So, ihr lieben, heute ist glaube ich eine Zäsur - aus drei Gründen.
Erstens: Die Umzugsfirma ist am Arbeiten, die Kisten werden abtransportiert, die Häflte unserer Möbel... Es ist schwer erträglich, meine Frau übernimmt die Koordination, ich bin im Arbeitszimmer und versuche mich abzulenken.
Zweitens: Heute habe ich meinen ersten Termin Psychotherapie. Ich habe ja direkt nach der Trennungsankündigung meiner Frau eine Woche lang mich selbst und mein Verhalten analysiert, habe einiges verstanden und gesehen, dass ich definitiv eine Psychotherapie machen sollte, damit es überhaupt jemals etwas wieder mit uns werden kann. Mit den Entwicklungen der folgenden Wochen - und der Konkretisierung des Auszugs meiner Frau - wurde mir klar, dass ich auch zur Bewältigung dieser akuten Situation eine Therapie brauche. Es hat fast vier Wochen bis zum Erstgespräch gedauert, heute ist es so weit.
Drittens - und das ist glaube ich entscheidend. Gestern Abend suchte meine Frau das Gespräch und eröffnete mir, dass sich in ihr gerade etwas bewegt. Dass sie gerade beginnt zu sehen, was sie angerichtet hat und weiter anrichtet. Dass sie rückblickend auf die vergangenen Wochen das Gefühl hat, in einem Film und wie ferngesteuert gewesen zu sein. Von psychotischen Anzeichen sprach sie. Dass sie die ganze Zeit nichts gefühlt hat und jetzt das Gefühl zurück kommt. Dass sie denkt, in psychiatrische Behandlung zu müssen (mit stockender Stimme). Dass sie glaubt, den größten Fehler ihres Lebens begangen zu haben. Dass ihr Leid tut, dass sie ihren nächsten Menschen so wehgetan hat. Dass ich derjenige bin, der sie von allen am besten kennt und versteht. Dass wir jetzt bloß nichts weiter an Einrichtung oder Spielzeug doppelt kaufen sollen, dass ich ihr die Kreditkarte sperren soll... Dass sie Angst davor hat, solches tun zu vermögen.
Ich habe gesagt, sie kann ihren Auszug jetzt noch aussetzen, noch war (gestern Abend) keine Kiste weggetragen. Ich hatte hier keine zu großen Erwartungen, denn es ist klar: sie kommt wohl gerade erst zurück zu einer klareren Sicht der Realität, sie braucht noch Zeit. Entsprechend ihre Entscheidung, es doch zunächst durchzuziehen. Sie sagte, wir wollen ja wenn dann auch einen richtigen Neuanfang, und nicht einen in diesem aktuellen Chaos. Das Wort Neuanfang ist gefallen! Könnt ihr euch das vorstellen?
Ich hatte, bevor meine Frau bedrückt sagte, sie wolle mit mir sprechen, einige Stoßgebete abgesetzt. Während sie sich mir öffnete, war es extrem emotional für mich. Ich habe förmlich gespürt, wie in mir zaghaft etwas Wärme zurückkehrte. Wärme, ausgelöst durch das Gefühl, dass es hier - mit der Einsicht meiner Frau und der Hilfe eines Psychiaters - vielleicht doch eine Perspektive gibt.
Ich habe meiner Frau jegliche Unterstützung zugesichert. Das ist ja meine Einstellung, mein wichtigster Wert: Wir unterstützen uns in allen Lebenslagen, in heiteren, wie in dunklen Zeiten...!
Heute Früh hat meine Frau gesagt, sie sehe meinen Verdacht auf eine bipolare Störung bei sich ein (ich hatte ihn vor Wochen geäußert - nach Rücksprache mit einem Psychiater aus dem Bekanntenkreis). Damals war sie natürlich abweisend und hochmütig.
Es war die erste Nacht seit knapp 6 Wochen, in der ich nicht unter schmerzhaften Albträumen mit Verlustthematik aufgewacht bin.
Puh, danke euch fürs Mitlesen.
Euer Leroy
01.12.2020 09:23 •
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