Nachdem ich hier eine ganze Weile still mitgelesen und dabei schon viele hilfreiche Anregungen gefunden habe, möchte ich es nun doch mit einem eigenen Beitrag versuchen und eure Meinungen zu meiner eigenen Situation hören.
Ich, 44, bin seit fast 20 Jahren mit meinem Mann zusammen, fast genauso lange auch verheiratet. Wir haben vier Kinder im Alter zwischen neun und 17, ein schönes Haus in einem angenehmen Umfeld und Berufe, die uns fordern, aber auch Spaß machen. Der Kontakt zur erweiterten Familie ist gut, auch haben wir nette Freunde, mit denen wir uns aber gar nicht allzu oft treffen mögen, weil wir es und gerne zu zweit zuhause gemütlich zuhause machen. Viel Idylle und Stabilität also, über die Jahre aber auch eine Beziehung natürlich mit Höhen und Tiefen und nicht mehr ganz so „frisch“ wie vor 20 Jahren…
Bei unserem Familien-Hobby habe ich nun seit letztem Sommer Einzelstunden bei einem ca. zehn Jahre älteren Trainer, den ich darüber etwas näher kennengelernt habe. Er ist seit langer Zeit in einer festen Partnerschaft und äußert sich auch immer sehr positiv über seine Partnerin - die ich übrigens flüchtig kenne, ebenso wie er meinen Mann kennt. Im Zuge der Trainingsstunde verhält er sich mir gegenüber sehr aufmerksam, fürsorglich und zugewandt, was ja auch irgendwie sein Job ist, dazu verstehen wir uns aber auch sehr gut und es stimmt einfach die Chemie zwischen uns. Wie er mich ganz konkret findet, kann ich nicht einschätzen. Er macht mir immer wieder Komplimente und stellt mir viele interessierte Fragen, verhält sich aber ausnahmslos korrekt und hat sich schon öfters sehr abfällig geäußert, wenn es um „liebestolle“ Affären oder Trennungen in unserem Umfeld ging, besonders wenn dabei Kinder involviert waren (er selbst hat keine eigenen Kinder). Auch haben wir außerhalb der vereinbarten Trainingsstunden keinen Kontakt zueinander bzw. wenn doch, dann nur aus organisatorischen Gründen.
In den Herbstferien habe ich jedoch gemerkt, dass ich die gemeinsame Zeit mit diesem Menschen sehr vermisse bzw. sich nur beim Gedanken an ihn ein wohliges Gefühl einstellt, was mich total irritiert hat. Das Ganze hat sich dann bis zu den Weihnachtsferien soweit intensiviert, dass ich an manchen Tagen gedanklich gar nicht mehr von ihm losgekommen bin und stellenweise deshalb sogar nachts wach lag und eben so richtig verliebt war, auf die Traningstage hingefiebert habe usw. Wobei es vor allem extreme Nähewünsche sind, die bei mir hochkommen, ein s. Begehren ist nicht wirklich da. Allerdings habe ich, das fällt mir schon auf, seit dieser Zeit wieder deutlich mehr Interesse an S. mit meinem Mann, der darüber zum Glück ganz erfreut ist und es auch unsere Beziehung etwas in Schwung bringt
Das ganze Gefühlschaos hat große Panik bei mir ausgelöst bzw. auch Handlungsdruck, aber ich habe zunächst versucht, die Ruhe zu bewahren und nicht hektisch drauflos zu handeln. Da für mich auf der Vernunftsebene - und an der orientiere ich mich bei allen weitreichenden Entscheidungen - vollkommen ausgeschlossen ist, meine Familie zu verlassen und ich zudem auch keine andere bestehende feste Beziehung gefährden möchte, habe ich mich entschieden, nichts zu tun und auf das Abklingen der Gefühle zu warten. Den Kontakt abbrechen möchte ich aber nicht, sondern das Einzeltraining weiterhin wahrnehmen. Zum einen, weil ich sonst keinen Trainer mehr hätte, zum anderen, weil ich perspektivisch gerne mit diesem tollen Menschen befreundet wäre und daran glaube, dass das möglich ist.
Seit Jahresanfang hat sich meine Situation dahingehend verändert, dass ich innerlich ruhiger geworden bin und die Situation, wie sie gerade ist, akzeptieren und aushalten kann. Habe auch ein gewisses Vertrauen, dass sich das alles schon irgendwie auflösen wird mit der Zeit. Die Beziehung zu meinem Mann hat sich in den letzten Monaten eher verbessert, weil ich mich durch das ganze Nachdenken darüber, weshalb mir so ein Fremdverlieben überhaupt passiert ist, viel mit der Beziehung und dort womöglich unerfüllten Bedürfnissen auseinandergesetzt habe, mich auch bewusst mehr mit meinem Mann und unserem Umgang miteinander befasst habe.
Die Verliebtheitsgefühle für den anderen Mann sind aber weiterhin da und lösen manchmal auch andere Gefühle aus, Traurigkeit oder Eifersucht, wenn mir klar wird, dass meine Verliebtheit unerfüllt bleiben wird oder ich ihn z.B. mit seiner Partnerin zusammen sehe. Das ist mal stärker und mal schwächer ausgeprägt, manchmal fühlt sich alles sehr frisch an und tut sehr weh, dann wiederum kann ich die Situation mit einem gewissen emotionalen Abstand betrachten und gelassen sein.
Ich frage mich nun, ob andere von euch einen ähnlichen Weg schon einmal gegangen sind und wie das funktioniert hat und wie lange man mit solchen Sehnsuchts- und Verliebtheitsgefühlen zu tun hat. Es heißt ja oft, Entlieben ohne Kontaktabbruch klappt nicht gut und dass man sich ein freundschaftliches Verhältnis mit der jeweiligen Person auch nur dann so sehr wünscht, wenn man unbewusst hofft, dass sich daraus irgendwann doch noch etwas ergibt. Allerdings weiß ich, dass ich - bei allen momentan noch vorhandenen gegenteiligen Impulsen und Phantasien - sowieso nie zulassen würde, dass sich mehr als eine Freundschaft daraus entwickelt. Dafür ist mir meine Familie einfach zu wichtig bzw. bin ich auch zu vernünftig, als dass ich mich blindlings in eine Situation stürzen würde, die außer mir ungewollt noch so viele andere negativ beeinflussen würde. Also bleibt die Frage: Wie entliebe ich mich - trotz regelmäßigem Kontakt - möglichst schnell?
12.04.2023 19:46 •
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