[quote=Fridi2680] : Danke für Deinen tollen Text und Deine geschilderten Erfahrungen! Du sagst Dein Mann war dir egal... wie hast du es geschafft ihn wieder zu lieben?
Ich hatte nie aufgehört ihn zu lieben.Das wurde mir aber erst später bewusst. Die Ehe war damals auf einem Tiefpunkt, ich langweilte mich in meinem Leben, mein Mann langweilte mich, ich fühlte nur einen gewissen Überdruss und Frust.
Damals hatte ich eine wesentlich jüngere Kollegin, mit der ich auch privat relativ viel sprach. Sie war 26, bereits 4 Jahre verheiratet und dann lernte sie auf einer Geburtstagsfeier einen Mann kennen, den sie vorher schon gesehen hatte, weil er bei ihren Eltern den Hof gepflastert hatte. Damals beschränkte sich der Kontakt auf Grüßen und ein wenig Smalltalk, eher der Auftrag erledigt war.Auf den Geburtstag war eigentlich ihr Ehemann eingeladen, der an dem WE aber keine Zeit hatte und so ging sie alleine hin. Wie das so ist, man plauderte, flirtete, lachte und später dann hielt man per Mail Kontakt und irgendwann die erste Verabredung usw. Wie hat sich dann sehr schnell von ihrem Mann getrennt, sie wollte nicht mehr und zog aus. Sie wurde dann innerhalb weniger Monate vom AM schwanger und hat nun zwei Kinder und ist in zweiter Ehe verheiratet.
Ist sie nun glücklich? Was ich hörte, eher nicht. Sie schlafen in getrennten Schlafzimmern und die Ehe scheint eher eine Zweckgemeinschaft zu sein, weil man ja zwei Kinder hat. Also läuft auch Ehe Nummer zwei nicht sonderlich gut.
Das nur nebenbei, aber als mir die Kollegin damals von ihrer Affäre und anschließenden Trennung erfuhr, spürte ich Neid. Dieses Gefühl von Verliebtheit hätte ich auch gerne mal wieder gespürt. Ich schätzte meinen Mann immer, aber das was man so Liebe nennt, empfand ich nicht mehr.
Gott oder das Leben erfüllen manchmal Wünsche und da meine Antennen auf Empfang standen, kam mein AM in mein Leben und ich bekam alles, was ich bereits vermisst hatte. Das Ganze stand nach den ersten paar Wochen unter keinem guten Stern, aber ich hielt eisern am AM fest. Am EM aber auch.
Und hätte mich Jemand gefragt, wen willst Du denn jetzt eigentlich, hätte ich es nicht sagen können. Beide hatten gute und schlechte Eigenschaften und beide ihre Qualitäten. Als mir das bewusst wurde, dass ich ganz weder zu dem einen noch zum anderen tendieren würde, tat ich erst Mal nichts und ließ es weiter laufen.
Eine Wahlmöglichkeit war aber eigentlich gar nicht mehr gegeben, weil der AM bereits in die Distanzphase übergegangen war. Was hätte ich getan, wenn er gesagt hätte, trenn Dich von Deinem Mann, komm zu mir? Ich weiß es nicht, ich denke, ich hätte auf Zeit gespielt. Niemals hätte ich meinen Mann leichtfertig verlassen, das wusste ich!
Durch die Distanzmanöver des AM aber geriet ich in die Rolle der Abhängigen und Klammernden. Typisches Verhalten für Bindungsvermeider. Wenn das geliebte Objekt unerreichbar wird, traben sie hinterher und werden beharrlich und zielstrebig. Ich konnte ihm ja gefahrlos hinterher laufen, mein Unterbewusstsein lehnte sich bequem zurück und wusste, kein Problem, das mit dem AM wird ja eh nichts. Soll sie sich ruhig abstrampeln, soll sie ruhig leiden und 1000 Tode sterben, mir egal, ich bin sicher!
Zu dem Zeitpunkt waren mir die Mechanismen allerdings alles andere als klar. Ich wusste nur eines, die Ehe einfach hinzu werfen, könnte ein fataler Fehler sein. Die Qualitaten meines Mannes würde ich bei einem anderen kaum wieder finden, am wenigsten beim AM, nach dem ich mich vordergründig aber verzehrte.
Nach einem desaströsen WE mit dem AM und einer Zugfahrt nach Hause, auf der ich weite Strecken heulte, ging ich zu meinem Auto, kehrte den Schnee ab und auf einmal fiel die ganze Trauer von mir ab. Ich hatte mein Zuhause, ich hatte meinen Mann, ich hatte einen Mittelpunkt in meinem Leben und den durfte ich nicht aufgeben. Da war ich zu Hause, da war Ruhe und kein Stress, da fühlte ich Akzeptanz und auch Geborgenheit.
Die Affäre selbst zog sich zwar noch einige Zeit hin, aber im Grund genommen wusste ich wo ich hingehörte.
Aber bis das alles auf die bewusste Ebene sickert, dauerte es. Im Unterbewusstsein wissen wir viel mehr, als wir bewusst wahrnehmen.
Da die Zuneigung zu meinem Mann ja immer da war, konnte ich in der Ehe bleiben. Allerdings war auch das ein Prozess, denn trotz allem bedeutete mir der AM, der sich von mir getrennt hatte, durchaus viel. Es kam der Prozess des Entliebens und Loslassen, der schon mal ein paar Monate dauert. Ich brauchte damals viel Zeit für mich, unternahm viel allein, übernahm beruflich noch etwas und die Ehe lief weiter.
Glücklich war ich noch nicht wieder, weil ich immer noch trotz allem auch am AM hing. Damals war ich auch bei einem Therapeuten, einfach mal so zu einem Beratungsgespräch.
Damals sagte ich, ich habe das Gefühl, als wäre ich ein Schiff oder ein Boot, das in See stach, ein fremdes Schiff kapern wollte und Blessuren erlitt. Das Wesen eines Schiffes ist ja auch, dass es unterwegs auf dem Meer ist. Und doch weiß das Schiff, dass es seinen Hafen hat, seinen Fels in der Brandung und das ist mein Mann.
Da sagte der Therapeut ganz trocken: Wäre interessant zu wissen, was wäre, wenn der Fels nicht mehr da wäre?
Da wusste ich es, diese Frage konnte ich beantworten. Das Schiff ist nur unterwegs, solange der Fels da ist. Wäre er weg, würde es vlt. in einem Hafen vor sich hin dümpeln oder ziellos unterwegs , aber unglücklich sein.
Seither ist mein Fokus auf den Fels gerichtet und das Schiff hat kein Interesse mehr, fremde Schiffe zu kapern. Mein Mann ist mehr wert als früher.
Erst in den letzten Jahren fühle ich mich tatsächlich verheiratet. In den Jahren zuvor hatte ich eher das Gefühl eines verheirateten Singles.
Was ich hier schreibe, war ein Prozess, der über Jahre ging.Daher sage ich immer, entscheide nichts vorschnell. Manchmal lohnt es sich abzuwarten, weil man manchmal Zeit braucht, bis man tatsächlich weiß was man will. Und manchmal muss man vielleicht auch Abwege gehen und scheitern, um zurückkehren zu können.
Ich hatte es trotz allem auch leicht. Mein Mann wusste iwann der Affäre und wartete ab. Er stellte keine Ultimaten, er übte keine Druck aus und er kannte mich wohl besser als ich mich selbst. Die braucht jetzt ihre Zeit, bis sie sich wieder gefangen hat, dann kommt sie wieder ganz zurück. Er hat Geduld ohne Ende.
Dass unsere Ehe seinerzeit nicht mehr gut lief, wusste auch er, aber er konnte mich damals schon nicht mehr richtig erreichen. Auch etwas, was ich erst später erkannte. Ich hatte mich entfremdet und er kam nicht mehr an mich ran. Versuchte es zwar, aber es war umsonst. Ich war weit weg, aber nicht so weit, dass ich alles hingeworfen hätte.
Ich denke, Krisen gehören zu jeder Ehe und nur durch Krisen lernen wir. Ohne Krisen keine Weiterentwicklung. Durch die Affäre habe ich in einigen Jahren viel mehr über mich gelernt als in Jahrzehnten zuvor.Ich bin mehr bei mir angekommen und lasse nicht mehr zu, dass das Schiff von anderen Kapitänen wie Überdruss, Frust, Langeweile, Sehnsüchten gesteuert wird. Ich bin kein Schiff mehr, sondern bin selbst der Kapitän in meinem Leben. Und einen Co-Kokapitän gibt es auch, der in vielem klüger ist als ich, mich aber trotzdem sehr liebt.
Liebe ist ein Geschenk, das man nicht leichtfertig wegwerfen sollte.
Begonie
03.07.2020 15:37 •
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