2 Sich dem Dialog zu entziehen ist eine geschickte Art, den Konflikt zu verschärfen und ihn dabei dem anderen in die Schuhe zu schieben. Werden Vorwürfe gemacht, sind sie verschwommen und ungenau, lassen Raum für Deutungen und Missverständnisse. Alle Versuche einer Auseinandersetzung führen nur zu unbestimmten Vorwürfen.
Hirigoyen meint, jeder von uns handle möglicherweise ab und zu perv.. Zerstörerisch wird der Prozess aber erst durch Häufigkeit und Wiederholung. Ein perverses Individuum ist beständig perv.; es ist fixiert auf diese Form der Beziehung zum anderen und stellt sich in keinem Augenblick in Frage. Nie wird ein eigener Teil an Verantwortung übernommen für das, was nicht klappt: Nicht ich, der andere ist verantwortlich für das Problem!
Diese Personen können nicht anders leben, sie müssen den anderen herabwürdigen, um Achtung vor sich selbst zu gewinnen und dadurch Macht. Sie gieren nach Bewunderung und Anerkennung. Sie empfinden weder Mitgefühl noch Anerkennung für den anderen, da Beziehungen sie nicht innerlich berühren. Den anderen respektieren bedeutet, ihn als menschliches Wesen zu betrachten und den Schmerz zu erkennen, den man ihm zufügt. Aber um sich selbst zu akzeptieren, müssen die narzisstisch Perversen siegen und einen anderen zerstören. Dabei können sie sich überlegen fühlen.
Auffällig bei ihnen ist ihr Bedürfnis, alle und jeden zu kritisieren. Auf diese Weise behalten sie die Allmacht: Wenn die anderen Nullen (Idioten) sind, bin ich automatisch besser!
Hirigoyen sieht Neid als Triebkraft der Perversion. Der Neid ist eine Empfindung von Begehrlichkeit, von Gehässigkeit beim Anblick des Glücks und der Vorteile anderer. Es handelt sich um eine auf Anhieb aggressive innere Haltung, die sich gründet auf die Wahrnehmung dessen, was der andere besitzt und das man selbst nicht hat. Diese Wahrnehmung ist subjektiv, sie kann sogar wahnhaft sein. Neid besteht aus zwei Polen: der Egozentrik auf der einen Seite und dem Übelwollen mit dem Verlangen, die beneidete Person zu schädigen, auf der anderen.
Angegriffene, also Opfer, sind keineswegs von Krankheit befallene oder besonders schwache Personen. Im Gegenteil: was die Perversen bei anderen am meisten beneiden, ist das Leben. Sie beneiden deren Erfolg, der sie mit ihrem eigenen Gefühl des Misserfolgs konfrontiert. Sie zwingen den anderen ihre verächtliche Weltsicht auf und ihre chronische Unzufriedenheit mit dem Leben. Sie zerschlagen jeden Enthusiasmus in ihrer Umgebung, suchen vor allem zu beweisen, dass die Welt schlecht ist, dass die anderen schlecht sind, dass der Partner schlecht ist. Mit ihrem Pessimismus machen sie den anderen schließlich wirklich depressiv, was sie ihm anschließend vorwerfen.
Wenn ein Angegriffener der Herrschsucht eines anderen widersteht und sich weigert, sich unterjochen zu lassen, dann tritt das Quälen besonders auf. Es ist gerade seine Fähigkeit, allen Pressionen zum Trotz, Widerstand zu leisten, die das Opfer dazu bestimmt, Zielscheibe zu werden.
Wenn das Opfer widersteht und versucht, sich aufzulehnen, weicht die Böswilligkeit einer erklärten Feindschaft. Die Phase des Hasses im Reinzustand beginnt, äußerst heftig, mit Tiefschlägen und Beschimpfungen, mit Worten, die herabsetzen und demütigen, die alles ins Lächerliche ziehen, was dem anderen eigentümlich ist, verleumdet, beleidigt, feindliche Andeutungen macht. Die zerstörerische Wirkung beruht auf der Wiederholung. Die Drohungen sind immer indirekt, verschleiert: Man lässt Briefe oder Telegramme los, die von den Opfern häufig als Paket- oder Zeitbomben beschrieben werden.