Liebes Forum,
ich habe hier vor vielen Jahren schon einmal gepostet und gute Tipps erhalten, deswegen bin ich sehr dankbar, wenn ihr mir auch in einer aktuellen schwierigen Situation einmal spiegeln könntet, wie ihr dazu steht.
Ich (35) bin erst seit wenigen Wochen mit ihm (38) zusammen; wir führen eine Fernbeziehung (150 km), wobei er nächstens in einer 300 km weit entfernte Stadt versetzt wird. Wir haben uns auf einer Dating-Plattform kennen gelernt und hatten einen ziemlich ruckeligen Start. Unsere Chats waren schon zu Anfang sehr gut, wir teilen einen ähnlichen Humor und vor allem sehr ähnliche Werte und Zukunftsperspektiven; gerade am Anfang gab es aber immer wieder Zeiten, in denen er zeitweise abwesend war, was in einer Anfangsphase ja erstmal nichts Ungewöhnliches ist. Einen Abend wies er eine Kontaktaufnahme zurück, da er gerade unterwegs sei: seine Tanzpartnerin sei kollabiert und er müsse jetzt sie in die Notaufnahme bringen; das fand ich etwas schräg, da sehr nah, und ich hatte im Bauchgefühl, dass da mehr dahinter steckt. Nach 2 Wochen Chatten hatten wir unser erstes Date geplant, auf das ich mich sehr freut. 2 Tage davor zog er sich jedoch urplötzlich zurück, was mich verunsicherte, obgleich ich wusste, dass er bei Freunden zu Besuch war und wenig Zeit hatte. Am Tag vor dem Date erreichte mich dann eine sehr lange, reumütige und dramatische Nachricht: er sei emotional nicht frei, habe sich nicht ordentlich von seiner vorherigen Bekanntschaft gelöst und sähe es deswegen als falsch an, sich mit mir zu treffen. Er wolle zunächst das Verhältnis der beiden klären. Es stellte sich heraus, dass diese Bekanntschaft seine Tanzpartnerin war. Die Dramatik und Unvorhersehbarkeit dieser Nachricht trafen mich tief, gleichzeitig fand ich sie übertrieben; ich antwortete zunächst mit einer normalen Kontaktbeendigungsnachricht, und hätte es vermutlich dabei belassen sollen. Stunden später bewog mich jedoch etwas dazu, ihm noch zu schreiben, dass er bitte auf sich aufpassen solle, da die Dynamik der beiden sich recht toxisch anhörte. Ich hatte ihn lieb gewonnen und wollte ihm das einfach mitgeben.
Darauf meldete er sich zurück und sagte mir, dass diese Freundin ihm nun gesagt habe, dass keine Beziehung möglich sei (er sei ihr wochenlang hinterhergelaufen, sie lebten polyamor). Ich war völlig vor den Kopf gestoßen und ging zunächst ins Bett. Am nächsten Morgen fragte er mich, ob wir uns nun stattdessen doch treffen wollten - ich verneinte und sagte deutlich, wie verletzt ich sei. Er beharrte mit voller Dramatik auf eine zweite Chance, sagte, er habe erkannt, was für ein Idiot er sei. Nach einigem Hin und Her einigten wir uns darauf, in der nächsten Zeit zu schauen, ob wieder etwas mit uns werden könne.
Fast forward einige Wochen später: wir hatten lose Kontakt gehalten und uns online weiter kennen gelernt. Er hatte nachweislich den Kontakt zur vorherigen Bekanntschaft sofort eingestellt. Wir kamen dann überein, uns wenigstens doch einmal zu treffen. Auch ich, weiterhin skeptisch, stimmte dem zu - einfach, um auch meinen Kopf zu beruhigen und zu wissen, woran ich bin. Das erste Date verlief gut; meine Haltung war zunächst, es dabei zu belassen. Er hingegen schien hin und weg von mir, und sagte mir das graduell auch immer mehr. Das zweite Date war ein Candle-Light-Dinner mit vollem Programm. Ich war richtig verzückt und letztlich auch verliebt. Er kümmerte sich sehr um mich, verbrachte, als ich krank war, eine Woche bei mir, hegte und pflegte mich. Wir hatten einen guten Austausch, konnten viel lachen und die Geschichte von damals schien fast vergessen. Während wir uns weiter öffneten, kamen immer mehr Dinge ans Tageslicht: er leide phasenweise an Depressionen, auch ich bin dahingehend nicht unbelastet. Wir konnten uns das sensibel erzählen; hierbei erzählte ich ihm auch, dass ich ein Thema mit Betrügen in Beziehungen habe (ich wurde mehrfach betrogen) und deswegen unser Start für mich sehr schwierig war, zu verdauen. Er gelobte, dass jetzt alles besser laufen würde.
Als wir gerade einmal knapp 3 Wochen zusammen waren, stellte er mir nun unvermittelt eine wirklich mindestens komische Frage: er wüsste um mein Thema mit Drittpersonen im Hintergrund, deswegen wolle er ehrlich mit mir kommunizieren. Ein ehemaliges Tinder-Date habe sich bei ihm gemeldet; er habe keine romantischen Gefühle für sie, sei aber an einer Freundschaft prinzipiell interessiert und wolle den Kontakt halten - wie ich dazu stünde? Ich reagierte verwundert und traurig, sagte nicht direkt Nein, aber meinte auch, dass er das i.S. seiner Werte entscheiden müsse und ich da eine Vetrauensbasis habe. Mein Affekt war aber deutlich sichtbar. Ich sagte ihm schon da, dass es mir vor allem um das Setting des Kennenlernens (Tinder) ginge; mit weiblichen Freundinnen (z.B. aus dem Hobbykontext) habe ich per se kein Problem.
Ich muss noch hinzufügen, dass mein Freund, vielleicht aus moralischen Gründen, sehr mitteilsam über seine Vergangenheit ist. Er war zuvor verheiratet (ist geschieden seit einem Jahr), das war seine einzige große Beziehung. Ich weiß recht viele intime Details darüber, ich weiß auch von anderen Frauen, mit denen er etwas hatte; einzelne sind noch in seinem Kollegenkreis. Sehr häufig sind mir diese Details zu viel, ich will das nicht wissen, weil es mich unsicher in Bezug auf meine eigene Rolle macht, und manchmal empfinde ich es fast als aggressiv, dass er mir darüber so viel erzählt. Er wirkt dahingehend auch sehr naiv und unerfahren im Kontakt mit Frauen, was er auch selbst zugibt.
Fast forward zu jetzt und meiner aktuellen Frage: am Dienstag rief ich ihn an für unser regelmäßiges Telefonat. Dabei erfahre ich, dass er sich mit dieser Tinder-Bekanntschaft getroffen hat. Zunächst hat er behauptet, dass er mich danach gefragt habe; das stimmt nicht, und konnte er später zugeben. Ich war völlig schockiert, wütend und traurig darüber; habe mich betrogen gefühlt und ihm auch gespiegelt, dass das für mich ein massiver Vertrauensbruch ist. Ich kann nicht verstehen, wie man nach so kurzer Zeit in einer frischen Beziehung so etwas machen kann. Er war völlig vor den Kopf gestoßen und hat sich mehrmals für diesen Fehler entschuldigt, weinte sogar. Er habe sich mit dieser Dame treffen wollen, weil er ja versetzt würde und er Interesse habe, wie es bei ihr weitergegangen sei (sie komme aus einem anderen Land und habe eine bewegte Geschichte). Er wäre bereit, den Kontakt sofort abzubrechen; was er auch mittlerweile getan hat.
Wir haben jetzt zweimal über diese Sache reden können und jedes Mal bin ich eigentlich mit einem sichereren Gefühl aus dem Gefühl gegangen - das hielt aber nicht lange an. Schnell kommt wieder Wut und Unverständnis bei mir auf; weil für mich solche Impulse gerade jetzt so fern lägen. Ich fühle mich seit diesen Ereignissen minderwertig, nicht gut genug für ihn, obwohl er jeweils betont hat, dass ich die Einzige bin, dass er sich eine Zukunft mit mir wünscht und dafür bereit ist, solche Kontakte aufzugeben. Aber das will ich nicht einmal, ich bin vor allem enttäuscht, dass er sich trotz Wissen über meine Vorgeschichte illoyal verhalten hat, und nicht richtig kommuniziert hat. Und dass er etwas, was er am Anfang der Beziehung schon mal getan hat, leichtfertig wiederholt hat. Ich fühle mich wie 2. Wahl und habe so Schwierigkeiten, wieder zu vertrauen. Verschiedene Freunde sagen mir, dass ich dazu jedes Recht habe, und legen mir eigentlich die Trennung nahe. Auch er hat gesagt, 2 Freunde hätten ihm gespiegelt, was für ein Idiot er sei (denen sende ich vielleicht irgendwann mal Blumen).
Was haltet ihr von dieser Entwicklung? Was kann man in so einer Sache noch tun? Reden bringt nicht viel, und dank Fernbeziehung sind die Möglichkeiten begrenzt. Vielen lieben Dank für eure Einschätzungen!
27.09.2024 20:40 •
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