Hallo!
@ MalOhneScherz
Ja, natürlich gibt es auch Verletzungen, die so schwerwiegend sind, daß sie die Liebe zerstören oder verdrängen können. Das ist individuell sehr verschieden, und hat auch damit zu tun, wie man das Leben im Allgemeinen sieht und versteht.
In Deinem Fall ist es tatsächlich fragwürdig, wenn sich Dein Ex ganz pragmatisch gefragt hat, ob es sich noch lohnt, mit Dir weiter zusammenzusein. Denn dann ist die Liebe zumindest in den Hintergrund gerückt.
Ich habe mich aber auch gefragt, wie Maria Magdalena, wie es sein kann, daß es für Dich die große Liebe war und Du nun gar nichts mehr empfindest. Du scheinst ja dennoch mit dieser Thematik zu kämpfen zu haben, denn sonst könntest Du Dir ja einfach sagen: Ok, meine Gefühle sind weg ... daran leidet man dann ja auch nicht.
Aber vermutlich leidest Du ja weniger am Verlust Deines Ex als am Verlust Deiner Liebesfähigkeit und -bedürftigkeit. Das, kommt mir vor, läßt Dich diese Leere spüren.
Nur glaube ich, daß diese auch wieder verschwinden wird, sobald Du diese Enttäuschung überwunden hast und etwas Zeit verstrichen ist. Schlimmer wäre nämlich, wenn es um den Ex ginge. Denn der kommt vermutlich nicht mehr zurück (bzw. Du möchtest ihn auch nicht mehr zurück), aber die Liebe wird sicher wieder einmal erwachen. Da mußt Du Dir einfach ein wenig Zeit geben.
Ich glaube, woran es generell oft scheitert, sind auf der einen Seite die teilweise recht überhöhten Ansprüche an die Liebe und auf der anderen die Ungeduld. Viele meinen ja, die Liebe sei etwas wie ein Fluß, der mit ruhiger Stetigkeit dahinfließt, sei immer im gleichen Maße gegenwärtige, kenne keine Untiefen und Engen und quasi unterirdische Verläufe.
Aber das ist eben auch ein fundamentaler Irrtum. Liebe, auch die große, kann bisweilen auch ihre Schwächen und Aussetzer haben, das ist auch nicht tragisch und nur natürlich (es reicht schon eine belastende Situation, die mit der Liebe bzw. dem Partner gar nichts zu tun hat, und die Liebe wird in den Hintergrund gedrängt). Und wenn man dann gleich zweifelt oder gar das Handtuch wirft, dann kommt eine Negativspirale in Gang. Der, der sich getrennt hat, steht auf dem Standpunkt, er habe ja das Richtige oder Notwendige getan (vielleicht aus irgendeiner Laune heraus), und sein Stolz verbietet es ihm oft, die eigene Entscheidung in Frage zu stellen und er sammelt immer mehr Argumente an, die seine Entscheidung stützen. Der Verlassene wiederum schnappt entweder auch völlig ein oder bittet und bettelt und spioniert vielleicht hinterher usw. - was natürlich etwas erbärmlich wirkt oder auch nervt.
Und alles das ist Gift für die Liebe.
Daher meine ich, es wäre viel besser, manchmal auch etwas geduldiger und umsichtiger zu sein und nicht leichtfertig Entscheidungen zu treffen, die meinetwegen einer momentanen Wut entspringen oder oder irgendeinem Tief. Denn die Folgen können - kommt man erst einmal in diese Negativspirale - fatal und unumkehrbar sein.
Ich glaube, so manche tatsächlich große Liebe wird daran schon gescheitert sein ...
Man kann sich Liebe, wie jeder weiß, einreden - aber weniger wissen, daß man sie sich auch ausreden kann ...
Auf der anderen Seite sollte es aber natürlich auch nicht so sein, daß man sich alles bieten läßt. Aber dort, wo das passiert, wo es also tatsächlich immer wieder zu Verletzungen kommt, vielleicht sogar zu ganz bewußten, oder zu einer mehr oder weniger völligen Gleichgültigkeit oder zu einer krassen Einseitigkeit, würde ich ohnehin nicht von großer Liebe sprechen - denn mit Liebe im eigentlichen Sinn hat das nichts zu tun. Sondern das ist eher wie ein Rausch oder auch ein Kalkül, ein Konzept, der eben irgendwann vergeht bzw. das nicht aufgeht oder langweilig wird oder unpassend (z. B. wenn die Kinder aus dem Haus sind).
Bei der großen Liebe scheint mir das Entscheidende, daß man sich immer verbunden bleibt, daß dieses Band nicht abreißt, auch und gerade bei Problemen nicht. Die große Liebe ist ein Abenteuer, mit allem Drum und Dran, und kein Strandspaziergang. Nur glaube ich: wenn man wirklich bei einem vertieften Verständnis und einem tiefen Empfinden sowohl der Liebe als auch von sich selber, als auch des Partners ankommen will, dann wird nichts bleiben, als das Abenteuer zu wagen. Wer nur Spaziergänge will, wird auch nie etwas anderes erleben als Spaziergänge.
Und das Kriterium der großen Liebe ist eben nicht nur, wie tief ist sie, sondern auch, wie viel hält sie aus (auch wenn sich das ganz unromantisch anhört). Denn jeder Mensch hat dieses oder jenes an sich oder macht dieses und jenes, das anderen als Fehler erscheint, das ihm nicht behagt, ihn verletzt usw. Darum kommt man nie herum.
Was aber natürlich klar ist: dieses Abenteuer zu wagen, macht nur Sinn, wenn beide dazu bereit sind und beide diese tiefen Gefühle für den anderen haben.
Aber wenn dem so ist und wenn man das schafft, dann gibt es, glaube ich, kein schöneres und gelungeneres Leben.
Liebe Grüße
27.10.2015 00:38 •
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