Hallo Dennis,
Zitat:Mittlerweile habe ich ich festgestellt, dass ich nicht mehr so positiv gestimmt und optimistisch bin wie früher. Neben teilweisen Kopfschmerzen, Durchfall und seit 1,5 Jahren Sodbrennen, fühle auch ich mich oft einfach nur leer und erschöpft. Mir fehlt der Antrieb, ich zweifel an der Beziehung und kann mich aktuell einfach für nichts mehr begeistern. Zudem habe ich einen sehr verantwortungsvollen und stressigen Job, wo ich auch mehr und mehr Lust verliere.
Meinem Eindruck nach steckst Du mitten in einer Art Co-Abhängigkeit. Du willst Deiner Freundin helfen und weil es nicht gelingt, geht es auch Dir schlecht. Das ist eine Art symbiotische Beziehung- beide sind aufeinander angewiesen. Im Grunde machst Du Dein Befinden davon abhängig, wieviel Erfolg Deine Bemühungen um ihre Genesung bei ihr haben. Das ist bis zu einem gewissen Grad in jeder Partnerschaft so. Wem gehts schon gut, wenn der Partner sehr leidet. Aber bei Deiner Freundin ist das ein Dauerzustand. Ich habe mich sehr viel mit dieser Thematik beschäftigt weil ich enge, psychisch kranke Familienmitglieder habe und auch selbst schwere Zeiten hinter mir habe.
Du solltest Dir dringend entsprechende Literatur besorgen. Wenn Du Interesse hast, kann ich mal überlegen, welche Bücher bei mir ein Umdenken bewirkten. Aber das wichtigtse und simpelste ist vielleicht: Du hast ein Recht darauf, glücklich, ausgelassen und motiviert zu sein auch wenn engste Bezugspersonen dauerhaft leiden- vielleicht ist es sogar dann am wichtigsten denn Gesundes vorzuleben ist in jedem Fall das beste für die seelische Gesundheit beider.
Lies bitte noch mal obiges Zitat durch. Dir geht es gar nicht gut Denis. Du lebst wahrscheinlich in dieser Gedankenspirale: Ich investiere und investiere in diese Beziehung und IRGENDWANN DANN ist alles gut und wir können glücklich unser Leben leben, nicht wahr? Deine Dauersodbrennen sprechen Bände.
Du kennst Deine Freundin 7 Jahre, sie war mehrmals in therapeutischer Behandlung, sie hat Psychopharmaka genommen, sie hat eine Angststörung, schwere, anhaltende Depressionen, sehr belastete Familienverhältnisse, sie kann keine Entscheidungen treffen und einiges mehr. So leid es mir tut Denis-
Zitat:Sie ist aktuell wieder dabei, eine Therapie zu beginnen. Ich bin der Meinung, dass sie erstmal all die Dinge aus der Vergangenheit/Kindheit usw. wirklich verarbeiten muss und dabei sollten keine ständigen Sorgen bzgl. der Beziehung präsent sein.
bei so einer schwerwiegenden Problematik, wird es kein
erstmal alle Dinge aus der Vergangenheit/Kindheit verarbeiten geben.
Du hast eine falsche Vorstellung. Du nimmst an, man verarbeitet die Kindheit und danach beginnt das richtige Leben, richtig? Therapie-Hex-Hex-Krankheit weg! Das funktioniert so nicht, nicht bei dieser Schwere der Problematik. Es gibt nicht den einen Knopf in der Seele, den man drückt, damit alles wieder heil und gesund ist. Man kann in der Therapie Dinge bis zu einen gewissen Grad aufarbeiten aber es ist nicht so, dass man in der Thera noch mal in die Kindheit zurückgeht, alles durchlebt und zulässt und dann geheilt nach Hause geht.Oftmals lässt sich vieles auch nicht wirklich ändern, man lernt eher, mit den Defiziten umzugehen. Wenn es eine Genesung gibt, dann in etlichen kleinen, klitzekleinen Schritten, die über viele Jahre gegangen werden. Eine Blitzheilung gibt es nicht. Dies schreibe ich Dir aus Erfahrung. Ich litt jahrelang unter Depressionen und weiß leider, wovon ich rede. Ich kenne beide Seiten mehr als gut: Deine helfende Seite und ihre Leidende.
Zitat:Sie klammert sehr und ist leider durch meine selbstständige Art und mein hilfsbereites Wesen sehr unselbstständig und ohne großes Selbstbewusstsein. Ständige Zweifel, ein Hin und Her ... sie weiß nicht was sie will und kann keine Entscheidung treffen.
Du hast es ja schon selbst erkannt. Du bewahrst sie davor, neue Schritte tun zu müssen. Sie sucht die Sicherheit in Dir und wird das weiterhin tun, solange Du es mitmachst. Wenn Du ein wenig auf Distanz gehst, wird sie Dich entweder mit vielen Tränen dazu bringen, dass Du Deine alte Rolle wieder einnimmst, oder sie wird- denn das ist meine Vermutung- sich eine andere helfende Hand (diesen anderen Mann) suchen (ich denke nicht, dass ihr das bewusst ist). Beides sind Verhaltensweisen, die dazu dienen, an ihrer Situation festzuhalten, obwohl sie selbst darunter leidet. Aber ein Mensch kann sich auch in seiner Krankheit einrichten, sich damit identifizieren und darin sehe ich eine große Gefahr. So ein Mensch sagt sich dann Ich BIN krank statt Ich habe Depressionen, Ich BIN unselbständig, statt Ich habe meine Selbstständigkeit noch nicht kennengelernt. usw. und da findet man meistens nur heraus, wenn man einmal ganz auf sich allein gestellt ist. Da Du aber sicherlich Angst davor hast, sie an einen anderen zu verlieren, spielst Du noch mit und so bleibt ihr bis zum St.Nimmerleinstag in dieser Spirale.
Oftmals nimmt man an, man könne eine Veränderung herbeiführen, ohne Eigeninitiative, heißt, man verändert rein gar nichts an der Beziehungskonstellation (sie klammert und leidet, Du kümmerst Dich und leidest) aber DENKT darüber nach, was eine Veränderung bewirken könnte. Das ist lediglich Philosophie
Stelle Dir einen Menschen vor, der oben auf einem hohen Baum sitzt und sich nicht herunter traut. Anstatt dass er all seinen Mut zusammen nimmt und herunter kraxelt und sich vielleicht Blessuren zuzieht , bleibt er oben hocken und ruft nach Hilfe. Er fragt vorbeifliegende Vögel, er weint alle Blätter voll, er überlegt, ob er ein paar Äste abbrechen sollte um sich eine Leiter zu bauen....aber kein Weg führt daran vorbei, herunter zu hoppeln Die Blessuren bei euch könnten sein: tiefe Verunsicherung auf beiden Seiten, zunächst Verstärkung ihrer Depressionen usw. Aber das muss man in Kauf nehmen, will man eine Veränderung bewirken. Im schlimmsten Fall rettet sie sich zu dem anderen Mann aber kein Mensch wird ihre Depressionen wegpusten können.
Zitat:Schwierig wird es für mich nur, wenn all meine Unterstützung nichts hilft. Dann fange auch ich an, mich hilflos zu fühlen.
Das ist die typische Folge Deiner Fixierung aufs Helfen und vergebliche Warten auf Besserung.
Wo die Angst ist, da ist der Weg - für euch beide.
Gerade fällt mir ein, dass ihr euch möglicherweise in einer Hinsicht ähnelt: Sie hat Angst, für sich selbst zu sorgen und Du hast Angst, für Dich selbst zu sorgen (und sorgst Dich lieber um sie)?
Noch ein Rat: sie sollte nicht zurück zu ihrer Mutter. Sie sollte eher lernen, raus aus diesen Strukturen zu kommen, die sie geprägt haben und ihr offenbar das Gefühl vermittelt haben, nicht auf eigenen Beinen stehen zu können.
Was telt ihr schönes miteinander, was nicht mit dieser Problematik zu tun hat?
Liebe Grüße und viel Glück,
Bibi Blocksberg alias aufgewacht
p.s. ich schrieb im Thread: sie hat sich getrennt: ich will mich verabschieden.
Ich sehe einige Parallelen zwischen Dir und Zukunft und Hinrich. Vielleicht hilft Dir der Austausch mit ihnen.