Danke für die vielen guten Beiträge. Ich versuche, soviel wie möglich zu beantworten, ohne dass es unlesbar lang wird.
@keto: Du hast Recht, dieses Gefühl hatte ich in der Tat fast völlig vergessen. Ich bin da geradezu blauäugig hineingestolpert, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass das nochmal möglich sein könnte. Im Nachhinein hätte ich wohl lieber viel mehr Abstand gehalten, um diese Situation zu vermeiden, aber das ist jetzt nicht mehr zu ändern.
Wie für mich die perfekte Beziehung aussieht? Nun ja, nicht alles an meiner aktuellen Beziehung ist schlecht. Ich finde es gut, wenn man auch eng befreundet ist, wenn man sich stundenlang über interessante Themen unterhalten kann, wenn man füreinander da ist und dem anderen zeigt, dass man ihn gern hat. Ich sehe das nicht als Freundschaft oder Liebe, sondern ich denke, das zweite kann ohne das erste auf Dauer nicht gut funktionieren. Aber ich wünsche mir auch, dass man miteinander intim sein kann, dass man ehrlich zueinander sein kann, dass man eine gemeinsame positive Zukunft sieht, und all das sehe ich in meiner derzeitigen Lage nicht.
@kaetzchen: Wie es zu dieser Situation gekommen ist? Das ist kompliziert. Ich habe sie vor etwa 15 Jahren kennengelernt, mich in sie verliebt, aber wir sind damals nicht zusammengekommen. Stattdessen hat sie eine Beziehung mit einem anderen Mann angefangen, der sie - weil sie mit ihm nicht ins Bett wollte - vergewaltigt hat. Als wir uns dann wieder begegnet sind, hat es diesmal funktioniert und wir sind ein Paar geworden - aber sie war nicht mehr dieselbe Person. Am Anfang hat sie versucht, mir Normalität vorzuspielen, hat mit mir sogar geschlafen, obwohl es für sie offenbar quälend war. Ich habe das aber einfach nicht gemerkt (ja, den Schuh unsensibler Klotz muss ich mir anziehen). Diese scheinbare Normalität bekam nach knapp zwei Jahren Risse, irgendwann hat sie mir erzählt, was ihr passiert war, und mir gestanden, dass alles, was wir an Intimität hatten, für sie zum Albtraum geworden war. In dieser Zeit wurden auch die Schlafstörungen immer problematischer, sie war offenbar an der Grenze dessen angelangt, was sie verdrängen konnte. Spätere Besuche beim Psychologen brachten auch keine sichtbare Besserung. Ich habe ihr damals versprochen, sie so gut wie möglich zu unterstützen und natürlich auf all das Rücksicht zu nehmen. Wenn man den Partner liebt, dann denkt man, man könnte alles ertragen. Außerdem hatte ich die Hoffnung, dass es mit der Zeit besser werden würde. Aber ich habe das nie so gewollt. Ich bin in diese Retter-Rolle hineingeraten aus Pflichtgefühl und dem Wunsch, dass die Zeiten wieder besser werden mögen, aber nicht aus dem Bedürfnis heraus, der große Held zu sein.
Ich muss auch gestehen, dass ich nie der große Held war, der sich immer selbstlos zurückgehalten hätte. Ich habe sie immer wieder gedrängt, immer wieder gejammert oder war wütend auf sie, dass sich nichts gebessert hat. Sie hat sich - zu Recht - darüber beschwert, dass ich zuviel Druck auf sie ausübe und dass sich die Probleme so nicht verbessern könnten. Aber in dem Maße, in dem ich aufgehört habe, sie zu drängen, hat sie sich in der Situation eingerichtet. Irgendwann habe ich verstanden, dass es sinnlos ist, auf Besserung zu hoffen, weil für sie die Beschäftigung mit dem Thema extrem unangenehm ist und sie keinerlei Absicht hat, sich dem nochmal auszusetzen - es läuft in ihrem Verständnis immer darauf hinaus, dass sie letztlich einfach zu Handlungen rumgekriegt werden soll, die sie zutiefst verabscheut, und das wehrt sie ab, so gut sie kann.
Mit den Angstreaktionen ist es dasselbe. Auch hier haben wir oft darüber gesprochen und vereinbart, dass sich die Dinge verbessern müssen, und wenn man sie darauf anspricht, dann sagt sie auch, dass sich jetzt bestimmt alles ändern würde und sie schon viel besser klarkommen würde, aber dann ist wieder ein Jahr vorbei und nichts hat sich geändert. Bestenfalls wurde eine Angst durch eine andere ersetzt.
Wie gesagt, ich bin in diese Situation hineingerutscht. Und ja, bis zu einem gewissen Grad fühle ich mich verraten. Denn auch wenn ich selbst einiges falsch gemacht habe und aus heutiger Sicht vieles anders machen würde, und auch wenn ich nicht immer fair zu ihr war, war meine Zusage, meine Bedürfnisse zurückzunehmen und Rücksicht auf ihre Situation zu nehmen doch irgendwie auch von der Annahme bewegt, dass sie sich nicht in dieser Rücksichtnahme einrichtet und das dann irgendwann als Normalität erwartet, sondern dass sie sich gleichermaßen Mühe gibt, die Situation zu verbessern. Ich denke, das ist letztlich auch ein wesentlicher Grund dafür, wieso sich meine Gefühle ihr gegenüber geändert haben. Denn selbst wenn ich rational nachvollziehen kann, warum sie sich so verhält, kann ich das emotional nicht gleichermaßen nachfühlen.
@scarlett2016: Ich weiß nicht, was ich einem anderen in meiner Situation raten würde. Verantwortung ist jedenfalls ein Gefühl; wenn man es empfindet, dann ist es da, und dann ist es unwichtig, ob man es möchte oder nicht. Selbst wenn ich in der Beziehung unglücklich bin, selbst wenn ich mich trennen würde, wäre es mir nach wie vor wichtig, dass es ihr gut geht. Es ist mir nicht möglich, mich hinzustellen und zu sagen Das ist ihr Leben, das geht mich nichts mehr an. Das kann ich mir hundertmal rational überlegen, aber das Gefühl, verantwortlich zu sein, geht davon nicht weg.
@murph: Wenn die andere Dame eindeutigeres Interesse zeigen würde, dann wäre ich vermutlich emotional völlig im Chaos. Das würde aber vermutlich nur noch Schuldgefühle oben draufsetzen, weil ich jetzt auch noch für ihre emotionale Achterbahnfahrt mitverantwortlich wäre. Für sie wäre es definitiv besser, wenn sie kein Interesse an mir hätte, und ich hoffe, dass es auch so ist (den Teil von mir, der das Gegenteil hofft, ignorieren wir mal gerade). Ja, sie weiß dass ich in einer Beziehung bin und ja, ein anständiger Mensch würde dann auch nur freundschaftlichen Umgang pflegen, also ist es schwer zu sagen, was sie empfindet. Müsste ich wetten, würde ich aber vermuten, dass da außer Freundschaft auch tatsächlich nichts anderes ist. Zum Glück. Ich will nicht noch mehr Kummer verursachen als sich vielleicht schon ohnehin nicht mehr vermeiden lässt.
09.04.2017 03:34 •
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