@Ladina , ja diese merkwürdigen, pauschalisierenden, biologistischen Argumentationen finde ich auch recht befremdlich.
Die These: Frauen lieben egoistisch, Männer unbedingt ist erst mal eine schwierige Pauschalisierung.
Noch schwieriger wird diese Pauschalisierung, wenn sie zu Verbitterung und Misogynie führt.
Lieber @HänsDämpf , als erstes möchte ich dir den Gedanken ans Herz legen, dass auch du nicht unbedingt geliebt hast. Weil, wenn du unbedingt geliebt hättest, dann könntest du sie ja jetzt mit den allerbesten Wünschen ziehen lassen.
Deine Liebe, und auch deine Aufopferung, hatte eben doch die Bedingung, dass die Beziehung dauerhaft ist, und dass du zurückgeliebt wirst.
Ansonsten bin ich fest überzeugt, dass es geradezu blauäugig und ungesund ist, partnerschaftliche Liebe bedingungslos zu denken.
Wobei es noch einen gedanklichen Zwischenschritt braucht:
Es gibt ja einen Unterschied zwischen Liebe auf der einen Seite, und auf der anderen Seite dem Wunsch/ der Bereitschaft, eine Partnerschaft mit dem geliebten Menschen zu führen.
In wen ich mich verliebe kann ich ja wenig bis gar nicht steuern, und immer wieder steht man vor der Herausforderung, dass man das jemanden-Lieben (oder wie ich es lieber nennen möchte: die Bindung an jemanden) auch gar nicht abstellen kann, selbst wenn derjenige uns noch so übel mitspielt.
Ich neige also dazu, liebe grundsätzlich Bedinungslos zu denken.
Der Wunsch, eine Partnerschaft mit dieser Person einzugehen, ist (oder sollte zumindest) immer an Bedinungen geknüpft sein. Nämlich in der Frage, ob mit diesem Partner eine Zukunftsgestaltung möglich ist, wie sie es sich beide gut vorstellen können, und wie beide glücklich und zufrieden sein können. Das fängt bei den Vorstellungen von Sauberkeit in der gemeinsamen Wohnung an, erstreckt sich über S. Kompatibilität, und die Frage von Priorisierung von Kindern/ Karriere, und vieles, vieles mehr. Und dieses Problemfeld wird noch komplexer, wenn wir uns klar machen, dass sich bei beiden die Persönlichkeiten, Zielsetzungen und Bedürfnisse ja mit der Zeit ändern.
Gleichzeitig ist eine Ehe und evtl. eine Familie zu gründen, ein handfester wirtschaftlicher Vertrag, der gravierende Nachteile haben für den einzelnen haben kann, wenn er platzt.
Also, die Einstellung: ich liebe sie, wird schon gut gehen, finde ich geradezu fahrlässig.
Dazu kommt, dass wir in unserer Gesellschaft dem Individualismus und der Selbstverwirklichung einen sehr (zu?) hohen Stellenwert beimessen. Das macht es nicht einfacher, Kompromisse zugunsten einer Partnerschaft zu finden, besonders wenn der Lebensentwurf ausgedehnte Auslandsaufenthalte u.ä. vorsieht.
Ebenfalls gibt es immer weniger äußeren Druck, eine Beziehung aufrechtzuerhalten, in der einer sich nicht mehr glücklich fühlt.
Ich behaupte mal, dass sich aus diesen Überlegungen enorme Herausforderungen für die moderne Liebesgeschichte ergeben.
Gleichzeitig suggeriert uns die Disneyfilmromantik, die wir alle mit der Muttermilch eingesogen haben, dass alles gut und ein Selbstläufer ist, sobald sich die zwei aus vollem Herzen die berühmten drei Worte gesagt haben. Was halt einfach nicht stimmt.
Ebenfalls die Disneyromatik suggeriert uns, dass wir 100% sicher sind, bei dem Menschen, den wir lieben, und der uns liebt, und dass uns der Mensch, den wir lieben, und der uns liebt, uns niemals verletzen wird, was uns dazu bringt, den Selbstschutz komplett zu vernachlässigen, sobald wir den/die EINE gefunden haben. Auch das ist keine gute Idee.
Nochmal gleichzeitig messen wir gelingenden LIebesbeziehungen eine so große Rolle in unserem Leben bei, können uns oftmals gar nicht vorstellen, dass ein gelingendes Leben (zeitweise) ohne Liebesbeziehung überhaupt möglich ist, und verklären die eine, große Liebe zu dem Heilsversprechen schlechthin. Liebe heilt alles, Liebe hält alles aus... Wenn wir lieben, wird alles gut.
Und du stehst jetzt an dem Punkt, dass du bermerkst, dass du das alles mit großen Augen, und noch größerem, offenen Herzen und den allerbesten Absichten eingegangen bist, und es trotzdem nicht funktioniert hat.
Klar ist das jetzt ein Schock für dich.
Und klar, so ist ja das Versprechen: Wenn sich zwei lieben, dann läuft es einfach. Du hast geliebt. Also hat sie wohl nicht geliebt. Zumindest nicht bedingungslos. Und auch bei den anderen Beziehungen, die nicht laufen: offensichtlich hat einer von beiden nicht geliebt. Da du naturgemäß vermultich die Seite von deinen männlichen Freunden besser kennst, gehst du davon aus, dass das Problem bei den Partnerinnen und deren Liebesfähigkeit liegt.
Ich möchte dir zwei Bücher empfehlen, die mein Leben sehr verändert haben:
Verletzlichkeit macht stark von Brene Brown und
Das Ende des Romantikdiktats von Andrea Newerla
Vielleicht siehst du dann klarer, dass du nicht der einzige romantische Mensch in einer kalten, egoistischen Welt bist.
Ich habe es übrigens spannenderweise einiges durch:
-einen sehr schwierigen Charakter als ersten Freund, eine Beziehung, die man schon stellenweise missbräuchlich nennen kann, bei dem ich sehr, sehr lange in einer sehr, sehr sensiblen Zeit aus falsch verstandenem Altruismus geblieben bin. Ich bin mir nicht sicher, ob ich uns beiden dadurch mehr geschadet oder genutzt habe
-eine Ehe, in der ich sehr geliebt habe, und er mich vermutlich auch, die wir beide ganz sicher mit den allerbesten und allerreinsten Absichten eingegangen sind, und wo sich einfach nach und nach gezeigt hat, dass es keine Möglichkeit gab, die Sache so unter einen Hut zu bekommen, dass wir beide glücklich sind
-eine zweite große Liebe, der ich sehr viele Eigenheiten sehr gut verzeihen kann, im gegenteil, wo ich diese Eigenheiten als Bereicherung erlebe. Wo ich aber 100% weiß, Liebe hin oder her, dass diese Beziehung in meinen zwanzigern keine Chance gehabt hätte, weil da mein eigener Standpunkt und meine eigenen Ziele ganz andere waren. Und ich sehe mich als sehr (zu?) anpassungsfähigen, altruistischen und kompromissbereiten Menschen.
Na gut, jetzt bin ich vom hundertsten zum tausendsten gekommen. Ich hoffe, du kannst was mit meinen Gedanken und mit meiner Literaturempfehlung anfangen.
Vielleicht zusammengefasst: Liebe ist Wunderbar, und macht uns zu besseren Menschen. Auch der Schmerz, durch den wir gehen, wenn es nicht funktioniert. Wenn du in der Verbitterung bleibst, wirst du dir tief ins eigene Fleisch schneiden.