Hallo Aenneken und Gast32!
@ Aenneken
Wenn Dein Ex nach dem Wechsel seiner Position in der Firma mit dem Kompensationsverhalten (wieder)begonnen hat, dann kann man davon ausgehen, daß er davon entweder zu viel erwartet hat (und seine Erwartungen dann enttäuscht wurden) oder daß er überfordert war, sich trotz karrieremäßigen Erhöhung schwächer, kleiner, minderwertiger gefühlt hat (was eben geschieht, wenn man sich der Position nicht gewachsen fühlt - oder es kann auch sein, daß diese Bewährungssituation dieses Gefühl ausgelöst hat). Jedenfalls ist es dadurch ganz offensichtlich zu einer gröberen Irritation gekommen.
Wenn es dann auch so war, daß Du in dieser Phase ein Burnout hattest, er sich also auch nicht an Dir aufrichten konnte, und schließlich der Psychologin begegnet ist, von der er sich den nötigen Halt und Aufbau und vor allem Selbstbestätigung versprochen hat, dann erklärt das so einiges.
Du kannst Dir das in etwa so vorstellen: Du bist unsicher, fühlst Dich vielleicht etwas hilflos, kommst mit einer neuen Situation (in seinem Fall die neue Position) nicht ganz klar, Dein Partner ist selber hilflos und am Boden, kann Dich also nicht stützen - und dann begegnet Dir jemand, den Du als Retter erlebst, von dem Du erwartest, erhoffst, daß er Dich stabilisiert. Natürlich ist es völlig unsinnig, deshalb eine Beziehung mit dem Retter einzugehen, aber wenn der Retter (dummerweise) darauf einsteigt, dann gibt das zunächst einmal eine große Selbstbestätigung. (Dieses Phänomen tritt sehr oft auch in therapeutischen Situationen auf, also daß sich die/der Patient/in in den/die Therapeuten/in verliebt (er versteht alles, hört zu, man verspricht sind Hilfe, er erscheint einen mächtiger als man selber ist) - nur ist dem Therapeuten dies aufgrund seiner Ausbildung bekannt (sicher auch jener Psychologin), und er läßt sich nicht darauf ein bzw. nützt es für therapeutische Zwecke.) Nur ist es hier so wie bei einer Trostbeziehung: Man bleibt ja nicht für immer in der Position des Hilflosen, der nach Rettung sucht, der Rettung nötig hat, und dann wird der Retter immer bedeutungsloser und unwichtiger (und womöglich auch lästiger), die anfängliche Idealisierung fällt weg, der Retter wird zu einem ganz normalen Menschen und somit uninteressant. (Das ist in etwa so, wie wenn es jemandem gelingt, sich einen angehimmelten Star zu angeln: zunächst ist das gar nicht zu fassen, doch wenn sich dann herausstellt, daß auch der Star ein ganz normaler Mensch oder vielleicht gar ein Idiot ist, dann wird er uninteressant.)
Am verwunderlichsten bei dem allen ist, daß sich die Psychologin darauf eingelassen hat, weil sie ja wissen müßte, wie solche Beziehungen zustandekommen, was dahintersteckt und wie sie verlaufen. Aber natürlich, psychologisches Wissen schützt nicht immer vor Dummheit.
Daß Dein Ex wegen dieses Aufeinandertreffens sauer war, ist verständlich. Denn mit Deiner vermutlich ziemlich emotionalen (und nicht eben vernünftigen) Offenbarung hast Du diese an sich unsinnige, aber im Moment für ihn hilfreiche therapeutische Beziehung gestört. Und daß er sich darüber nicht gefreut hat, ist verständlich (das würde auch Dir, würde Dir so etwas passieren, nicht anders ergehen).
Und ja, ich kann es nur nochmals und immer wieder sagen: Wenn man eine Beziehung noch nicht verarbeitet hat, noch Gefühle für die/den Ex da sind, dann ist der Fehlschlag vorprogrammiert. Es kommt ja immer darauf an, aus welchen Motiven man eine Beziehung eingeht. Und bei einer (möglichst) dauerhaften Beziehung, in der man auch glücklich ist, kann das nur Liebe sein. (Und liebt man die/den Ex auch nur noch ein wenig oder ist umkehrt wütend auf ihn, sind also noch Gefühle vorhanden, dann kann man noch nicht jemand Neues wirklich lieben.) Bei allen anderen Motive fallen die Gründe früher oder später weg, die Beziehung wird unbefriedigend, belastend, unglücklich, nervt, was auch immer, und zerbricht schließlich, weil es eben kein tragendes Element gab oder bestenfalls ein wurmstichiges.
Was seine Gefühle für Dich anbelangt, das kann ich, wie gesagt, nicht sagen, das kannst nur Du selber spüren. Als Ihr Euch damals getroffen habt - hattest Du den Eindruck, es ging lediglich um S., oder war da mehr (Du hast ja geschrieben, Ihr hättet einander umarmt zu den Sternen gesehen, also etwas durchaus Romantisches ... hattest Du das Gefühl, das ist echt, oder gleichsam ein Vorspiel?)?
Wegen der Kontaktaufnahme: Gehe einfach nach Deinem Gefühl, aber laß Dir zumindest noch etwas Zeit. In einer solchen Situation arbeitet die Zeit immer für Dich. Denn in Trost- oder Rettungsbeziehungen kommt es meist sehr rasch zu Ernüchterungen, und wenn Du nun hier dazwischenfunkst, wird eben Dein Dazwischenfunken kurzfristig zum Grund für Ernüchterungen gemacht, Du lieferst dafür (zumindest für die Psychologin) Erklärungen frei Haus. (Und wenn Du es tust, dann versuche Dich wirklich zu beherrschen und rede von nichts anderem als Deinen Sachen und wie Du zu ihnen kommst, es darf kein anderes Thema geben, frage auch nicht, wie es ihm geht!)
Wie gesagt, durch Zuwarten schwimmen Dir Deine Felle sicher nicht davon. Wenn sie schon davongeschwommen sind, kannst Du ohnehin nichts machen, außer Dich sozusagen als Notlösung anzubieten, aber dafür solltest Du Dir zu schade sein. Sind sie hingegen, was anzunehmen ist, noch da, dann schwimmen sie Dir, wenn Du abwartest, eher wieder zu als davon.
@ Gast32
Ja, wie man Vertrauen in sich selber finden kann ... Es hängt einmal davon ab, ob man dieses an sich angeborene Urvertrauen in sich behalten hat oder ob es einem in der (frühen) Kindheit abhanden gekommen ist und man es erst wiederfinden muß. Aber grundsätzlich geht es darum, daß man sich immer bewußt ist, daß einem nichts wirklich etwas anhaben kann, wenn man immer bei sich bleibt, daß man an allem, also auch an schmerzlichen Erfahrungen, reift, sich entwickelt, neue Einsichten und Perspektiven gewinnt, daß nichts unnütz ist. Man muß sich ganz auf sich verlassen können, es ist dieses Vertrauen, dieser Mut, dieser Wille, dieses unbedingte Ja zu sich selber. Darum geht es.
Wenn Du etwa Dein Glück, Deine Zufriedenheit, Deine Freude, Deine Begeisterung, was auch immer, in die Hände von jemand anderen legst, dann kannst Du Dich dessen nie sicher sein (selbst wenn dieser jemand noch so vertrauenswürdig ist - im schlimmsten Fall könnte er ja sterben). Das verursacht Unsicherheit, Angst, Zweifel usw. Was jemand anderer Dir ist, kann verlorengehen, was Du selber Dir bist, kann hingegen niemals verloren gehen.
Weißt Du, das alles ist so theoretisch natürlich schwer zu erklären, weil man das nur selber spüren kann (so, wie es ja auch nicht möglich ist, jemandem die Liebe zu erklären, der sie selber noch nie empfunden hat ...). Vielleicht gehst Du einmal nachts raus (alleine und möglichst irgendwo in der Einsamkeit) und schaust hinauf zu den Sternen - und wenn Du dann dieses tiefe Gefühl verspürst, mit allem verbunden zu sein, darin geborgen zu sein, dann bist Du ganz bei Dir. Du mußt es einfach spüren, erklären und beschreiben kann man das nicht. (Und es soll sich auch nicht wie eine Romantisierung oder irgendein esoterischer Quatsch anhören, so ist es nicht gemeint - sondern es geht allein um dieses Gefühl, das entsteht, wenn man gleichsam als kleines, zerbrechliches Wesen in dieses endlose Universum blickt und spürt: Ja, hier bin ich, hier ist mein Platz, hier gehöre ich hin, hier kann mir nichts geschehen, und es ist schön, das es so ist!)
Wie gesagt, ich kann es Dir leider nicht anderes erklären, weil man es nur, jeder für sich, selbst empfinden kann.
Ich wünsche Euch einen schönen Abend!
Liebe Grüße
03.06.2014 17:15 •
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