Hallo, ich bin ganz neu hier und traue mich jetzt einfach mal, zu schreiben, was mich schon seit einiger Zeit bedrückt. Zwei Faktoren sind dabei entscheidend: Zum einen meine ursprünglich mal so glückliche Ehe, in der ich momentan unglücklich bin, zum anderen die Tatsache, dass ich mehr als je zuvor meinen Ex-Freund vermisse und mich frage, ob ich nicht eine falsche Entscheidung getroffen habe. Aber der Reihe nach.
Mit meinem Ex war ich knapp vier Jahre zusammen. Er war meine zweite richtige Beziehung und zwölf Jahre älter als ich, was ich als sehr anziehend empfand (ich war damals 20). Mit ihm habe ich zum ersten Mal erlebt, wie es sich anfühlt, einen Menschen wirklich zu lieben und zu begehren trotz aller Widrigkeiten. Normalerweise bin ich eine Frau, die von zuviel Nähe schnell abgeschreckt ist und emotional gerne die Kontrolle behält (hat was mit meiner narzisstisch gestörten Mutter zu tun, denn im Grunde sehne ich mich ja nach Liebe, Geborgenheit und Hingabe). Bei ihm nun habe ich es geschafft, auch weil er so unaufdringlich war, mich vollkommen auf die Beziehung einzulassen, ja, mich verletzbar zu machen. S. mit ihm war eine Offenbarung für mich, ich habe nie zuvor solche Nähe und Leidenschaft erlebt. Auch er hat mich sehr geliebt, das weiß ich.
Allerdings haben wir einander gegenseitig auch oft verletzt, weil wir nämlich beide diese wahnsinnige Angst hatten, den anderen wieder zu verlieren. Wir haben es letztendlich beide nicht geschafft, dem anderen genug zu vertrauen und Sicherheit zu geben. So zog er sich (so empfand ich es) immer mehr zurück, ich wiederum fühlte mich ohnmächtig und fing aus lauter Angst, ihn zu verlieren, zu klammern an - und stieß ihn dann wieder von mir.
Nach vier Jahren konnte ich nicht mehr, ich trennte mich, diese Trennung war eigentlich ein Hilferuf an ihn. Ich wollte, dass er um mich kämpfte, aber er zog sich zurück. Ich verordnete mir selbst Kontaktsperre, begann damit, ihn aus meinem Herzen zu verbannen, obwohl ich ihn ja noch liebte. Irgendwann kam, was kommen musste: Er wollte mich zurück. Doch ich hatte furchtbare Angst davor.
In dieses Chaos hinein platzte ein damals guter Freund von mir - mein jetziger Mann. Er besitzt die Fähigkeit, sehr gut zuzuhören und sich in andere menschen einzufühlen, eben auch in mich. Er fing mich in meinen schwersten Stunden auf, lenkte mich ab, brachte mich zum lachen und eröffnete mir nebenbei noch eine vollkommen neue Welt, denn er ist ganz anders aufgewachsen als ich. Viele Reisen, Kultur, tolle Unternehmungen. Sogar seine Eltern sind toll. Und so kamen wir uns näher, verliebten uns ineinander, und das Gefühl war schon etwas Besonderes. Das hatte ich mit meinem ex immer vermisst: dass wir über wirklich ALLES reden konnten, aber auch durch Blickkontakt so intensiv miteinander kommunizieren konnten, dass mir manchmal fast schwindelig wurde. Eine echte Seelen-Liebe. Mir schien alles so perfekt. Das einzige, was jedoch leider gar nicht perfekt lief, war der S. Da fehlte irgendwie jede Sinnlichkeit, jedes Gefühl von Es passt einfach. Ich schob das jedoch darauf, dass ich einfach noch nicht soweit war damals - die Trennung von meinem Ex war erst wenige Monate (!) her und das Hin und Her mit meinem Ex lief ja noch (also, es lief nichts zwischen uns, aber er wollte mich ja zurück, und ich schwankte - was mein neuer Freund aber auch wusste).
Fast ein Jahr lang ging das so, und am Ende hätte ich mich trotz allem fast für meinen Ex entschieden. Er verletzte mich aber ein weiteres Mal, und da brach mein Herz endgültig. Ich wusste, ich liebe ihn, aber mein Herz konnte einfach nicht mehr. Ich entschied mit für den Neuen und stürzte mich sehr enthusiastisch in diese Beziehung, ließ alles andere hinter mir und blickte mit ihm nach vorne. Ich liebte ihn ja auch und ich wusste, er ist meine einzige Chance, jemals von meinem Ex loszukommen. Mein Ex kämpfte noch ein Jahr um mich und gab dann auf, als ich mit meinem neuen Freund zusammenzog. Der Kontakt wurde sporadisch (Geburtstag, Weihnachten), und ich war mit meinem neuen Leben glücklich!
Vor 6 Jahren heiratete ich meinen Mann, und wir bekamen zwei süße Kinder (jetzt 5 und 2 Jahre alt). Und schon während ich das zweite Mal schwanger war, begann sich etwas zu verändern. Mein Mann wechselte den Job und war lange zeit von Existenzängsten und Leistungsdruck gequält, hinzu kamen seine extremen Pendelzeiten zur Arbeitsstelle und schließlich eine Reizdarmerkrankung, die seine Lebensqualität sehr einschränkte. Ich wiederum arbeitete freiberuflich, betreute unser großes Kind, war schwanger mit dem zweiten und fühlte mich mit meinen Sorgen und Ängsten im Stich gelassen, mit dem Haushalt noch obendrein. Ich hatte meinen mann und mich immer als Team erlebt, aber er konnte nicht mehr für mich da sein und er konnte noch nicht mal was dafür. Ich war abwechselnd wütend und verzweifelt, zeitweise depressiv verstimmt (ich neige dazu), habe mich aber dann irgendwann aufgerafft und mir gesagt: Ok, wenn er nicht kann, muss ich es eben selbst schaffen und für mich sorgen. Ich habe mir ganz schön viel zugemutet und war oft am Ende meiner Kräfte. Aber ich habe es geschafft, mich nicht mehr so als Opfer der Umstände zu sehen, sondern mein leben im Griff zu haben.
Nur ist mir dadurch leider etwas verloren gegangen: Das besondere Gefühl, das ich einmal hatte, das Vertrauen, dass mein Mann mich niemals im Stich lassen würde, dass er mich niemals verzweifeln lassen würde. Ich fühle nicht einmal mehr die Liebe zu ihm. Ich begehre ihn kaum noch, wir haben fast keinen S. mehr und das, obwohl ich eigentlich mehr als je zuvor Lust dazu hätte (nur eben nicht mit ihm). Inzwischen hat sich die Situation bei ihm entspannt, er hat seine Krankheit wieder im griff und sein Job ist relaxter geworden. Aber ich kann jetzt nicht einfach da weiter machen, wo wir vorher aufgehört haben. Ich fühle mich irgendwie getäuscht und bin so wütend auf ihn. Und ich denke immer wieder an meinen Ex - das habe ich vorher nicht gemacht, nicht so jedenfalls. Ich stelle mir immer vor, wie es jetzt wäre, wenn ich mich für meinen Ex entschieden hätte. Ich vermisse meinen Ex, erinnere mich an so viele Details, sein Lachen, seine ganze Art, unsere schönsten Momente.
Ich weiß, dass diese beiden Dinge natürlich irgendwie zusammenhängen. Ich bin unzufrieden, und ich verherrliche meinen Ex. Aber es wird für mich gerade dadurch so schwer, dass ich ja tatsächlich die Entscheidung FÜR meinen Mann und GEGEN meinen Ex damals getroffen habe, obwohl ich meinen Ex noch liebte - in dem Glauben, die neue Liebe würde das heilen. Jetzt fühle ich aber genau diese neue LIEBE nicht mehr!
Wenn wir keine Kinder hätten, ich weiß nicht, ob ich dann noch bei ihm wäre. Andererseits ist diese ganze Situation ja auch durch unsere Familiengründung entstanden. Ich kann mit meinem Mann sehr gut reden, ich habe ihm auch schon oft gesagt, wie es mir geht, was ich vermisse, was damals falsch gelaufen ist, und er fragt immer, was er denn tun könne...? Und darauf weiß ich keine Antwort. Auch von meiner Sehnsucht nach meinem Ex weiß er natürlich nichts.
Kennt jemand eine solche Situation? Ist das eine dieser Phasen, die man überstehen muss? Was kann ich, was kann mein Mann tun? Habe ich den Verlust meines Ex-Freundes noch gar nicht richtig verarbeitet? Ich freue mich über jede Antwort - danke allen, die bis hierher gelesen haben.
26.09.2013 12:02 •
#1