@elisabeth123
Ich glaube, Du fühlst Dich von mir manchmal vielleicht etwas angegriffen oder in eine Ecke gedrängt.
Aber das ist durchaus nicht meine Absicht.
Es geht auch nicht grundlegend um s..uelle Treue, Ehrlichkeit usw. auf der einen und Toleranz auf der anderen Seite.
Sondern das, worum es geht, ist etwas ganz anderes: Wenn jemand sehr starre, eiserne Prinzipien hat (egal, worauf sie sich beziehen), dann werden ihm diese selber immer wieder zum Verhängnis und zerquetschen ihn.
Dasselbe ist es mit der Toleranz: Toleranz ist ja nicht etwas, das vor allem anderen zugute kommt - sondern in erster Linie kommt die eigene Toleranz einem selber zugute. Was glaubst Du, um wie vieles leichter, freundlicher, ungestörter, ruhiger das Leben wird, wenn man sich im Lauf der Zeit wegen immer weniger Dingen die Haare ausreißt? Und das hat durchaus nichts mit Gleichgültigkeit zu tun, sondern mit einem erweiterten Verständnis des Lebens, wenn man so will. Und darauf kommt es ja an: Dem realen Leben, samt seinen Widrigkeiten, Freund zu werden - denn nur dann wird es auch selber zum Freund.
Du kannst mir zumindest das eine glauben: Ich kenne beides. Weil ich früher, so bis zu meinem 20. Lebensjahr, selber sehr eifersüchtig war (und das hat sehr wohl etwas mit dem Selbstbewußtsein zu tun), sich die Dinge danach aber grundlegend gewandelt haben. Und wäre ich nun vor die Wahl gestellt: Will ich das Vorher oder das Nachher - ich bräuchte keine Sekunde zu überlegen!
Nehmen wir z. B. einmal die so geheiligte Ehrlichkeit:
Nur ein paar Zitate von Dir selber:
Die Nachricht werde ich frühestens morgen in aller Ruhe lesen, damit er nicht auch das Gefühl hat, dass mich das alles sonderlich berührt.
Für zwei weitere Familientreffen an Weihnachten werde ich mir eine weitere Ausrede überlegen.
Da hilft genauso gut meinen aktuellen Plan durchzuziehen: Rückzug und schauen wie er sich weiter verhält.
Seine Nachrichten öffne ich frühestens ein paar Stunden später und werde dafür Sorge tragen, dass von mir nur Verständnis und positives rüberkommt.
Auch all das ist Taktik, Verheimlichung, Täuschung, Vorspiegelung falscher Tatsachen. Wozu? Wenn Dir Ehrlichkeit doch so über alles wichtig ist?
Mir ist schon klar, daß dahinter Absichten stecken, die nicht von vornherein verwerflich sein müssen. Man will sich vielleicht stärker, gelassener darstellen als man ist, man hat vielleicht gerade keinen Bock auf einen Konflikt, man will nicht zum 100x über dasselbe Thema diskutieren usw. Alles gute, verständlich Gründe. Die man allerdings auch allen anderen zugestehen muß. Jede Unehrlichkeit hat ihren Grund, und sehr oft ist dieser ein völlig harmloser.
Legt man nun aber dieses Prinzip der absoluten Ehrlichkeit zugrunde (obwohl man dem selber nicht gerecht wird und auch gar nicht gerecht werden kann), dann wird das zu einem Selbstläufer und jede Kleinigkeit zur Tragödie, weil es eben nicht mehr um das (vielleicht harmlose) Gelogene oder Verschwiegene geht, das gar nicht der Rede wert wäre, sondern um den Verstoß gegen das Prinzip der absoluten Ehrlichkeit.
Und das kann nur fatal sein, weil Du keinen Menschen auf dieser Welt finden wirst, der nicht auch einmal eine Ausrede benützt oder Dir etwas verheimlicht (so, wie Du es ja auch selber machst). Und wenn so etwas in Dir gleich ein grundsätzliches Mißtrauen heraufbeschwört oder gar das Verlangen nach Konsequenzen (wegen der Prinzipverletzung), dann wirst Du immer wieder an Deinen eigenen eisernen Prinzipien scheitern, so hoch Du sie auch halten magst (und je höher Du sie hältest, um so schwerer fallen sie Dir selber auch auf den Kopf).
Auch die Ehrlichkeit hat ja zwei Seiten: Auf der einen die Wahrheit (sofern diese überhaupt tatsächlich ganz erfaßbar bzw. vermittelbar ist), auf der anderen ihren Empfänger, der sie auch aushalten muß. Jemandem etwas zu verheimlichen kann bisweilen (im Sinne von Rücksichtnahme, Taktgefühl) mehr Anzeichen von Zuneigung sein als ihm alles ungebremst und ungehemmt ins Gesicht zu schleudern. Absolute Offenheit kann man zwar einfordern, aber dann sollte man auch absolutes Aushalten mit einbringen. Zudem kann es durchaus auch vorkommen, daß etwas ganz ohne Absicht verheimlicht wird - man wird ja nicht lückenlos sein ganzes Leben erzählen können, erinnert sich an manches selber gar nicht mehr, mißt ihm gar keine Bedeutung zu. Und wenn der mißtrauische Partner es dann entdeckt, steht man auch schon als Lügner da.
Zur s...ellen Treue habe ich Dir, wenn ich mich recht erinnere, ja schon einmal gesagt, daß ich selber überhaupt nicht zur Untreue neige. Aber ich mache mir keine Moral daraus. Es liegt einfach daran, daß S. für mich nicht im Zentrum einer Beziehung steht (und auch nicht im Zentrum des Lebens) und mir andere Formen von Treue bei weitem wichtiger sind.
Wenn man S. einmal ganz entspannt betrachtet, dann wird man ja nicht gerade sagen können, daß es sich dabei um das höchste Gut des Menschen handelt. Wenn mir eine Frau nicht mehr zu bieten hätte als den treuen Schoß (bzw. mir nichts wichtiger wäre an ihr als dieser), dann wäre mir das jedenfalls bei weitem zu dürftig.
Eine ganz andere Geschichte aber ist es, wenn es tatsächlich so ist, daß Dein Partner vor allen gut dastehen will, er herumbrüllt, wenn Du ihn mit falschen Aussagen konfrontierst, er gefühlsmäßig schnell umschalten kann, und auch sein anfänglicher Überschwang mit Heirat und Kind (wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe) käme mir verdächtig vor.
Wenn Du es nun nicht definitiv wüßtest, daß das mit seiner todkranken Ex stimmt, hätte ich daran meine Zweifel, ehrlich gesagt. Solche Übertreibungen kommen bei gewissen Menschen, die sehr wichtig sein wollen, des öfteren vor, und dann kann auch schon eine Schuppenflechte zur tödlichen Krankheit werden. Da es darüber nun aber offenbar keinen Zweifel mehr gibt, wäre zumindest in diesem Fall etwas mehr Toleranz doch angebracht. Denn jemanden, der einem (noch immer) nahesteht, und sei es auch nur freundschaftlich, in seinen letzten Tagen zu begleiten und beizustehen, kann nichts Verwerfliches sein, sondern zeugt vielmehr von menschlicher Größe (die allermeisten machen sich dann ja schnell aus dem Staub).
17.01.2017 02:32 •
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