Zitat von Honigbiene1: Die letzten Wochen gab es nur noch Trennungsgespräche und ich habe immer wieder gesagt, dass ich mir um meinen Bindungsstil nun bewusst bin und das doch gut sei, um daran zu arbeiten. Anfangs war er noch dabei, aber schlussendlich sagt er, dass es nicht funktioniert und zu spät ist.
Ich weiß nicht mehr weiter. Die Therapie wird gerade nochmal etwas verlängert (eigentlich wäre sie demnächst vorbei), aber ich wollte mich ja gar nicht trennen. Ich habe meinen Partner geliebt und wir wollten im nächsten Jahr zusammenziehen und hatten große Zukunftspläne. Ich habe mir solche Mühe gegeben (für meine Verhältnisse und Schwierigkeiten) und dass es ihm zu viel wurde, kann ich absolut nachvollziehen. Trotzdem bin ich einfach nur schockiert und unendlich traurig. Ich funktioniere alleine zu gut. Das ist nicht das Problem. Ich will aber nicht alleine sein, sondern mit ihm.
Es ist Dir bewusst, dass es mit Dir sehr schwierig und hochkompliziert ist. Denn Nähe erdrückt Dich, sie macht Dir Angst und dann entwickelst Du Mechanismen um den Partner von Dir fern zu halten.
Ein Bindungsvermeider hat viele Strategien um emotionale Nähe zu verhindern.
1. z.B. Flucht in die Arbeit die einen enormen Stellenwert einnimmt. Denn dort fühlt er sich sicher und wer könnte gegen einen arbeitsamen und fließigen Menschen auch etwas sagenn?
2. Der Bindungsvermeider ist physisch anwesend, aber gedanklich weit weg.
3. Er verbringt jede Menge Zeit mit seinem Handy oder einem zeitaufwändigen Hobby, das der Partner nicht teilt.
4. Er entscheidet viel für sich allein ohne den Partner einzubinden.
5. Er hat vielleicht viele Kontakte, für die er viel Zeit aufwendet.
6. Er ist ständig müde von der Arbeit, von der Belastung oder sonst was ....
7. Er bricht Streit vom Zaun und schafft dadurch Distanz, bringt vielleicht immer wieder alte Kamellen auf wie, damals hast Du ....
8. Er geht fremd, auch ein probates Mittel um eine als zu eng empfundene Bindung zu torpedieren.
9. Fernbeziehung sind sehr beliebt, denn dann kann der Partner einen nicht so vereinnahmen und sich ins Leben einmischen.
10. Er nimmt wenig Rüciksicht auf den Partner, kann dessen Bedürfnisse nicht nachvollziehen und kann sie daher auch nicht erfüllen, nicht mal ansatzweise.
11. Er verliert den Respekt vor dem - meist klammerndem Partner - und fängt an ihn zu kritisieren und abzuwerten. Das ist dann meist die Endstufe, denn der unterlegene Partner kann nichts mehr richtig machen.
Hauptsache, er hält den Partner auf Abstand. Du kommst mir weniger als passiver Bindungsvermeider vor, sondern eher als aktiver, aber das ist erst Mal egal. Der Effekt ist immer der gleiche. Du hättest vielleicht gerne eine Beziehung, kannst sie aber nicht aushalten. Der Partner spürt das alles, nimmt es wahr und steht dem meist machtlos gegenüber. Solche Beziehungen sind hochstressig, belastend und rauben unglaublich viel Energie. Und wohl darin fühlt sich trotz anfänglicher Liebe keiner mehr richtig.
Ich kann deinen Partner verstehen, dass er sich das nicht länger antun wird. Denn seine Worte sprechen Bände: feuerspeiender Drache, der Macht ausüben will und ihn runter zieht und dann wieder handzahm wird. Je nach Befindlichkeit.
Bindungsängste werden meist in der Kindheit angelegt. Wenig liebevolle Eltern, die das Kind eher in die Ecke stellen als einfühlsam mit ihm umzugehen. Frühe Trennungserlebnisse, die ein Kind verstören und nachhaltig prägen können. Elternliche Liebe gegen Vorleistung des Kinder (sei so, wie ich Dich haben will), all das sind ein guter Nährboden, um als Erwachsener unter Bindungsstörungen zu leiden.
Und später gibt es Beziehungen die nicht funktionieren und die Bindungsänste nochmals manifestieren.
Ich war mal mit einem aktiven Bindungsvermeider zusammen und rückblickend war es die Hölle. Er entschied alles allein und ich war nur der traurige Zaungast in seinem tollen Leben. Wir machten keine einzige Urlaubsreise zusammen, denn 24-h-Dauerbetrieb hält er schon gar nicht aus. Das sagte er zwar nicht, aber ich wusste es auch so.
Er kaufte eine Konzertkarte, die ich traurig liegen sah. Nicht mein Musikgeschmack, aber ich wäre doch mit hingegangen, einfach um mit ihm zusammen zu sein, aber ich war nicht vorgesehen. Er war gerne allein, brauchte niemanden außer einigen losen Freunden, die er ab und zu mal sah. Er kannte eine Famile, die er sehr bewunderte und wo er gern ein und aus ging und sich ein Quentchen Nestwärme holte, das ihn aber zu nichts verpflichtete.
Überhaupt, alles was mit Verantwortung in einer Beziehung zu tun hatte, lehnte er ab. Er wollte nur sein Ding machen und ich war eine Randfigur, für die dann Zeit war, wenn sonst nichts geboten war.
Wir gingen selten aus, denn er trat nicht gerne als Paarhufer in der Öffentlichkeit auf. Es war ihm sogar ein Gräuel, also vermieden wir Lokalitäten, wo wir gemeinsam hätten gesehen werden können.
Es war frustrierend für mich und ich fühlte mich unterlegen. Selbst Schuld, weil ich ihn auf das Podest gestellt hatte, von dem er nicht mehr runterging. Gehen konnte nich nicht, denn lieber nahm ich alles in Kauf, um nicht auf diesen einzigartigen Menschen verzichten zu müssen. Glücklich war ich auch nicht mehr, schon lange nicht mehr, aber da war ja immer das Quentchen Hoffnung, dass es besser werden würde. Irgendwann würde er meinen Wert erkennen und mich belohnen, aber irgendwann kam nie. Stattdessen trennte er sich zu einer Zeit, als ich mir einbildete, wir seien nun auf einem guten Weg. Per Mail, das ist einfacher als persönlich, außerdem hatten wir sowieso eine Fernbeziehung.
ich war am Boden zerstört, meine Hoffnungen auf ein eingebildetes Happy-End zerplatzt. ich fiel wieder in mein ödes Schmalspurleben, dem ich schon während der Beziehung nicht mehr viel abgewinnen könnte. Was interessiertem mich Freundinnen oder meine Schwester, wenn meine Gedanken doch nur ständig um ihn und die schwierige Beziehung kreisten? Ich hatte mich verloren, spürte das auch, verdrängte es und war vor allem handlungsunfähig.
Rückblickend war es die beste Entscheidung auch für mich, die er treffen konnte. Er war es leid, dieses treudoofe Anhängsel zu haben, das was wollte von ihm, das er nicht geben konnte und wollte. Die Olle, die ihm alles nachsieht, ihn vermeintlich versteht, ihn aber doch nur umprogrammieren will zu einem treusorgenden Partner. Nein, das war nicht seine Welt, aber meine Wunschwelt wäre es gewesen.
Es kam dann eine Zeit, in der ich viel nachdachte. Und ich war auch zweimal bei einem Therapeuten, aber nur zu einem Beratungsgespräch. Was hatte ich mir davon erhofft? Dass ich über ihn, den untauglichen Ex. dort lamentieren konnte oder berichten konnte von der unbefriedigenden Beziehung, die nicht gedeihen wollte.
Es war in jeder Hinsicht erhellend, was ich dort erfuhr und fühlte. Zunächst war der Therapeut völlig neutral, es gab keinerlei Wertung, ich war weder die Böse noch die Gute und der Ex. auch nicht. Das empfand ich als entlastend. Es gab kein Mitleid, keine Bestätigung (da haben sie ja ordentich daneben gegriffen, z.B.), kein gutes Zureden, aber auch kein abwertendes Wort. Er war so neutral wie eine Wand und ich merkte, dass mir das gut tat. Keinerlei Verurteilungen, nein, es war so, wie es eben war.
Eigentlich wollte ich über ihn reden und das was ich mit ihm erfahren hatte, aber erstaunt bemerkte ich, dass der Ex. nur eine Randfigur war. Er war nicht weiter wichtig, denn es ging um mich. Wie war ihre Kindheit, wie waren ihre Eltern, was haben sie erfahren und erlebt, was ist ihnen im Gedächtnis geblieben usw.? Irritiert, aber doch irgendwie erleichtert stellte ich fest, dass die Beziehung schlichtweg das Symptom für tiefer liegende Mechanismen war.
Der Mensch hat ein Unterbewusstsein, das sehr mächtig ist. Das kann vorteilhaft sein und uns Stärke geben, aber es kann einen auch steuern und verleiten zu Dingen die keinem gut tun. Weder einem selbst noch dem Partner. Denn jeder ist die Summe seiner Erfahrungen. Und hier sitzen auch die Ängste, die Beziehungen oft kaputt machen.
Wächst jemand in einer konfliktbeladenen Elternbeziehung auf, führt er später meist auch solche Beziehungen, denn jeder lebt das nach, was er kennt. Ob es nun gut oder schlecht ist, spielt keine Rolle.
Die Seele leidet, denn sie hat so viel erfahren müssen, was sie überfordert hat. Dann wird sie traurig und verzagt, aber sie hat auch den Wunsch nach Heilung, die ihr endlich zuteil wird. Leider nehmen wir unsere tief liegenden Ängste und Defizite nicht wahr, sondern schieben sie meist beiseite, weil sie störend sind. Dann meldet sich die Seele und führt uns in Situationen, in denen wir genau das nachleben, was uns früher schon gequält und überfordert hat. Und warum? Was hilft uns das, wenn wir doch nur wieder unglücklich werden?
Die Seele kennt nur den Zwang zur Wiederholung. Sie wird uns so oft mit solchen Situationen, Beziehungen konfrontierten, bis wir endlcih bereit sind, dass wir sie wahrnehmen und beachten.
Das geht nicht ohne Leid ab und ohne Tränen, denn auf einmal sehen wir unser Unvermögen. Aber es ist auch sehr lohnend, in eine Beziehung zu sich und die eigene Schwachheit zu gehen. Denn dann merkt die Seele, dass sie beachtet wird, dass wir bereit sind mich mit ihr zu beschätigen, dass wir in eine Beziehung zu ihr treten. Und dann fühlt sie sich besser und lässt uns auch eher in Ruhe.
Es ist das Wichtigste überhaupt, mit sich klar zu kommen, sich selbst wahrzunehmen und auf sich selbst zu achten. Sorgsam mit sich umzugehen, zu lernen, sich selbst anzunehmen trotz aller Blessuren und trotz aller Schwächen. Erst dann ist der Weg frei für ein besseres und freieres Leben. Ein neuer Partner ist auf diesem Weg eher hinderlich, denn der lenkt uns wieder nur ab. Wer achtsam mit sich umgeht, kann auch mit einem Partner achtsam umgehen. Wer sich selbst liebt, kann auch lieben, auch wenn der Partner nicht immer so ist, wie man ihn sich wünscht.
Und sein persönliches Heil in einer Beziehung zu suchen, ist sowieso grundfalsch. Denn dann gehen wir in eine Erwartungshaltung. Dieser eine Mann soll unser Leben aufwerten und bunt machen und er soll vor allem unser trauriges Herz heiilen. Er soll uns ganz machen, er soll uns lieben, weil wir uns selbst nicht lieben können. Er soll uns respektieren und achten und uns das Gefühl von Wichtigkeit geben, wo wir ihm doch immer nur zeigen, dass wir selbst nicht respektvoll mit uns und dem Partner umgehen. Der Partner wird zur heilmachenden Wunscherfüllungsmaschine degradiert und das wird nicht gut gehen.
Denn das ist Ausnützen in Reinkultur und emotionale Ausbeutung. Es war beschämend, als ich das erkannt hatte, als ich mich emotional von ihm enddich gelöst hatte. Erst dann sah ich meine eigenen Mechanismen und nicht nur seine. Er war nicht der Böse, der schlecht mit mir umgegangen war. Und ich nicht die Gute, die alles ihm zuliebe getan hatte, denn ich wollte was dafür und zwar zu viel.
Ich würde Dir raten, versuche, in eine Beziehung zu Dir zu kommen. Erinnere Dich, durchlebe das nochmals und konzentriere Dich auf Dich. Suche nicht im Außen nach Heilung, denn die wird nicht kommen. Jeder schleppt seine Defizite mit sich rum, aber die sollte man erkennen und sich bewusst machen. Warum das denn? Weil uns alles, was wir auf die bewusste Ebene holen können, weniger steuert als wenn es tief unten liegt und nicht gesehen wird.
Es ist nicht die Zeit für einen neuen Partner. Du rufst noch enem Therapeuten. Ich würde Dir raten, einen zu suchen, der mit Dir Deine Defizite aufarbeitet und an die Wurzeln geht. Das geht schon eher in Richtung Tiefenpsychologie.
Ich fragte meinen Therapeuten damals, ob Bindungsängste heilbar sind. Er mente, es ist schwierig, weil die Betroffenen meist gar nicht bereit sind, sich selbst anzuschauen und wahrzunehmen. Der Leidensdruck muss sehr hoch sein, dass gerade ein aktiver Vermeider zum Therapeuten geht und auch dann wird es eine langwierige Sache. Und die Krankenkassen zahlen halt meist nur ein paar Sitzungen.
Eigentlich sind sie nicht richtig heilbar, aber Betroffene können doch in die Lage kommen, irgendwann eine einigermaßen gute und stabile Beziehung zu führen. Aber eben nur, wenn sie sich selbst anschauen anstatt alles auf den Partner zu projetzieren, der ihnen nicht das erhoffte Glück gibt.
Mit Deinem Ex. solltest Du abschließen, der kommt nicht zurück, denn er hat genug mit sich selbst zu tun. Was für Pläne ihr hattet, interessiert keinen, denn es waren nur Pläne. Ihr wart ja nicht mal in der Lage, eine harmonische Beziehung zu führen. Was sollen denn da Pläne noch retten?
Respektiere seine Entscheidung und sei bereit, Dich mit Dir zu befassen. Das wäre wirklich wichtig für Dich. Du kriegst keine lebenslange psychologische und therapeutische Begleitung, außer Du zahlst sie, aber das ist teuer. Also musst Du bei Dir selbst anfangen und versuchen, Dir selbst zu helfen.