Zitat von Zerrissener: Und trotz aller Ratio - wie konkret ist es zu vermeiden aufzuwachen und direkt an diejenige/denjenigen zu denken?
Das lässt sich natürlich nicht steuern. Es ist die Sache mit dem rosa Elefanten. Du hast den Auftrag nicht an einen rosa Elefanten zu denken. Was passiert? Du silehst vor Dir einen rosa Elefantten.
Dass der Kontakt nun abgebrochen ist, ist das Beste was Dir passieren konnte. Die ferne Frau hat wohl begriffen, dass Du emotional womöglich involvierter war als sie und dachte sich dann, ich will ihn nicht weiter emotional beeinflussen. Vielleicht hat sie aber auch ihr Leben zu Hause auf Vordermann gebracht, ihre Freizeit kreativer gestaltet als mit dem Handy, neue Kontakte geschlossen oder alte wieder aufgewärmt. Dann hat sie Dir einiges voraus. Vielleicht hat sie der Austausch mit Dir allmählich gelangweilt. Für Dich ist es egal, Du musst das nicht wissen.
Natürlich wirst Du an sie denken, morgens, abends und auch zwischendurch. Das ist das verdammte Gefühlsgedächtnis, das mit ihr positive Gefühle verknüpft. Und was will das Gefühtsgedächtnis? Die beglückenden Emotionen wieder herstellen. Und was hast Du stattdessen? Saure-Gurken-Zeit. Das frustriert und enttäuscht und macht traurig.
Du bist jetzt auf Entzug und Entzug ist immer eine harte Angelegenheit. Der eine schafft es schneller und leichter, der andere hadert länger damit.
Nur durch keinen Kontakt mehr haben die Gefühle eine Chance sich allmählich uimzugewöhnen. Der Prozess kann Wochen, aber auch Monate dauern. Aber das Gefühlsgedächtnis lässt dann irgendwann doch nach und begreift allmählich dass es sie nicht mehr gibt.
Wirst Du wieder rückfällig, was ja gerade durch die leichten Kontaktmöglichkeiten sehr leicht ist, verlängert sich der Prozess, weil Du Dich zwangsläufig wieder mit ihr beschäftigst und obendrein jedes Wort analysierst. Dann geht das alles wieder von vorne los,
Wenn Du es dir wert bist, irgendwann mal wieder klar denken zu können, dann musst Du da durch. Du hast Dich ja auch ganz freiwillig in diese Blase begeben. Und da wieder rauszukommen ist ungleich schwerer als den momentanten Emotionen zu folgen und sie ständig von Neuem anzustacheln.
Kurschatten gab es schon immer, aber ohne Handies und PCs war es einfacher. Man lernte sich in einer Ausnahmesituation fern des Alltags kennen, interessierte sich füreinander und sicher entstand immer wieder mal was. Aber nach dem Ende fuhr jeder heim und fügte sich ins Alltagsleben, denn ein Kontakt außer telefonisch war schlichtweg nicht möglich. Und heimliche Telefonate zu führen ist auch oft nicht so einfach.
Und heute? Der Gefühlsbefriedigung ist Tür und Tor geöffnet.
Mir scheint, Du stellst derzeit Dein Leben in Frage. 20 Jahre in der Beziehung, immer bravgewesen und auf einmal wirst Du wahrgenommen und gesehen. Das ist natürlich ein Schub fürs Ego, keine Frage. Und dann kommen ganz schnell die Gedanken, was will ich eigentlich? Ewig so weiter machen wie bisher? Vielleicht wäre die Neue die bessere Wahl, zumal wir uns ja so Tief verstehen. Ach, wäre das schön, am WE mal zu ihr zu fahren und die neue Liebe zu leben.
Meist hat so eine Anfälligkeit mit einer inneren Unzufriedenheit zu tun. Die Lebensfreude ist gebremst, der Alltagstrott frisst einen auf und neue Freuden sind selten. Die innere Belebung fehlt, das Gefühl am Leben aktiv teilzunehmen und es zu genießen.
Dann wäre es an der Zeit zu überlegen, wie man es wieder ein wenig aufmöbeln kann oder was die innere Leere verursacht hat. Hinzu kommen mit 40 und darüber erstmals so unangenehme Einsichten, dass man nicht ewig haltbar ist, sondern durchaus verletztlich. Und das übertüncht man dann mit solchen Kontakten oder mit einer neuen, am besten deutlich jüngeren Geliebten.
Anstatt jetzt ständig an sie zu denken, fange doch einfach mal an, den Fokus auf Dich zu legen und über Dich nachzudenken. Innere Leerstellen kann man auch anderweitig kompensieren, dazu braucht es keinen anderen Menschen. Aber Besinnung auf sich und die Bereitschaft das eigene Leben ein wenig zu ändern.
Ich hatte schon öfters solche Durchhänger im Leben. Eine allgemeine Unzufriedenheit mit sich, mit dem Leben, keine Aussicht auf Änderung. War die Beziehung daran Schuld? Eher nicht, aber ich fühlte mich unzulänglich und überdrüssig und sah keine Perspektive. Eine neue Stellung suchen? Ja, möglich, hätte aber einen Ortswechsel bedeutet und eine Fernbeziehung und ich merkte, in dieser Phase solltest Du nichts entscheiden. Warten, bis sich die Lage geklärt hat.
Ich sagte zu einer Freundin, mich nervt alles an. Ich fühle mich eingeengt, eingezwängt in ein Korsett und ich finde mein Leben, meine Beziehung grottenlangweilig. Und dann die Nachbarn mit ihrem Horizont bis zum Gartentor! Die bürgeriche Enge in dieser Siedlung! Auch die Freunde öden mich an, ich habe so was von die Schnauze voll von allem.
Sie lächelte und sagte, es liegt alles vor Deiner Haustür, es ist alles da, aber Du siehst es nicht. Du haderst und hast derzeit keinen Weitblick und schiebst es auf die Außenwelt, die Dir scheinbar nicht passt. Es ist nicht die Außenwelt Schuld, sondern die Leere ist in Dir.
Es gab mir immerhin zu denken, aber natürlich vergeht so was nicht von heute auf morgen. Aber mit derZeit schaute ich doch wieder genauer hin und versuchte meine Freizeit aktiver zu gestalten. Ich begann mit Sport und hatte Erfolge und manches Mal merkte ich, dass es ein guter Kanal war, den inneren Frust und auch angestaute Wut abzubauen. Vieles relativierte sich durch anstrengende Sportstunden, aber auch durch neue Kontakte, die ich dort fand. Und irgendwann war es dann vorbei. Ich verspürte wieder Lebensfreude, wurde unternehmungslustiger anstatt vor mich hin zu brüten. Ich hatte mich irgendwie verloren, den Bezug zu mir aufgegeben, ich war nicht richtig bei mir gewesen und erkannte meine Bedürfnisse nicht.
Es fehlte die Farbe im Leben und die holte ich mir mit der Zeit zurück. Die Freundin hatte Recht gehabt, es war alles da, was ich brauchte, aber ich hatte es nicht angenommen, sondern es links liegen lassen.
In solchen Phasen ist man selbstredend dann auch sehr anfällig für eine neue Liebelei, weil da auf einmal ein Mensch ins Leben kommt, der anscheinend all die inneren Leerstellen auffüllt und kompensiert. Man interpretiert in solche zufälligen Begegnungen Wunder was und bildet sich ein, das Glück woanders zu finden. Wäre ja schön wenn das Leben so einfach wäre! Einfach mal das gewohnte Umfeld verlassen, in die Nähe zur Neuen zu ziehen, einen neuen Job zu suchen und neu durchzustarten.
Die alte Beziehung ist schnell beendet und nichts weiter als ein Kollateralschaden denn man hat ja was Neues in Aussicht.
Wenn man dann das alte Leben ausgetautscht hat, ergeben sich nach anfängliicher Glückseligkeit meist neue Probleme und man merkt, dass man sich und die uralten eigenen Probleme nur woanders weiterlebt. Man kommt nicht davon, wenn man sein Glück von einem anderen Menschen abhängig macht. Man muss es selbst lernen, mit sich klar zu kommen, sich anzunehmen und zufrieden zu werden. Wer innerlich stabil ist, kann die Dinge einordnen und ihnen ihren Platz zuweisen. Da war diese Frau von der Reha und die hat mich damals nachhaltig beeindruckt und endlich fühlte ich mich wahrgenommen, geschätzt und verstanden. Es war ein Fingerzeig des Lebens, das eigene Leben anzuschauen.
Eine neue Liebe macht meist nichts besser, weil man sein Glück wieder nur bei einem anderen Menschen sucht, der nun alles richten soll, was im Argen liegt. Der neue Partner wird als Bedürfniserfüller und Glücksbringer gesehen, er muss sozusagen liefern und soll genau das gerade rücken, was bei einem selbst in einer Schieflage ist. Klappt nur bedingt und meist nicht auf längere Sicht und dann kommt die Enttäuschung, denn man hatte sich doch alles wunderschön und rosarot vorgestellt und war einem Traum, einem Hormoncocktail hinterher gelaufen.