Was mir immer wieder auffällt, sind die hohen Ansprüche, die im Rahmen von Beziehungen aneinander gestellt werden. Die nicht erfüllbar sind. Woran die meisten zerbrechen, innerlich oder aber deren Beziehungen.
Zu Deinem Problem. Wenn man wachen Auges durch das Leben geht, sieht man den einen oder anderen Menschen, zu dem man spontan Zuneigung empfindet und mit dem man vielleicht auch ein bißchen mehr erleben möchte als nur zu reden.
Moralisch springt sofort das Klappmesser auf: ich lebe doch in einer Beziehung, ich will dem anderen nicht weh tun und natürlich die Ausschließlichkeit des Anspruches auf das Gefühlsleben des anderen: wenn du Gefühle für andere hast, dann sind sie nicht für mich und in dem Moment, in dem ich mich auf eine Beziehung mit dir eingelassen habe, gehört mir deine Seele. Dabei ist es häufig sogar so, daß freundliche Flirts das eigene Beziehungsleben bereichern, weil man einfach gut gelaunt nach Hause kommt.
Um Deine Frage zu beantworten: Zu ehrlich - ja. Kein Mensch gehört einem anderen. Wenn ich mir vorstelle mit einem anderen Menschen dieses oder jenes zu veranstalten - dann sind das Phantasien. Niemand ist verpflichtet - rein aus rationalen Gründen - diese Phantasien mit seinem Partner zu teilen - gott sei Dank auch. Die Gedanken sind frei.
Was viele zur Ehrlichkeit hinreißen läßt, ist die Abgabe der Verantwortung für das eigene, häufig turbulente, Gefühlsleben. Ich sag dir, was ich für jemand anderen empfinde und du verzeih mir gefälligst und segne das ab. Funktioniert nicht.
Es sind einfach klare Entscheidungen zu fällen - für einen selbst: Was ist mir meine Beziehung wert? Will ich sie gefährden oder nicht? Wie erlebt mein Partner die Mitteilung, daß ich (auch) Gefühle für einen anderen empfinde? (normal: als Bedrohung, daß etwas weggenommen wird, was meistens jedoch nicht einmal der Fall ist.)
Wenn ich mit meinem Partner über mein Gefühlsleben reden kann und der das auch so stehenläßt und sich nicht zurückzieht oder vor Eifersucht ausrastet - dann ist es problemlos möglich, grundehrlich miteinander umzugehen. Einen solchen Zustand erleben aber häufig erst Beziehungen mit einer langen Haltbarkeit und der geteilten Erfahrung, daß so schnell nichts kaputt geht und schon gar nicht, weil einer mal Phantasien entwickelt oder sogar mehr. Wenn ich jedoch meinen Partner so gut kenne, daß für ihn allein der Gedanke an eine andere Person zu Suizid- oder Trennungsversuchen führt, dann laß´ ich es sein. Ich würde es immer situativ entscheiden und vor dem Hintergrund dessen, was das bei meinem Partner auslöst.
Erfahrungsgemäß ist es besser, nicht mit jeder Kleinigkeit zum Partner zu latschen sondern die Gefühle mit sich selbst auszumachen. Wenn mir mein Partner wichtig ist, versuche ich doch alles, was ihm bedrohlich erscheint, entweder zu vermeiden, oder aber es nicht zu kommunizieren. Da liegt doch eine Menge Entscheidungsspielraum.
Anders verhält es sich, wenn man sich ernsthaft für einen anderen Menschen interessiert und den eigenen Partner aufrütteln möchte. In dem Fall kannn man seine Veränderungswünsche, die eigene Beziehung betreffend, aber auch anders formulieren.
Aldonza
PS: Ich find es wichtig, auch in Beziehungen einen klaren, distanzierten Blick für sich, den anderen und auf das Beziehungsgeschehen zu behalten. Das wiederum impliziert die Frage: Warum tut der andere das und was ist die Funktion seines Verhaltens - was will er/ sie erreichen? Notfalls nachfragen ;)