Kann mir mal bitte jemand ganz gründlich den Kopf waschen?!
Ich laufe wissend und sehenden Auges direkt hinein in mein Unglück. Mache mich zur Idiotin und werfe den letzten kleinen Rest Selbstwertgefühl auf den Müll. Wissend. Und ich tue es dennoch.
Von vorne: Ich bin nun seit einem halben Jahr getrennt. Mit meinem Mann war ich 30 Jahre lang zusammen. Seit wir beide 17 waren. Wir sind aus dem Elternhaus direkt zusammengezogen und sind 30 Jahre zusammengeblieben. Wir haben zwei Kinder bekommen, haben im Ausland gelebt und spannende Herausforderungen gemeistert. Ich war glücklich. Er irgendwann nicht mehr.
Anfang 2020 merkte ich, dass er sich etwas zurückzog. Die Begründung war "Stress" "berufliche Herausforderungen" aber auch "das Finden von sich selbst". Zu dem Zeitpunkt musste er schon jede Woche dienstlich nach Hamburg. Immer für zwei / drei Nächte. Ein Großprojekt. Zudem hat er sich Auszeiten genommen – alleine auf den Golfplatz, Spaziergänge aber auch mal ein Wochenende auswärts. Alarmglocken habe ich zu der Zeit nicht gehört. Weil er sehr offen mit mir kommuniziert hat.
Das Projekt in Hamburg kannte ich, die Kollegen auch. Und seine Auszeiten habe ich ihm bei all dem Stress zugestanden. Ich selbst habe mir ja auch meine Zeiten genommen. Wir waren nie ein Paar, dass immer nur "Wir" war. Wir waren auch immer "Du" und "Ich".
Um die Osterzeit herum kam er von einem seiner Auszeit Wochenenden nach Hause. Setzte sich hin und sagte: "Mein Leben wird von nun an in eine andere Richtung verlaufen. Und ich habe mich in eine andere Frau verliebt."
Den Schock muss ich hier nicht ausführen. Und noch schlimmer wurde es, als er zugab, sie bereits seit einem halben Jahr zu sehen. Es fing als Seggsdate an (wir hatten immer sehr guten Seggs in der Beziehung – aber wir sind auch seit Jahren Clubbesucher. BDSM, Partnerwechsler und sowas. Durch Corona ist das weggebrochen. Und mein Mann hat sich seine Bedürfnisse heimlich anders erfüllt) und entwickelte sich über die Monate zu einer Liebe.
Dienstlich in Hamburg war er tatsächlich jede Woche. Aber immer nur für eine Nacht. Die weiteren Nächte hat er bei ihr oder mit ihr in Hamburg verbracht. Seine Auszeiten waren wirklich Auszeiten. Um sich klar zu werden. Immer im Kampf "Sie oder ich". Aber er hat sie jede Woche gesehen. Manchmal auch nur für Seggs in der Mittagspause, aber eben auch immer ein oder zwei Nächte. Der Schmerz, nach so vielen so guten Jahren direkt ausgetauscht zu werden, ist unbeschreiblich.
Wir haben uns nicht sofort getrennt. Wir haben uns die Chance gegeben, über uns zu sprechen. Ein Rettungsversuch. Auch mit professioneller Therapie. Ich finde es nicht unverzeihlich, wenn man nach 30 Jahren mal anderswo herumspielen möchte. Durch die Heimlichkeit und das verbindende Abenteuer ist dann aber eine Liebe gewachsen – und das verüble ich meinem Mann natürlich. Dennoch. Er wollte diese Ehe retten und hatte sich sogar von ihr getrennt um uns eine Chance zu geben.
Funktioniert hat das leider nicht. Anfang Juni hat er sich dann endgültig getrennt. Ein schwarzer Tag war das. Er ist direkt ausgezogen in eine möblierte Wohnung und hat seitdem nie wieder mit mir unter einem Dach geschlafen.
Und nur eine Woche später war er wieder mit ihr zusammen. Mit einer Frau, die das komplette Gegenteil von mir ist. Jünger, schlanker, flippiger – eine extrovertierte Künstlerin, keine Kinder, lebt in einer WG – es könnte nicht gegenteiliger sein. Ich verstehe die Welt nicht mehr.
Wir sind seitdem am Versuchen, einen Weg für uns zu finden. Es gab eine Zeit der Kontaktsperre (weil ich es so wollte) und im Grunde war das wirklich gut. Aber dann wurde ich rückfällig und ich habe es nicht wieder geschafft, die Disziplin aufzubringen. Ich verhalte mich wie eine Dro.. Lechze jeder Nachricht, jedem Anruf, jedem Besuch entgegen.
Inzwischen haben wir beide eine eigene Wohnung. Die beiden Kinder (14 und 18) wohnen bei mir. Er wohnt alleine – nicht mit ihr. Aber zusammen sind sie noch. Allerdings war ich mir über einige Wochen lang nicht sicher. Er hat sehr, sehr viel Zeit bei mir in meiner neuen Wohnung verbracht. Wir haben uns im Arm gehalten, liebe Dinge gesagt. es gab Küsse und Liebesbekundungen. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass sie nebenbei noch existiert. Und habe mich der Hoffnung auf einen Neustart komplett hingegeben. Tatsächlich liebe ich meinen Mann immer noch. Und leide wie verrückt. Und im Moment leide ich ganz besonders, weil ich gestern herausgehört habe, dass die beiden definitiv noch zusammen sind und am kommenden Wochenende gemeinsam nach Hamburg fahren. Unsere Heimatstadt.
Einen Teil der Familie in Hamburg kennt sie bereits. Ein weiterer wunder Punkt. Seit der Trennung meldet sich von der Familie meines Mannes kein Mensch mehr bei mir. Und sie wird bereits zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Aber dies nur am Rande.
Mir geht es grad darum, dass ich mich verhalte wie die letzte Idiotin. Dass ich ihm hinterhertelefoniere. gestern Abend zum Beispiel. Kurz vor Mitternacht. Weil ich nicht schlafen konnte. Wie dämlich ist das denn bitte? Ich suche Gründe, eine whatsapp zu versenden. Bin deprimiert, wenn er mir antwortet ohne das Küsschen-Smiley. Dann wieder schreibt er mir "ich liebe Dich" mit Küsschen-Smiley. Und ich blühe auf. Ich Trottel. Nur um dann wieder in Tränen zusammenzubrechen bei dem Gedanken, dass ihm ein mega aufregendes und seggsy Wochenende in Hamburg bevorsteht.
Mein Kopf weiß um die Situation. Mein Herz findet immer noch Auswege, wie er wieder zurückfinden könnte. Und ich brauche jede Selbstbeherrschung, um nicht das verflixte Telefon in die Hand zu nehmen und mich mit einem Anruf oder einer whatsapp noch weiter herabzustufen.
Ich weiß wie traurig und dämlich und kontraproduktiv mein Verhalten ist.
Und tue es dennoch.
Hoffend. Weil ich nicht aufgeben will. Und ihn nicht loslassen kann. Weil ich Angst habe vor dem, was hinter der Hoffnung liegt. das große, unbekannte Nichts.
Ich könnte jetzt wirklich ein paar deutliche Worte gebrauchen, die mich bremsen und die mir helfen, die Wahrheit zu spüren.
01.12.2021 15:32 •
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