Servus in die Runde!
@GehenBleiben hier ein paar meiner Gedanken.
a) eine erkrankte Person ist schutzwürdig, die Erkrankung aber nicht!
Weißt Du, was ein Enabler ist? Egal, ob es um schwerwiegende Suchterkrankungen oder eben psychische Erkrankungen geht, jeder der demjenigen, welcher erkrankt ist, auch nur im Ansatz hilft, das sogenannte normale Leben, welches ja eben keins ist, aufrecht zu erhalten, aus welchen Gründen auch immer und sei es aus Liebe, trägt zum Bleiben der Krankheit bei. Dabei ist es Wurscht, ob es sich dabei um die Mutter handelt, die dem Kind doch wieder ein paar Scheine in die Hand drückt, damit es sich etwas zu essen kaufen kann oder der liebende Partner, der über Jahre Sozialphobien des anderen deckt. Wenn aus einem, sie hat sich in letzter Minute dazu entschieden, an dem heutigen Abend nicht teilzunehmen aufgrund ihrer Ängste, ein sie hatte Kopfweh oder ein wir können leider nicht, weil das Kind krank geworden ist, wird, dann fördert das die Erkrankung statt sie zu bekämpfen.
Den meisten Menschen ist das nicht bewusst, weil dies ja nicht mit einer Schädigungsabsicht geschieht sondern, weil wir glauben, die andere kranke Person sei schutzwürdig. Das ist richtig, aber wichtig ist und manchmal sehr schwer zu verstehen, eine erkrankte Person zu schützen anstatt die Krankheit zu schützen sind zwei völlig verschiedene Dinge. Eine erkrankte Person auch bei dritten Therapieversuch zu unterstützen ist richtig oder dieser Mut zuzusprechen, wenn diese eben auch mal wieder an ihrer Erkrankung gescheitert ist, ist absolut richtig, aber eben nur bis zu der Grenze, wie es nicht gleichzeitig die Erkrankung schützt.
Das allerdings bedeutet, daß man Konflikte aushalten können muß und sich extrem gut abgrenzen kann. Meine eigenen Beobachtungen dazu: eine Partnerschaft ist die denkbar ungünstigste Struktur, um so etwas erfolgreich durchzuziehen. Partnerschaften (anders als Freundschaften) sind von ihrer Natur aus eben auch darauf angelegt, daß wir einen Teil unseres Selbst in Abhängigkeit zum Wohl und Wehe des anderen und seinen Empfindungen stellen. Ich sage nicht, daß es manchen Paaren nicht gelingt, ich sage aber, es sind wenige und von diesen brauchen die meisten professionelle Begleitung durch Dritte.
b) so lange keiner etwas ändert, ändert sich nichts.
Erklär mir doch mal, warum Deine Frau etwas ändern sollte? Warum sollte sie sich in Therapie begeben? Warum sollte sie das durchziehen? Das sind ernstgemeinte Fragen, in denen das eben Gesagte (entschuldige ich schreibe immer extrem lang, aber nie grundlos) hineinspielt. Festzuhalten bleibt doch, bisher hat Deine Frau aus sich selbst heraus, nicht einen Grund auch nur im Ansatz etwas zu ändern, weil, sie es ansonsten ohnehin schon (!) getan hätte.
Deine Frau leidet, kann am Leben hin und wieder nicht teilnehmen, hat Schwierigkeiten das eine oder andere zu bewältigen, ABER (und das ist riesengroß), sie hat ein Leben, ein Haus, eine Familie und eine Partnerschaft. Klar, hin und wieder kommt der Herr Ehemann um die Ecke und macht ne Ansage, dann weint man, kann nicht schlafen, macht Theater und über kurz oder lang, erweckt man den Eindruck man wäre so mitgenommen von den Aussagen des anderen, das jetzt erst recht keine Veränderung zu erzielen sei, weil man gerade zu erschöpft/verletzt oder was auch immer ist. Hübsches Stichwort ist Schuldumkehr. Persönlich nenne ich das ja immer das Opferabo, da hat jemand völlig selbstverständlich zwei fünf-Jahresabos für Schuld - das Magazin denn Schuldleser wissen mehr und Schöner Leiden - das Magazin für das stilsichere Opfer von heute abonniert. Wenn s nicht so unsagbar traurig wäre, wäre es zum Lachen. NUR: hier ist das Ding, warum sollte sie etwas ändern?
Bisher jedenfalls gab es dafür keine Veranlassung. Womit wir natürlich jetzt bei Deinen Abos wären. Das eine ist ein monatlich erscheinendes Druckerzeugnis (kleiner Wortwitz oder auch pun intended) Steuern sparen für Peter Pans, Tipps und Tricks für Menschen, die nur partiell erwachsen sein wollen und die ein bissl unklar sind, was der Unterschied, zwischen Verantwortung übernehmen und sich hinter dieser verstecken, sein soll. Für den täglichen Newsbedarf hast Du dann noch Vielleicht abonniert, selbstverständlich in der Ausgabe mit den Regionalnews der nächst größeren Stadt und nicht die des eigenen Landkreises, man möchte ja schon wissen, zu welchem kulturellen Veranstaltungen man nicht hingeht, aber hingehen könnte, so theoretisch versteht sich.
und so habt ihr Euch gegenseitig richtig sauber ins Patt gesetzt. Du schreibst, daß Du Angst davor hättest, was die Reaktionen Deiner Frau, Deines Umfelds sind, wenn Du Dich trennst. Daß Du Angst hast, einen Fehler zu machen, etwas, was ja irgendwie noch gut ist (Eltern oder Du sind offensichtlich deutlich geprägte Nachkriegsgeneration oder Ossis), wegzuschmeißen. Ein bißchen Angst hast Du sicher auch davor, was das finanziell für Dich bedeutet.
Und all das glaube ich Dir. Aber ich sage Dir hier in diesem anonymem Forum auf den Kopf zu, daß das nicht das Hauptproblem ist, sondern, daß ich glaube, daß Du neben all dem schlicht und ergreifend massiv wütend und gekränkt darüber bist, daß Du eine Situation verändern sollst für die nicht Du sondern Deine Frau verantwortlich ist. Du bist wütend und zwar so maßlos und so tief in Dir drin, daß sie dich in eine Situation gebracht hat, die Dir nicht mehr erlaubt der gute Mensch zu sein, von dem Du glaubst, dieser sein zu müssen oder zu wollen.
Wie gesagt, so lange keiner etwas ändert, ändert sich nichts. Und Deine Frau hat einfach durch das Vergehenlassen der Jahre bewiesen, daß für sie Veränderung nicht notwendig ist. Wie schaut das also so für Dich aus? Magst weitermachen oder erkennen, daß etwas, was nicht Dein Problem war, zu Deinem geworden ist?
Mußt Du nicht. Es ist eine Wahl, nicht jeder trifft diese und Du darfst auch nicht vergessen, daß jedermanns individueller Weg nun mal so lange dauert, wie er dauert.
c) Woher weißt Du, ob was Du willst?
Gegenfrage, wie viel Vollkaskomentalität braucht es für Dich? Wie sicher mußt Du Dir sein, einen anderen bestimmten Frauentyp zu bevorzugen ist nur ein kleiner Teil des Problems und nicht Hauptgrund? Wie wenig es Dir tatsächlich auf das Geld ankommt, sondern darauf, daß Du nicht völlig allein die psychische Last der Hypothek schultern sollst? Wieviel Gewissheit braucht es, daß da noch mal eine andere kommt?
Wie wäre das eigentlich? Ein Leben mit Deiner Frau ist besser, als für immer single zu sein, aber deutlich weniger cool als mit der Richtigen zusammen sein? Fragen über Fragen, nicht wahr? Verstehe ich. Verstehe ich ziemlich gut.
Mir scheint, Deine Frau ist nicht die einzige, die Erwachsensein einfach nur so spielt ohne es tatsächlich geworden zu sein. Ein erwachsener, reifer Mensch zu sein, heißt nicht halbherzig Verantwortung für andere zu übernehmen, weil man das halt irgendwie so macht. Sondern Verantwortung dafür zu übernehmen, welche Sorte Mensch man tatsächlich ist! Vielleicht bist Du ein Mensch, dem es lieber ist, hier und dort ein Abenteuer zu haben, der aber im Grunde froh ist, überhaupt mit jemandem zusammen zu sein, anstatt single. Vielleicht bist Du ein Mensch, der über sich selbst erfährt, daß ihm Geld deutlich wichtiger ist, als man das so allgemein offen zugeben darf (immer dieses dürfen nicht wahr). Vielleicht bist Du ein Mensch, der sich einfach überhaupt nicht damit wohlfühlt zu wissen, wie in etwas sein Leben in zehn Jahren ausschaut oder für den das wichtig ist. Vielleicht bist Du ein Mensch, der sein Leben lang geglaubt hat, er hätte Höhenangst, nur um dann herauszufinden, daß es eigentlich Platzangst ist.
Du wirst erst dann anfangen, all diese Dinge herauszufinden, wenn Du Dich selbst auf den Weg machst. Deinen Weg. Deinen unbequemen Weg suchst, nicht mehr darauf schielst, daß sich ja eigentlich jemand anders ändern müsste, sondern Du für Dich annimmst, daß Du herausfinden magst, was Du willst und wer Du eigentlich bist.
Ich mag Dir hier nicht, im Gegensatz zu anderen, zur Trennung raten, weil in Deinem Fall, Trennung im Gegensatz zu dem was Du glaubst, nicht der Beginn eines neuen, anderen Lebens ist, sondern in Deinem Fall die Trennung (oder nicht) das Ergebnis, Deiner Reise zu Dir selbst sein wird. Ich rate Dir allerdings zu folgendem: Du kannst vielleicht nicht ändern, welche Zeitschriften Deine Frau liest, aber Du kannst in jedem Fall mal, Deine Wahl überdenken.
Zunächst empfehle ich bei Vielleicht unserer Tageszeitung, den Regionalteil zu ändern. Abonniere doch mal den eigenen (!) Lokalteil und schau, welche Veranstaltungen es so gibt und geh mal zu einer. Und Steuern sparen für Peter Pan würde ich kündigen. Ich habe gehört, dass Männliche UnTiefen ein ganz passables Magazin ist. Wird abgekürzt zu M.U.T. mit dem hübschen Untertitel M.U.T. ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern trotz dieser etwas dennoch zu tun. Soll gut sein.
Aber letzteres hatten wir ja schon mal, wenn ich mich nicht irre.
Alles Gute.
01.10.2020 20:36 •
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