Sonntag, 29.07.2012, es ist kurz nach 09.00 Uhr, ein kleiner Friedhof im Osten Hamburgs. Ich war schon sehr oft hier, seitdem ich weiß, dass Du hier begraben liegst. Ich möchte, dass Du ein gebührendes Andenken bekommst, das Deiner würdig ist. DU - meine über alles geliebte Tochter, mein kleiner Engel, mein leuchtender Stern, mein kleiner Sonnenschein.
Ich bin immer noch fassungslos, wirke zeitweise, selbst nach über einem Jahr noch, wie gelähmt, dass Du einen derartigen Entschluss gefasst und umgesetzt hast. WARUM ? WARUM NUR ? WARUM HAST DU DAS GETAN ? WARUM HAST DU MIR DAS ANGETAN ? Papa war doch immer für Dich da, wenn Du mich gebraucht hast, wenn ich Dir zugehört habe, wenn wir beide zusammen waren. Mein Gott, wir hatten so viel Spaß miteinander. Gab es wirklich keine andere Möglichkeit, der Hölle Restfamilie zu entfliehen ?
Ich bin angekommen. Vor mir ist Dein Grab. Es ist der Schandfleck des gesamten Friedhofs. Deine letzte Ruhestätte. Trostlos, lieblos, absolut keine Liebe erkennbar. Ich bin tief erschüttert. Auf Deinem Grab ist ein Holzkreuz, zusammen gezimmert aus zwei billigen Holzlatten aus dem Baumarkt, mit schwarzem Edding steht Dein Name dort geschrieben, Dein Geburtsdatum 21. November 1996 und daneben das Datum, das mein Leben verändert hat, der 15. Juni 2011, genau eine Woche vor dem Scheidungstermin - ich bin mir sicher, dass Du damit ein Zeichen setzen wolltest. In einem Plexiglaskasten ein Delphin, Dein erstes Stofftier. Wenigstens den hat man Dir gelassen. Das ewige Licht, das ich Dir letztens auf Dein Grab gestellt habe, ist verschwunden, die Blumen, die ich gestern auf Dein Grab gelegt habe, sind auch nicht mehr da. Entsorgt im Mülleimer, genauso wie Deine Mutter mich, Deinen Papa, entsorgt hat, behandelt wie ein Stück Dreck, Abfall eben.
Wut, unbändige Wut steigt in mir auf. Wut und Hass, Hass auf Deine Mutter. Warum hat sie Deinen Willen nicht respektiert ? Warum ? Ich könnte schreien, laut schreien, habe einen Kloß im Hals, kein Laut kommt über meine Lippen. Du wolltest zu mir, bei mir leben, und wir hätten das auch geschafft, wir hätten alles zusammen geschafft. Das weiß ich. Deine Mutter hat Dich als lebenden Zugewinn der Ehe betrachtet, wollte lieber Kindsunterhalt und HARTZ IV kassieren, statt zu arbeiten. Kennst Du noch die Sparkassen-Werbung ? Mein Haus, mein Auto, mein Swimmingpool, ... ja, und meine Kinder !
Meine Kinder - Das Herz hat mir Deine Mutter damit herausgerissen, es auf den Boden geschmissen und ist darauf herumgetrampelt. Es hat ihr Spaß gemacht, mich leiden zu sehen, mich zu zerstören, mich zu vernichten. Sie wusste ganz genau, dass Du mein ein und alles bist. Das allerliebste, was ich hatte, hat sie mir, für immer, genommen.
Papa war immer anständig, hat bei allen Verfahren immer sachlich argumentiert. Papa ist kein Schwein, der einer Frau zwischen die Beine tritt, damit er sein Recht bekommt. Das war wohl ein großer Fehler ! Ich hasse mich dafür, dass ich nicht brutal und rücksichtslos gewesen bin. Aber Papa kann das nun mal nicht. So habe ich keine Chance gehabt, obwohl ich bis zum bitteren Ende um Dich gekämpft habe. Papa musste aufgeben, weil der Familienrichter und sogar die eigene Rechtsanwältin gemeinsame Sache gemacht haben, Papa ausgebremst haben, weil ich dem Familienrichter zu seiner Pensionierung seine 100 % In dubio pro mama-Quote durchtrieben hätte. Es tut mir so unendlich leid, mein kleiner Sonnenschein. Papa hat es im Herzen sehr, sehr wehgetan, so hilflos zu sein, keine Rolle mehr in Deinem Leben spielen zu dürfen, nur weil Deine Mutter es so wollte.
Als Deine Mutter die Trennung vorbereitet hat, war Deine Schwester immer bei ihr, hat sich von ihr instrumentalisieren lassen. Und wo warst Du ? Du warst bei mir, bei Deinem geliebten Papa, bis zur letzten Minute, bis Papa ausziehen musste. Erst sehr viel später haben die Nachbarn gemerkt, dass sie von Deiner Mutter für ein ganz mieses Spiel benutzt wurden. Aber Papa musste entsorgt werden, egal wie, sie sollte ja arbeiten gehen, und das galt es zu verhindern, sie hätte ja auf ihre achso geliebten, täglichen Soaps verzichten müssen.
Tja, nun war Dein Papa nicht mehr da, und Deine Leidenszeit begann. Papa hat Dein Abschiedbrief gelesen. Stephen King hätte es nicht besser schreiben können, der reinste Horrorfilm. Mein Gott, was hast Du alles ertragen, hinnehmen und einstecken müssen, all die ganzen Erniedrigungen, Demütigungen, all die ganzen Schläge. Und nur weil Deine geldgeile, arbeitsscheue Mutter nicht auf Deinen Kindsunterhalt verzichten wollte. Papa war schockiert, hat geweint, hemmungslos geweint, als er von Deinem Tod erfahren hat. Ich hätte es verhindern können, ja verhindern müssen, wenn ich das alles gewusst hätte. Ich fühle mich schuldig an Deinem Tod, weil ich hätte weiter kämpfen müssen. Ich habe versagt. Das zu wissen, tut mir in der Seele weh. Wenn es nur eine einzige Möglichkeit gegeben hätte, damit Du zu mir gekommen wärst, ich hätte Deiner Mutter freiwillig das Geld in den Rachen geschoben.
Papa wird Dich niemals vergessen, mein kleiner Sonnenschein. So viele schöne Dinge haben wir zusammen gemacht. Weißt Du noch, als wir stundenlang auf dem Fußboden das 1000 Teile Delphin-Puzzle zusammen gepuzzelt haben. Wie stolz Du warst, als Du als letzte Puzzleteil eingesetzt hast. Weißt Du noch, als wir vor vier Jahren die 10 km beim Alsterlauf zusammen gelaufen sind. Du sagtest, das schaff' ich nie und wie stolz Du warst, als Du nach 1 Std. 16 Minuten die Medaille um den Hals gehängt bekommen hast. Und all die anderen Laufveranstaltungen, an denen wir teilgenommen haben. Oder weißt Du noch, als wir im Kaifu-Bad das erste Mal zusammen in der Sauna gewesen sind, als Du vergessen hattest, die Saunatür hinter Dir zu schließen, die anderen Saunagäste Dich angepöbelt haben, und Du allen Ernstes gesagt hast, das ist doch viel zu heiß hier drin, und dass frische Luft noch keinem geschadet hat. Ja, das warst Du, frech und schelmisch. Das habe ich so gemocht an Dir, Deine Unbekümmertheit.
Und nun ? Du bist nicht mehr da. Bestimmt sitzt Du auf Deiner Wolke, schaust auf mich herunter, beschützt mich und passt auf, dass Dein Papa nicht noch einmal an so eine kaltblütige Frau gerät, wie es Deine Mutter ist. Aber Du brauchst Dir keine Sorgen um Deinen Papa machen. Papa war sehr lange ganz solide, keine Unternehmungen, keine Parties, nichts, gar nichts. Papa hat sehr zurückgezogen gelebt, gearbeitet, bis er fast nicht mehr konnte, war immer für andere da, wenn sein Rat gebraucht wurde, und hat alles verarbeitet, was man ihm in den 15 Ehejahren angetan hat. Eine neue Beziehung war lange kein Thema. Papa hasst die Frauen auch nicht, nur weil eine einzige Frau ihm das alles angetan hat. Nein, nicht alle Frauen sind so, Frauen sind wunderbare, himmliche Wesen.
Papa hat Anfang Mai eine neue Frau kennengelernt, eine gebürtige Sächsin, ein supersüßer Dialekt. Sie ist eine wunderbare Frau, sieht super toll aus, ist selbstbewusst, liebevoll, zärtlich, anschmiegsam und überaus intelligent. Genauso wie Papa es sich immer gewünscht hat. Du würdest sie ganz sicher auch mögen, und auch mit ihren beiden Kindern würdest Du Dich verstehen, da bin ich mir ganz sicher. Aber auch sie hat sehr viel Pech mit Männern gehabt, ist massiv vorgeschädigt. Von daher muss Papa sehr behutsam mit ihr umgehen, muss ihr Zeit geben, sich zu finden, da sie die Liebe, die ihr Papa gibt, so nicht kennt. Papa möchte sie auf ihrem Weg unterstützen, weil Papa sie aus tiefsten Herzen liebt. Für Papa ist sie die ganz große Liebe, völlig anders, als alles andere bisher. Papa will immer für sie da sein, sie nie mehr hergeben, sie für immer ganz, ganz doll, voll doll festhalten, mit ihr gemeinsam glücklich und alt werden.
Sie gibt Papa die Kraft, die er zum Leben braucht, auch weil sie jetzt sein Leben ist. Und nun muss Papa den nächsten Kampf ausfechten, mit dieser geschminkten Gesichtschabrake, Du weiß schon, die Rechtsanwältin Deiner Mutter, die die Papa schon zu oft zwischen die Beine getreten hat, dass er am Boden lag und immer wieder aufstehen musste. Diesmal kann es sein, dass Papa am Boden liegen bleibt und nicht mehr aufsteht. Papa weiß, dass es sein letzter Kampf sein wird, denn Papa hat keine Kraft mehr, sich mit dieser Rechtsanwältin anzulegen.
Obwohl Du seit einem Jahr nicht mehr bist, soll Papa über 5.000.- € an Deine geldgeile Mutter zahlen. Nun, ich hätte nichts dagegen, wenn man Dir einen würdigen Grabstein hier auf Dein Grab setzt, aber ein neues iPhone, ein neuer iPod, eine neue Nintendo Wii oder ein neuer Plasma-Fernseher, damit sie ihre geliebten Soaps noch besser sehen kann, nein, das ist mit Papa nicht zu machen.
Papa hat Angst, große Angst, dass er sich jetzt komplett aufgibt, diesen letzten Kampf, und damit auch sein Leben verlieren wird. Aber Papa will leben, auch weil es einen neuen, einen strahlenden Engel in seinem Leben gibt, der zur Zeit aber nicht bei ihm, sondern etliche km entfernt, in schönen Brandenburg ist. Papa hat keine Kraft mehr, aber es muss weitergehen, so oder so.
So, mein kleiner Sonnenschein, Papa kommt wieder, entweder hier oder da, wo Du jetzt bist. Also erschrecke nicht, wenn Du auf Deiner Wolke sitzt, und urplötzlich Dein geliebter Papa neben Dir auf einer Nachbarwolke erscheint, und Dir Hallo sagt, denn dieser Tag wird kommen, vielleicht schon sehr, sehr bald. Papa wird das nicht verhindern können. Also bis dann, mein kleiner Sonnenschein, und halt' die Ohren steif ! Wir werden uns wiedersehen !
29.07.2012 21:05 •
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