Guten Morgen liebe Forenmitglieder,
ich habe mich eben erst hier angemeldet, nachdem ich tagelang aufmerksam andere Beiträge studiert habe und mich nicht mehr so alleine mit meiner Lebenskrise gefühlt habe.
Heute morgen entschied ich mich dann auch dazu, mal meine momentane Situation zu beschreiben und mir so vielleicht auch schon ein wenig Trauer von der Seele zu schreiben, soll ja bekanntlich befreien.
Ich bin 24 Jahre alt, die Beziehung war bis Sonntag 3 Jahre alt. Wir waren ein tolles Paar, er (30) sagte immer wir sind ein super Team, sind sehr viel gereist zusammen (arbeiten beide bei großen Fluggesellschaften), haben viele Emotionen geteilt, er ist eigentlich ein sehr gefühlsbetonter Mensch. Ich arbeite Vollzeit am Flughafen im Schichtbetrieb, habe bis letzte Woche einen Nebenjob gehabt, um mein nebenberufliches Studium zu finanzieren. Er arbeitet mittlerweile Bürozeiten und engagiert sich bei 3 Bands als Sänger nebenberuflich, kurz gesagt: Wir hatten schon immer ein sehr großes Pensum und haben uns immer gewünscht uns mehr zu sehen, wie es vor 1-2 Jahren mal war. Davon haben wir uns aber jahrelang nicht unterkriegen lassen, nutzten die gemeinsame Zeit und waren uns gegenseitig neben der Rolle des Lebenspartners auch der beste Freund. Hinter uns lagen dreieinhalb Wochen, die sehr unangenehm waren, geprägt durch Streit und mehreren Situationen, bei denen er eskalierend und nicht deeskalierend handelte. Kannte ich von ihm nicht, ist auch eigentlich überhaupt nicht seine Art bzw. sein Wesen. Letzte Woche prädigte er mir bei einem unserer Wir-setzen-uns-mal-zusammen-und-reden-Gespräche, dass wir uns erstmal über alles andere setzen müssen, dass die Beziehung immer an erster Stelle zu stehen hat, dass man es schaffen muss, sich streiten zu können und zu wissen, dass uns nichts zum Scheitern bringt, dass ich die Frau bin, mit der er Kinder bekommen möchte, die einzige, mit der er die Zukunft verbringen möchte. Ich betone nochmal, dass er mir das letzte Woche gesagt hat. Letzte Woche...
Wir sahen uns Mi, Do, Fr nicht, weil er Konzerte gab und Samstag verhielt er sich schon eher distanziert. Wir haben vor wenigen Wochen eine neue Wohnung bezogen, in der er schon lebt, ich musste ab und zu noch ins alte Heim fahren. Letzte Woche (!) kaufen wir einen Kleiderschrank für die Wohnung und ich einen Esstisch. Der Kleiderschrank steht seither im Treppenhaus, ich war ihm da leider keine gute Tragehilfe. Als ich dann nach einigen Tagen am Sonntag bat, dass er sich einen Kumpel als Tragehilfe organisiert, damit ich endlich ganz mit meinen Klamotten einziehen kann, schob er es weiter auf und sagte er sei zu müde. Das Ausgangsziel war, dass wir endlich wieder den Wohnalltag zusammen verbringen wollten, das war ihm sogar ein größerer Wunsch wie mir. Als ich dann am Sonntag ein bisschen deutlicher von der Arbeit aus per Whatsapp schrieb, dass ich bitte den Schrank bei uns oben haben möchte, kam irgendwann eine Whatsapp Nachricht Ich fühle nichts mehr, ich bin so leer. Da man bei solch einer Nachricht natürlich schon ahnt, dass es jetzt ganz bitter kommen wird, meldete ich mich krank und fuhr direkt zu ihm, um mit ihm zu sprechen. Bis letzte Woche war er ein so liebevoller, emotionaler, zuneigungsbedürftiger Kerl, der mit mir jede Tiefphase meistern wollte und plötzlich fand ich mich heulend auf dem Sofa neben einem Eisklotz, der mir wiederholt sagte Wir müssen einen Cut machen, ich habe etwas auf dem Weg verloren, ich weiß nicht mehr, wie ich mit dir umgehen soll, lass deine Möbel abholen.
Ich verfiel wie es in unzähligen Psychoanalysen theoretisch abgehandelt wird, direkt in die Schockstarre und habe angefangen, wie wild zu betteln und zu flehen und dass wir doch nicht mal richtig gekämpft haben und jetzt erst die Zeit los geht, in der wir uns mehr sehen, was ja das Ursprungsproblem war. Half zusammengefasst alles nichts und so verließ ich nach 2 Stunden Flehen die Wohnung.
Ich habe das große Glück, eine sehr sehr enge Beziehung zu meiner Mutter zu haben, bei der ich jederzeit Unterschlupf finde und die für mich loyalsten und treuesten Freunde der Welt zu haben.
Die Nacht von Sonntag auf Montag war natürlich der blanke Horror, schlafen und essen war nicht drin, die Gedanken und Erinnerungen ziehen einem bei lebendigem Leib das Herz aus der Brust. Ganz genau so würde ich das Gefühl beschreiben.
Ich habe meinem Beitrag hier mit Grund die Überschrift wenn es kommt, dann ganz dicke gegeben, denn Montagmorgen, als ich mich nach mehreren Stunden überhaupt aus dem Bett quälen konnte, klingelte das Telefon und man teilte mir mit, dass mein Großvater im Sterben liegt. Augen zu, Augen auf. Das kann doch alles nicht wahr sein. Ich holte im Autopilot funktionierend meine Mutter von der Arbeit ab, mein Arzt schrieb mich zweieinhalb Wochen krank (ich arbeite im Sicherheitsbereich mit viel Verantwortung an Flugzeugen, unverantwortlich also so zu arbeiten) und verbringe seither viele Stunden am Tag mit meiner Mutter bei meinem totkranken Großvater, ohne eigentlich zu wissen, wie es mit mir und dieser emotionalen Notlage je besser werden soll. Erfahrung mit der Begleitung von Sterbenden habe ich sowieso noch nie gesammelt, habe noch nie jemanden durch den Tod verloren und jetzt gleich zwei Menschen auf unterschiedliche Art und Weise.
Ich hatte für das kommende Wochenende als Überraschung zum Geburtstag meiner Mutter eine tolle 5-Tage Portugal Reise gebucht, die wir nun auch nicht antreten können, das Geld ist natürlich auch verloren. Das war am Montag vor dem Telefonat noch mein rettender Gedanke: Halt durch bis zum Wochenende, dann kommst du mal 5 Tage in die Sonne.
Meiner Mutter geht es emotional sehr schlecht und ich versuche sie so gut ich kann aufzufangen und in ihren Abwesenheiten um meine Beziehung zu trauern.
Insgesamt habe ich jetzt 4 Tage ohne Essen hinter mir, 2 ohne Schlaf. Mittlerweile esse ich wieder ein bisschen und habe mich abends ein Mal mit meinen großartigen Freunden getroffen, wenn sie nicht auch zum Teil schon unangemeldet vor der Tür standen und mich einfach gestreichelt haben oder mitgeweint haben, weil ich so viel Mist auf einmal abbekomme. Ich bin ein Mensch, der viel über seine Gefühle spricht und so habe ich lange erzählt und das tat auch gut. Aus Selbstschutz habe ich mich bei Facebook deaktiviert und den Whatsapp Verlauf direkt gelöscht, Handyhintergründe geändert und alle Adhocmaßnahmen ergriffen, die man ergreifen kann, um jemanden virtuell zu verbannen, was denke ich ein kluger Schritt war. Ich war heute Morgen ganz tapfer und habe im Internet eine Annance aufgegeben, für einen kleinen Singleumzug, auch wenn es mir wieder das Herz aus der Brust gerissen hat. Den Tag des Umzugs werden wahrscheinlich auch meine Freunde mit mir meistern, da bin ich mir sicher. Trotzdem wache ich morgens mit dem euch sicher allen bekannten krassesten Bauchkrampf auf und der Erkenntnis, dass es alles kein Traum war und ich meinen besten Freund und Seelenverwandten verloren habe und nicht weiß, wie ich je wieder mit jemandem so glücklich werden kann, weil bisher niemand so gut zu mir gepasst hat und mich so sehr akzeptiert und geliebt hat, wie ich bin.
Liebe tieftraurige Grüße,
Verlorene Landebahn
25.07.2014 08:13 •
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