Hallo an alle,
meine Geschichte mag anders sein als viele hier, aber ich habe viel hier gelesen und erkenne mich in vielen Geschichten vom Verhalten und den Emotionen wieder.
Mein Freund und ich haben aus einer langen Freundschaft heraus eine stürmische und emotionsgeladene Liebe begonnen - nach einem Jahr Beziehung dann die großen Pläne gefasst: Er zieht erstmal vorübergehend aus seiner WG zu mir und wir bauen ein Haus seiner Eltern um, heiraten und versuchen ein Baby zu bekommen.
Unsere Tage waren von nun an voller Pläne und in eine schöne Zukunft gerichtet. Freie Zeit steckten wir in den Umbau, kannten jedes Möbelhaus, machten Skizzen, Pläne, kauften Kram wie Hollywoodschaukeln und Gartendeko, lagerten schonmal alles auf dem Hof seiner Großeltern. Gestalteten schon ein Kinderzimmer, strichen die Wände, lachten und rannten gemeinsam glücksgeladen in unserem Haus umher.
Bevor das mit dem Baby usw. alles unsere sehr aufwendigen Hobbies erstmal auf Eis legen sollte hatten wir viele Urlaube geplant, auch getrennt voneinander, da wir verschiedenen Hobbies nachgehen. So kam es, dass ich Wandern an einen sehr entlegenden Ort flog und er seinem Extremhobby nachging an einem anderen Urlaubsort.
Direkt am ersten Tag meiner Wanderung ging mein Handy kaputt, und es kam leider auch so, dass meine Wander- und Kletterpartnerin, nachdem sie natürlich meinem Freund wegen dem kaputten Handy Bescheid gab, ihr Handy auch bei einer Kletterpartie verlor.
Wenn wir andere Wanderer trafen, was dort selten ist, fragte ich immer, ob ich eine SMS schreiben könnte. So, dachte ich, weiß ER zumindest, dass ich ok bin, auch wenn eine Rückantwort mich nicht wirklich erreichen würde.
Ich wusste nicht, dass er zu dem Zeitpunkt längst im Koma lag. Am ersten Tag, fast zeitgleich mit dem Kaputtgehen meines Handys verunglückte mein Freund beim Ausüben seiner Sportart.
Er wurde zurückgeflogen nach Deutschland, lag dort noch 2 Tage im Koma und starb.
8 Tage lang war ich mehr oder minder unerreichbar. Als ich am Camp ankam erwartete mich die Nachricht, dass HEUTE seine Beerdigung war. Ab dem Zeitpunkt kann ich nicht mehr genau sagen, wie es weiterging.
Ich weiß, dass Leute mich mehr oder minder durchgereicht haben, sodass ich irgendwie aus den Bergen rauskam und irgendwie saß ich dann am Ende in einem Zug nach Hause. Ich hatte nur noch meinen Geldbeutel und den Schlüssel, ich weiß bis heute nicht wo meine Sachen, mein Rucksack, meine Jacke usw. geblieben sind. Ich glaube, ich habe sie einfach irgendwo zurückgelassen.
Ich kam in unserer Wohnung an. Nichts von ihm war mehr da. Die meisten seiner Sachen hatte er ja in den Urlaub mitgenommen, den Rest holte sein Bruder für das Krankenhaus ab, als man noch dachte er wird da länger bleiben. Anzüge und Hemden holten sie für die Beerdigung alle, damit die Mutter sich davon was aussuchen kann.
Sonst hatte er nichts, er war ja gerade aus seiner WG raus und alles was wir gemeinsam besorgten war in dem Haus.
Ich stand da in meiner Wohnung und es war so als hätte es ihn nie gegeben. Ich ging an sein Grab und es war, als würde ich an irgendeinem Grab stehen. Dieser Schockzustand hielt eine Weile an, 1-2 Wochen war ich weggetreten, schlief extrem viel. Einen tiefen, ruhigen Schlaf, aus dem ich aber müde erwachte. Ich aß und trank kaum etwas, schaute dafür durchgehend Serien. Gerne eine Folge auch 10 mal hintereinander, es war egal. Hauptsache es erzählte jemand was.
Rückblickend betrachtet waren es die besten 2 Wochen. Was nun danach folgte und nun seid 5 Monaten anhält ist der schlimmste, verzweifelteste Liebeskummer, den ich je empfunden habe, vermischt mit einer Unfähigkeit, mir eine Zukunft auch nur vorzustellen. Oder Glück. Oder innere Zufriedenheit.
Am schlimmsten sind die Träume.
Ich träume, dass er seine Sachen packt und mich verlässt. Ich träume, ich treffe ihn in einer Bar oder Disco, sage: Wie, du lebst? Warum kommst du nicht nach Hause? Und er sagt: Liebe dich nicht mehr, ohne dich ist es besser. Hau ab.
Ich wache weinend auf. Schlafe oft weinend ein. Finde keinen durchgehenden Schlaf mehr, es ist eine Aneinanderreihung von Träumen und Wachträumen.
Mich begleitet eine innere Unruhe, irgendwas unternehmen zu müssen gegen die Tatsache, dass er nicht mehr da ist. Irgendwelche diffusen, merkwürdigen Vorstellungen und Pläne, die Zeit zurückzudrehen, den Lauf der Welt zu ändern, ihn Kraft der Gedanken zurückzuholen.
Ich bin 32. Und ich habe das Gefühl ich bin 80, eine Witwe die nur darauf wartet auch tot umzufallen. Jeder Tag kriecht zäh dahin, ich schaue auf den Kalender und sehe meine Zukunft virtuell passieren. Heute wären wir im Haus eingezogen. Heute wären wir in die Schweiz gefahren. Heute wären wir seit 6 Monaten verlobt.
Die meiste Zeit ist es aber einfach nur ein brennendes Gefühl im Herzen, Liebeskummer hoch 10. Es nimmt mir die Freude am Leben, nimmt mir Kraft irgendwas für mich zu planen. Warum sollte ich auch?
Die Zukunft war für mich schon in Stein gemeißelt, Optionen oder Zweifel gab es nicht.
Wie kann ich machen, dass mein Blick weiter wird, offener für neues?
Bitte helft mir, mein Leben fließt an mir vorüber und ich stehe still.
27.05.2015 09:37 •
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