Hallo!
Nun, wie fange ich so etwas an? Greife ich ganz zurück, 20 Jahre, oder fange ich mit der jüngeren Vergangenheit an?
Vielleicht doch 20 Jahre zuvor, damit man mich besser versteht...
1994 wurde ich Vater. Damals hieß es von beiden Familien, ihr müsste jetzt heiraten. Nicht meine Wahl, ich hätte sie sicher gehabt, klar, kann nicht gezwungen werden, aber ich dachte, ich müsste dazu stehen. Gefühle waren aber damals schon nicht mehr so stark, dass es eine Heirat gerechtfertigt hätte.
Es kommt, wie es kommen muss, ich trenne mich von meiner Frau nach zwei Jahren, ich hatte damals keinen Seitensprung oder Affäre oder dergleichen. Später habe ich erfahren, dass Sie eine hatte, traf mich etwas, aber da wir schon getrennt waren, nicht so sehr. Diese Tochter ist jetzt 21, lebt seit ihrem 8 Lebensjahr bei mir.
Einige Monate Single, wunderbares, aber einsames Leben. Dann eine Frau kennengelernt, verliebt. Zusammengezogen. Warum diese Frau frage ich mich heute noch oft, aber Gefühle sind nun mal da gewesen, ich habe mich damals wohl gefühlt, konnte für Sie und ihre Kinder sorgen und konnte ihr beistehen. Zwei Jahre später wurde Sie schwanger, ich war glücklich, das war ein Kind der Liebe. Ich schmiedete schon Pläne, wie es weitergehen sollte, machte ihr einen Antrag, den sie annahm.
Dann irgendwann, 1999, war zu Hause immer besetzt. Das war die Zeit, als man sich noch via Telefon ins Internet gewählt hat. Es war wirklich den ganzen Tag über besetzt. Da fing ich das Grübeln an, was wohl los ist. Ich erwischte Sie, als sie mit anderen schrieb, Männer, was, las ich aber nicht. Ich bat sie, ehrlich zu sein, was da ist, sie meinte es wäre nichts, sie würde nur schreiben, belanglosen Kram, Larifari Chat eben.
Besetzt war es trotzdem weiterhin jeden Tag, stundenlang. Telefonrechnungen kamen angeblich nicht an, was mich wunderte. Immer mehr fiel mir auf, dass etwas nicht stimmt, dass etwas läuft, ich hatte ja keine Ahnung, was alles. Ich war sogar in psychologischer Behandlung, weil sie und ihre Freunde meinten, ich sähe Gespenster, würde mir was einreden.
Eines Tages meinte sie, sie würde mit einer Freundin übers Wochenende wegfahren, nach Hamburg auf den Dom. Dumm nur, dass diese Freundin dann am Abend anrief und nach ihr fragte. Sein Alibi sollte man vielleicht einweihen. Daraufhin fing ich dann zu suchen, fand diverse Zettel und Liebesbriefe, nicht nur ein Mann, mehrere, 7 oder 8 waren es. Einige hatte sie bereits getroffen und was so da stand, war eindeutig.
Am gleichen Abend packte ich meine Sachen und zog aus.
Zwei Monate später ruft sie mich an, ob ich unsere Tochter nehmen könnte für einige Tage, sie müsste gesundheitlich we, sie hätte Brustkrebs und würde nach Essen in eine Klinik fahren.
Ich nahm meine Tochter zu mir, sie war gerade zwei geworden. Ihre Mutter, die angeblich krank war, kam nie wieder. NICHT EINMAL. Sie lebt, ist gesund, das weiß ich, weiß auch wo, wo sie wohnt und so weiter..
Meine Tochter fragte noch einige Wochen, so wie es kleine Kinder tun, die gerade das Sprechen lernen, wo ihre Mama ist. Ich konnte es ihr damals nicht sagen. Krebs hat sie übrigens nicht gehabt.
Ich war durch mit Frauen, nie wieder, hatte ich mir geschworen. Lieber allein, hier und da mal ein bisschen Spaß, aber mehr nicht. Da kam meine zweite Frau in mein Leben. Sie war süß, jünger als ich, nett anzuschauen, aber mehr sollte es nicht für mich sein. Sie war in dieser Zeit für mich da, kümmerte sich mit um meine Tochter, wurde zum Mutterersatz für sie.
So kam es, wie es kam, wir heirateten zwei Jahre später, aber nicht, weil ich sie so sehr liebte, sondern weil ich merkte, wie gut sie meiner Tochter tut, dass die Kleine endlich wieder eine Mutter hat, und ich wollte, dass meine Tochter es gut hat.
Mit dieser Lüge, dass ich nur wegen meiner Tochter geheiratet habe, musste ich leben. Ich hatte es gut, wenn auch keine Frau, die ich so lieben konnte, wie sie es verdient hätte, doch meine Ex-Frau war und ist eine tolle Mutter, aber so einfach, wie ich dachte, war es nicht, mit jemanden zusammenzuleben, für den man keine Liebe, oder nicht genug Liebe empfindet. Sie war aber immer für mich da, als meine Eltern starben und als ich um meine erste Tochter kämpfen musste, stand Sie mir auch immer zur Seite. Dafür werde ich ihr ewig dankbar sein und wünsche ihr alles Glück auf Erden, dass sie jetzt auch gefunden zu haben sein.
Weiter.. Nach zwei oder drei Jahren, die Erinnerung verschwimmt, habe ich mich wirklich verliebt. Tiefe Liebe, es passte alles. Interessen, Vorstellungen, einfach alles.
Ich beichtete es meiner Frau, es kam zum Streit, verständlich, es wurde laut. Sie rief, weinte, sie werde jetzt ausziehen.. Da kam meine Tochter, dessen leibliche Mutter auf Nimmer Wiedersehen verschwand, ins Zimmer gelaufen, rief 'Mama, bleib, du darfst nicht weg'. Beide weinten, ich weinte. Am nächsten Tag habe ich die neue Liebe angerufen und gesagt, Ich kann das nicht, ich kann meiner Tochter das nicht antun, noch eine Mutter zu verlieren. Ich habe nach 10 Jahren Kontakt zu dieser Frau gesucht, nicht, um altes aufleben zu lassen, sondern um Vergeben zu bitten, für das, was ich ihr damals antat. Sie hat mir vergeben und ist jetzt glücklich verheiratet. Danke Claudia!
Fast 10 Jahre habe ich so gelebt. Mich selbst vielleicht vergessen, meine Sehnsüchte, dass Bedürfnis, jemanden aufrichtig von ganzem Herzen lieben zu können, und nicht etwas vormachen, nur der einen Tochter zuliebe. Ich hatte Depressionen, die 2011 damit endeten, dass ich einen Selbstmordversuch beging, der aber glücklicherweise nicht klappte. Freunden und Familie habe ich erzählt, dass ich einem Reh ausgewichen bin, ja, ich hab es mit dem Auto versucht, Vollgas auf einen Brückenpfeiler, knapp verfehlt (Habt ihr eine Ahnung, wie schwer es ist, das Auto auf Gras, hoppelig, in der Spur zu halten?)
Februar 2012 sagte ich meiner Frau, dass ich mich trennen möchte, mein Leidensdruck war zu groß, und nochmal wollte ich es nicht riskieren, dass ich mit dem Gedanken spiele, meinem Leben ein Ende zu setzen.
Die zweite Tochter war da 14 Jahre alt. Sie hat jetzt Depressionen, ritzt sich und ist regelmäßig in psychiatrischer Behandlung, woran ich mir die Schuld gebe, da es kurz nach der Trennung begann.
Ich war 6 Monate in etwa allein, nicht ganz, meine Frau wohnte noch im Haus, bis sie etwas eigenes hatte, ist dann im Sommer ausgezogen. Ich sagte mir dieses Mal aber nicht, dass ich lieber allein sein möchte, ich möchte eine Frau kennenlernen, sie lieben, von ganzem Herzen und endlich einfach nur glücklich sein.
Diese Frau kam auch, ich fuhr jeden Tag 150km, nur um bei Ihr zu sein. Ich liebe Sie, immer noch, aber ich merkte früh, dass es nicht so leicht ist mit ihr (und mit mir). Sie hat 8 oder 9 Jahre allein gelebt, das merkt man heute noch oft. Es war 1 1/2 Jahre wunderbar, trotz der häufigen Streitereien, die sich ergaben, weil ich eine Beziehung wohl anders lebe als sie. Zum Beispiel hatte ich nicht das Gefühl, ein Teil ihres Lebens zu sein. Zuhause, ja, aber woanders nicht. Ich kenne bis heute nur zwei ihrer Freunde. Wenn Sie etwas erzählt von Zuhause, dann ist es üblicherweise ein 'Ich habe..., Ich war...', auch wenn es gemeinsam mit mir war, ein 'Wir' kam nur sehr selten. S. lief nach 1 Jahr immer weniger. Ich habe mir vorwerfen lassen dürfen, dass ich nur an 'das Eine' denken würde, wenn ich zärtlich werden wollte. Ich habe sogar eine Strichliste geführt, um zu wissen, wie oft ich zärtlich werden wollte aber abgewiesen wurde. Ich habe nach einigen Monaten aufgehört mit der Liste, zu sehen wie oft das passierte tat doch etwas weh, und entschieden, dass ich es nicht mehr versuche, sondern einfach warte, bis sie möchte. Verführen ging einfach nicht mehr. S. gab es dann noch, aber eher selten. Ich jammere auf hohem Niveau, das weiß ich, ich hatte dennoch sicher mehr S. als manch anderer, alle zwei bis drei Wochen.. Aber wenn man nicht erobern darf, immer nur warten muss.. Der Witz ist, dass sie einmal meinte, sie wollte auch verführt werden, als ich es versuchte, nicht nur einmal.. Naja, Strichliste..
So habe ich jetzt das Gefühl, seit 1 ½ Jahren eher nebeneinander her zu leben, statt gemeinsam. Ich möchte so viel Liebe geben, gebe sie auch, aber es fühlt sich so an, dass ich nicht viel zurückbekomme. Oft habe ich gedacht, dass ich das nicht mehr will, ich wollte nicht so eine Liebe leben, in der mir so vieles fehlt. Ich bin oft nachts auf der Couch geblieben, Whiskey wurde ein guter Freund (bin aber kein Trinker geworden, toi toi toi). Ich hatte oft in den letzten Jahren das Gefühl, nur zweite Wahl zu sein, warum, erläutere ich jetzt nicht, dann wird es nur noch mehr Text.
Jetzt kommt der Grund, warum ich hier überhaupt so viel schreibe.
Ich liebe diese Frau noch, oder zumindest fühle ich mich ihr sehr verbunden, aber ich weiß nicht, ob das noch reicht?
Ich lernte, mal wieder, eine Frau kennen, klar, sonst würde ich hier nicht schreiben. Das geht seit einiger Zeit so, wir schreiben, telefonieren und haben uns auch bereits mehrfach getroffen, es ist schön, mit ihr zu reden, dass ich da so verrückt sein darf, wie ich es bin, dass sie den gleichen Humor teilt wie ich und dass sie mich ihren Freunden vorgestellt hat, keine Geheimnisse. Ich fühle mich da so angekommen. Rosarot sehe ich es sicher auch, weil ich verliebt bin, das ist wohl nicht zu beschönigen.
Ich weiß im Grunde, dass ich so nicht weiterleben möchte, wie es zuhause ist, aber ich scheue mich davor zu gehen, und den Grund kann der interessierte Leser sich vermutlich denken: Meine Tochter, deren Mutter einmal weglief und deren zweite Mutter ich verließ, weil ich mit meiner Lüge nicht mehr leben konnte. Ich habe Angst davor, was mit meiner Tochter passiert, wenn ich meine Partnerin verlasse, ob es mit meiner Tochter wieder schlimmer wird, ich wieder Abschiedsbriefe von ihr finden werde, sie sich wieder ritzt, wieder in eine depressive Phase fällt.
Meiner Partnerin habe ich erzählt, dass ich nicht mehr so empfinde wie früher, dass ich nicht weiß, ob ich ihr noch eine Chance geben möchte oder oder kann. Sie fiel aus allen Wolken, hätte nichts so richtig bemerkt, obwohl ich ihr oft genug sagte in den letzen 1 ½ Jahren, was mich bedrückt, was ich gerne anders erleben würde. Weiß Gott, nicht nur einmal.
Ich bin jetzt hin- und hergerissen. Einerseits die Angst, was mit meiner Tochter wird, ich würde vermutlich lieber wieder 10 Jahre so leben wie zuvor, mit den Konsequenzen, die es für mich wieder bringt, als dass ihr Leid zuteil wird, andererseits das Verlangen auszubrechen.
Was die ‚andere’ Frau angeht, so weiß ich, dass es keine Garantie dafür gibt, dass ich mit ihr glücklich sein werde, aber das Verlangen, die Sehnsucht ist einfach groß, und die Frequenz, auf der wir funken, deckt sich so sehr, wie ich es nie zuvor erlebt habe. Am äußeren kann es jedenfalls nicht liegen. Sie ist nicht hässlich, absolut nicht, aber im Vergleich zu meiner Partnerin kein Vergleich. Das freut mich auch irgendwie, weil ich so weiß, oder denke zu wissen, dass da mehr Anziehung ist als nur das Aussehen. Wir sehen uns selten, die Entfernung ist etwas größer. Sie kennt meine Lage, ich habe ihr von Anfang an alles erzählt, mein ganzes Leben und vor allem, was mit meiner Tochter ist.
Nun, ich bin jetzt hin- und hergerissen, habe Angst vor meinen Entscheidungen, nicht mich betreffend, sondern meiner Tochter gegenüber. Zum gewissen Teil natürlich auch mich betreffend. Ich weiß, dass es sich für viele so lesen wird, als schübe ich meine Tochter als Ausrede vor, eine Entscheidung zu fällen, was mein Leben angeht, aber ich tue mich wirklich schwer damit, sie hat bereits genug Leid erfahren, ich bin es gewohnt..
Danke fürs Lesen bis hierhin, es war eine Menge Text..
Ich weiß einfach nicht weiter...
Gruß,
Paszalpa
18.05.2015 13:06 •
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