige Frau, die darin vorkommt, wenn auch nur indirekt, von der Agape spricht.)
Und ich glaube, daß das sehr oft das Problem ist: die Menschen werden von der ero. Liebe, vom Verlangen ergriffen, wachen dann auch mit Argusaugen über die S...tät des Partners, und irgendwann verschwindet diese Leidenschaft und nichts bleibt mehr übrig. Nur noch eine leere Hülle, eine leere, mehr oder weniger formelle Beziehung, in der man sich bestenfalls gleichgültig ist und sich schlimmstenfalls gegenseitig dann schon zu vernichten sucht.
Bei der Agape hingegen ist das anders, weil diese eben nicht dieses gewissermaßen vorhersehbare Vergängliche an sich hat, nicht (wenn man so will) körpergebunden ist, sondern ihrer Natur nach etwas Seelisch-Geistiges ist.
Und ich glaube, hierin liegt der Ursprung des Problems: die ero. Liebe und Leidenschaft ist naturgemäß nicht sehr beständig, während die seelische Liebe aber gerade das Beständige möchte, sich sozusagen nach Ewigkeit sehnt. Wenn nun aber eine Beziehung vor allem das ero. Begehren zum Ursprung und zur Grundlage hat (was ja nicht so selten der Fall ist), zugleich aber dieses Ideal der seelischen Liebe, die Ewigkeit, als Wunschziel, als Sehnsucht gleichsam über den Dingen schwebt und beides auch vermengt wird, dann entstehen alle diese Probleme und Verletzungen und Enttäuschungen und sonderbaren Reaktionen. Man träumt sozusagen von der Ewigkeit, sehnt sich danach, aber die ero. Liebe trägt nun einmal keine Ewigkeit in sich. Und dann fühlt man sich enttäuscht, frustriert, entflammt vielleicht (ero.) für jemand anderen usw.
Der Grundirrtum bei vielen Beziehungen ist schlicht und einfach, daß sie vorwiegend auf der ero. Anziehung beruhen, aber verlaufen sollen wie eine seelische Liebe. Und das geht eben nur selten zusammen und klappt meistens nicht. Und dann ist man mitten drinnen in diesem Debakel aus Frust und Verletzungen und enttäuschten Erwartungen und langweiligen Zehn-Minuten-Samstagabendnummern.
Ich glaube, auf Dauer glücklich sein und gelingen können nur Beziehungen, die eben vor allem auf dieser seelischen Liebe beruhen, die allerdings natürlich beidseitig und tief genug sein muß. Wenn auch die ero. Anziehung tief ist, um so besser. Aber wenn eine Beziehung vor allem darauf beruht, wird sie früher oder später verhungern.
Sich beides zu wünschen ist durchaus nicht zu viel erwartet. Aber so etwas ist eben eher selten und ein Glücksfall. Und erfordert auch viel Ehrlichkeit gegenüber sich selber. Denn wer hätte nicht schon eine ero. Liebe für eine seelische gehalten?
Ich glaube, um dies zu erreichen, wird man vor allem darauf achten müssen, wie sich die seelische Nähe anfühlt, wie gut beide sich gegenseitig tun, wie offen sie sein können, ohne daß das Gesicht sauer oder erschrocken wird. Wenn jemandem dieses und jenes und das und das nicht paßt, würde ich jedenfalls nicht viel Hoffnung haben. Eine Liebe, die auch Bestand haben soll, muß das Wesen des anderen annehmen können, mit allem Guten und Schlechten, und Ja zu ihm sagen - und umgekehrt natürlich ebenso.
Das wird zwar nicht leicht zu finden sein, aber unmöglich ist es auch wieder nicht.
Wir sollten halt vielleicht auch den Blick etwas verändern - in der Natur sehen wir ja auch das Nützliche und das Unkraut ... aber diese Einschätzung beruht eher auf einem Unblick, der nur nach Vorteilen Ausschau hält und ganz blind ist für das Gute und Schöne, das auch in so manchem Unkraut stecken kann.
Danke für Dein Kompliment! Freut mich!
@ MalOhneScherz
Kann es nicht sein, daß Du auf bestimmte Eigenschaften oder Eigenheiten Deines Ex fixiert warst, die irgend etwas in Dir ausgeglichen und kompensiert haben, was Du als Defizit erlebst?
Auch das kann dieses Gefühl der Seelenpartnerschaft erzeugen, weil man dann sozusagen wie ein Steckspielchen zusammenpaßt und sich ganz fühlt. Das kann sich zunächst auch ganz wunderbar anfühlen, aber mit der Zeit können die Machtkonflikte und Verlustängste sehr groß werden, und der Kompensator wird - zumindest unbewußt - zu immer noch mehr Kompensation gedrängt.
Nach einer solchen Beziehung gleichsam in den Freundschaftsmodus überzugehen, wird kaum möglich sein und wäre auch nicht gut. Weil dieses Gefühl in der Beziehung zumeist ja mehr oder weniger gefehlt hat. Und wie sollte man, gerade nach solchen Enttäuschungen und Verletzungen, zu einer wirklichen Freundschaft finden? Dazu müßten beide schon eine ziemliche menschliche Größe haben - und dürften zudem keine anderen Gefühle mehr haben füreinander, weder verlangende noch abstoßende.
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende
04.12.2015 20:56 •
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