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Die Wissenschaft ist logisch. Das Leben ist widersprüchlich und unlogisch. Es bewegt sich durch Gegensätze. Es Bedient sich der Gegensätze, denn sie sind nur zum Schein Gegensätze. Im Inneren wirken sie zusammen. Es ist dialektisch nicht logisch. Ein fortwährendes Zwiegespräch zwischen den Gegensätzen. Gäbe es keine Gegensätze, von woher soll all die Anziehung kommen? Von woher soll all die Energie freigesetzt werden? Das Leben ist nur durch Dialektik, durch Dualitäten, durch Gegensätze möglich. Frau und Mann ist der Grundgegensatz und diese Herausforderung führt zu dem Phänomen der Liebe.
Das ganze Leben dreht sich um Liebe. Wenn du und dein Partner so vollkommen Eins würdet, das nicht die geringste Lücke mehr da ist, wäret ihr beide tot. Ihr würdet nicht Existieren können. Ihr beide wäret aus diesem dialektischen Prozess ausgeschieden. Man kann nur dann in diesem Leben existieren, wenn die Einheit niemals vollkommen ist und ihr müsst immer wieder auseinandergehen um euch wieder anzunähern. Aber kaum sind sie Eins geworden , in dem Augenblick beginnen Sie sich wieder zu trennen.
In dem Augenblick, wo der Gipfel erreicht ist kehrt sich der Prozess um. Und wird zur Trennung, zum Gegensatz. Dieses hin und her. Immer wieder nähert ihr euch an und entfernt euch dann wieder. Das bedeutet wenn gesagt wird: Das Leben erzeugt durch polaritäten Energie. Ohne Polaritäten kann es kein Leben geben. Für jedermann existiert eine Frau. Für jede Frau existiert ein Mann. Ohne diese könnten sie nicht existieren. Das polare Gegenstück ist erforderlich. Ähnlich verhält es sich auch mit der geistigen Beschaffenheit. Wenn zwei Liebende wirklich eins sind scheiden sie aus dem Leben aus. Sie sind in die Wirklichkeit befreit worden.
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Wir sind nicht bewusst das wir da sind. Wir Leben, sind uns aber unseres Lebens nicht bewusst. Du isst, du badest, du läufst- du bist dir beim laufen nicht bewusst, dass du da bist. Alles um dich herum existiert. Die Bäume, die Sonne, die Häuser, die anderen Menschen. Alles ist da. Du bist dir aller Dinge um dich herum bewusst, nur deines Seins bist du dir nicht bewusst. Du magst dir der ganzen Welt bewusst sein, aber wenn du dir deiner selbst nicht bewusst bist, ist diese Bewusstheit unecht.
Dein Verstand kann alles widerspiegeln, nur dich selbst nicht. Du befindest dich hinter dem Spiegel. Daher kann ein -Dich - an - dich - selbst erinnern -nicht mit dem Verstand gespiegelt werden. Er kann nur Dinge spiegeln die vor ihm sind. Du kannst andere sehen, aber dich selbst kannst du nicht sehen. Deine Augen können dich nicht sehen. Du benötigst dafür einen Spiegel. Du musst dich vor den Spiegel stellen. Wenn dein Verstand ein Spiegel ist, kann er das ganze Universum widerspiegeln. Aber er kann nicht dich widerspiegeln weil du dich nicht vor ihm stellen kannst. Du bist immer dahinter, hinter dem Spiegel verborgen.
Die Grundfunktion des Verstandes ist die Dualität. Er muss ständig trennen und teilen. Die Funktion des Verstandes besteht darin, das Ganze in Bruchstücke zu teilen. Er arbeitet wie ein Prisma. Fällt ein Lichtstrahl auf ein Prisma, wird er in 7 Farben aufgespalten. Der Verstand ist ein Prisma, durch ihn wird die Wirklichkeit aufgespalten. Darum berauscht sich der Verstand an der Analyse. Ständig teilt er alles in Bruchstücke, solange bis es nichts mehr zu teilen gibt.
Er teilt und teilt immer weiter, bis der Moment kommt, wo keine Teilung mehr möglich ist. Solange noch Teilung möglich ist, wird er immer weiter teilen. Der Verstand geht bis ins kleine Bruchteil, doch die Wirklichkeit ist kein Bruchteil, sie ist ein Ganzes. Und um das was wirklich ist, zu erkennen, ist daher der völlig umgekehrte Vorgang nötig.
Eine Synthese, keine Analyse. Eine Kristallisierung, keine Spaltung. Ein Vorgang des Nicht-Denkens ist nötig.
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Ein Schüler fragt den Meister:
Wenn der Mensch die Wahl zwischen 2 Alternativen hat- entweder zu leiden und sich sorgen zu machen oder glückselig zu sein und das Glück zu erfahren- warum wählen wir dann meistens das Leiden?
Der Meister antwortet:
Vieles ist auf das Paradoxum des Lebens zurück zu führen. Der Mensch kann entweder in der Hölle oder im Himmel leben. Eine weitere Möglichkeit gibt es nicht. Man kann entweder in tiefer Seligkeit oder in tiefem Leid existieren. Dies sind die beiden Möglichkeiten.
Der Mensch wählt nie, im Leiden zu leben und doch zieht er es vor zu leiden. Obwohl er Seligkeit wählt, lebt er im Leid. Und da kommt das Paradox ins Spiel, denn Seligkeit bedeutet erst gar nicht zu wählen. Da ist das Problem. Wenn du wählst, selig zu sein, landest du im Leiden. Wählst du hingegen nicht, landest du in der Seligkeit. Es kommt also nicht darauf an, zwischen Seligkeit und Leid zu wählen, denn im Grunde wählt man zwischen wählen und nicht-wählen. Das ist sehr wichtig zu verstehen. Elementar wichtig. Lasst es uns versuchen.
Woher kommt das Leiden, sobalt du wählst? Weil wählen das Leben zerteilt. Ein Teil muss abgeschnitten und verworfen werden. Dann akzeptierst du nicht das Ganze. Nur einen Teil, den anderen Teil verleugnest du. Nichts anderes bedeutet wählen. Einen Teil bevorzugst du, den anderen Teil lehnst du ab. Der abgelehnte Teil wird dich heimsuchen, denn die Existens, das Leben, lässt sich nicht teilen. Und das Abgelehnte wird große Macht über dich gewinnen, nur weil du es verleugnet hast. Dann bekommst du Angst vor ihm. Du kannst ihm deine Aufmerksamkeit entziehen, die Augen davor verschließen, du kannst davor davonlaufen, aber es ist immerzu da, verborgen, nur auf seinen Auftritt wartend. Wer also das Leiden leugnet, hat sich heimlich für das Leid entschieden. Jetzt wird es dich immer verfolgen.
Das Leben ist ein Ganzes. Das ist das Eine. Und das Leben ist Wandel. Das ist das Andere. Man kann das Leben nicht zerteilen und es steht niemals still. Kann gar nicht stillstehen. Das sind Grundwahrheiten. Da gibt es überhaupt nichts dran zu rütteln.
Wenn du also beschließt: Ich werde nicht leiden, immer glücklich sein - dann wirst dich an das Glück klammern. Und sobald du dich an etwas klammerst, möchtest du und hoffst du, dass es bleibt. Aber nichts im Leben kann bleiben. Leben heißt Fluxus. Leben ist fließen. Wenn du dich ans Glück klammerst, erzeugst du Leid, denn dieses Glück muss vergehen. Nichts kann so bleiben wie es ist. Es ist ein Fluss. Im gleichen Augenblick, indem du dich an einen Fluss klammerst, kannst du nur enttäuscht werden, denn der Fluss fließt weiter. Früher oder später stellst du fest, dass der Fluss in weite Ferne gezogen ist, dass er nicht mehr da ist ,wo du bist. Deine Hände sind leer und dein Herz ist enttäuscht.
Es gibt durchaus selige Augenblicke, wenn du dich ans Glück klammerst, aber sie gehen schnell vorüber. Das Leben ist ein Fluss. Dauerhaft kann hier nichts sein, außer dir. Außer dir selbst ist nichts ewig. Wenn du dich an etwas vergängliches klammerst, wirst du leiden, wenn es vorüber ist. Wenn du klammerst, wirst du es nicht einmal dann genießen können, wenn es da ist, weil du dir ständig Sorgen darüber machst, dass es irgendwann vorbei damit ist.
Wenn du dich daran klammerst, lässt du dir selbst diese Gelegenheit entgehen, Du wirst später leiden. Den Augenblick kannst du es nicht genießen weil hinter der Ecke die Angst lauert: Früher oder später muss es vorbei sein. Der Gast ist zwar in dein Haus gekommen, aber du weißt, er ist Gast und Morgen wird er sich verabschieden.
Du fängst an, schon im Voraus zu leiden. Morgen wird er abreisen. Und dieser Schmerz, diese Qual, dieses Leid. Du kannst dich nicht freuen, solange der Gast im Hause ist. Solange der Gast bei dir ist, kannst du nicht froh sein, weil du schon jetzt Angst hast, dass er Morgen davongehen wird. Also bist du nicht glücklich während er da ist und wenn er fort ist, bist du auch unglücklich. Genauso läuft es. Genau so und nicht anders.
Das Leben kann nicht zerteilt werden.
Wenn ihr es teilt ,könnt ihr wählen. Und das, was ihr da wählt, ist ein Fluss, früher oder später ist es vorbei geflossen und das, was ihr abgelehnt habt, wird sich auf euch stürzen. Ihr könnt ihm nicht entrinnen. Nicht sagen: Ich will nur vom Einatmen leben, das Ausatmen lasse ich nicht zu. Leben ist ein Rhythmus aus Gegensätzen. Der Atem fließt rein und fließt raus.
Ein und Ausatmen, zwischen diesen beiden Polen existiert ihr. Es gibt Glück, es gibt Leid. Das Glück ist wie Einatmen. Das Leid ist wie Ausatmen. Der Rhythmus der Gegensätze. Ihr könnt nicht sagen: Ich will nur dann leben wenn ich glücklich bin. Wenn ich nicht glücklich bin, dann will ich nicht leben. Man kann diese Einstellung zwar einnehmen, aber diese Einstellung wird euch nur noch mehr Leid bereiten.
Kein Mensch hat sich je dazu entschieden zu leiden. Ihr habt euch entschieden, nicht zu leiden, ihr habt euch entschieden glücklich zu sein. Mit allem Nachdruck lasst ihr nichts unversucht um glücklich zu sein. Und genau deswegen leidet ihr, seid ihr nicht glücklich.
Was also kann man tun?
Das Leben ist ein ganzes. Wir können nicht wählen. Das ganze Leben muss gelebt werden. Es wird Augenblicke voller Glück geben und es wird Augenblicke voller Leid geben und beide Augenblicke wollen gelebt sein. Du hast keine Wahl, denn das Leben besteht aus beidem. Ohne dem ginge der Rhythmus verloren und ohne Rhythmus gäbe es kein Leben.
Es ist wie mit der Musik.
Du hörst Musik, Töne kommen und nach jedem Ton kommt eine Stille, eine Lücke. Aus dieser Lücke und diesem Ton entsteht Musik. Nur aufgrund dieser Gegensätze. Wenn du hergehst und sagst: Ich will nur die Töne nehmen, die Lücken lasse ich weg, - kommt keine Musik zustande. Dann wird es zu Lärm. Diese Lücken verleihen dem Klang Leben. Das schöne am Leben ist, dass es aus Gegensätzen hervorgeht. Klang und Stille, Stille und Klang, das erzeugt Musik. Einen Rhythmus. Im Leben ist es genauso wie in der Musik. Leid und Glück sind Gegensätze, ihr habt keine Wahl.
Wer wählt wird Opfer. Denn dann wirst du leiden. Wenn du dir dieses Zusammenspiel der Gegensätze bewusst wirst, dieser Funktionsweise des Lebens, wählst du nicht mehr. Wenn du nicht wählst, ist es nicht nötig sich an etwas zu klammern. Wenn das Leiden kommt, genießt du das Leiden und wenn das Glück kommt, genießt du das Glück. Wenn der Gast im Hause ist, genießt du ihn und wenn er fort ist, genießt du die Abwesenheit, den Abschiedsschmerz. Genießt beides. Das ist der Weg der Weisheit. Beides zu genießen und nicht zu wählen. Was immer dir geschieht, akzeptiere es. Es ist das Leben und daran lässt sich nichts ändern. Leiden verleiht euch Tiefe. Ein Mensch ,der nie gelitten hat, wird immer an der Oberfläche bleiben. Leid gibt uns Tiefe, verleiht uns Klang. Ihr bekommt eine Eigenschaft die dir nur das Leid verleihen kann, die dir kein Glück zu geben vermag. Durch Leiden entwickelt sich unser Herz. Es entsteht erst durch Leiden. Wenn ein Mensch aber immer nur gelitten hat und nie das Glück erfahren hat, dann wird auch er nicht reich sein, weil Reichtum nur durch Gegensätze entsteht. Je mehr ihr in die Gegensätze hineingeht, desto höher oder tiefer entwickelt ihr euch.
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(Quelle: Das Buch der Geheimnisse: 112 Meditations-Techniken zur Entdeckung der inneren Wahrheit ISBN: 978-3-442-33847-4)
06.08.2020 16:56 •
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