Hallo,
zuerst bin ich dankbar, dass es heute solche Möglichkeiten gibt, sich auszutauschen und Rat einzuholen in verdammt schwierigen Lebenssituationen.
Viele Beiträge habe ich schon gelesen und auf einige geantwortet, nun habe ich mich entschlossen, meine Geschichte selbst vorzustellen und euch um Rat zu fragen.
Ich bin zum dritten Mal verheiratet, also nicht mehr der Jüngste und man sollte eigentlich annehmen, dass ich genügend Lebenserfahrung habe, um nicht mehr in solche Situationen zu geraten - sieht nicht danach aus. Mit meiner Noch-Frau habe ich vor sechs Jahren eine Patchwork-Familie gegründet, sie hat einen erwachsenen Sohn aus erster Ehe der nicht bei uns lebt, zwei meiner drei Söhne (auch erwachsen aber noch in Ausbildung) aus erster Ehe leben bei uns. Kennen gelernt haben wir uns über ihren kleinen Online-Shop, den sie damals mit ihrem früheren Lebenspartner betrieb. Ich war seit geraumer Zeit Single mit zwei Söhnen und war von der netten Art der Verkäuferin angetan, so dass ich anfing, mit ihr auf privater Ebene zu mailen. Dazu muss man wissen, dass ich bereits vier Jahre vorher bei ihr eingekauft hatte und auch einen Versuch gemacht hatte, mit ihr privat in Kontakt zu treten. Das wurde damals damit beendet, dass sie mir klar machte, sie hat einen Freund und kein Interesse.
Bei der zweiten Kontaktaufnahme (ich war auf ihrem Mail-Verteiler) hat sie sich jedoch nach einigen Mails hin und her geöffnet und mir ihr Herz ausgeschüttet. Sie war inzwischen zu ihrem damaligen Freund gezogen und seitdem nur unglücklich, er nahm sie finanziell aus und hatte sich - was noch schlimmer war - als Bi erwiesen. Besonders belastend war ausserdem, dass sie durch ein Angstproblem keine Möglichkeit hatte, ihn einfach zu verlassen. Ich machte ihr das Angebot, ich würde ihr da raushelfen, um wieder in ihre Heimat zu kommen und falls zwischen uns Mehr entstehen würde, würden wir es miteinander versuchen.
Gesagt - getan, nach einem kurzen Besuch bei ihr (ihr Partner war für mehrere Tage verreist) entschlossen wir uns dazu, es miteinander zu versuchen. Der Umzug wenige Wochen später verlief problemlos und für uns begann eine Zeit, die ich mir besser nicht vorstellen konnte. Unsere Liebe füreinander überstand auch einige Probleme, die sich in Patchwork-Familien meistens ergeben. Meine Rolle war zwar teilweise nicht immer souverän, gelegentlich stand ich zwischen meinen Kindern und meiner grossen Liebe, aber letztlich rauften wir uns alle immer zusammen. Wir heirateten genau ein Jahr nach unserem ersten Treffen.
Im Laufe der Jahre passierte nun das, was wohl in den meisten Beziehungen passiert, es schlich sich mehr und mehr der Alltag ein, durch eine neue Position in meinem Beruf war ich inzwischen ziemlich oft gestresst und vernachlässigte unsere Beziehung. Das bezieh ich nicht nur auf mich, auch sie hatte ihren Anteil daran, ihr Geschäft lief nicht mehr so früher und konnte nur noch durch Finanzspritzen meinerseits am Leben gehalten werden. Durch ihr Angstproblem sah sie jedoch keine Möglichkeit, etwas anderes zu arbeiten - nur Hausfrau zu sein, war ihr auch nicht genug.
Nebenher spielte sie gerne in einem der kostenlosen Online-Spiele, in denen man zwar nicht real die Mitspieler kennenlernt, die Möglichkeit besteht aber, auch direkt Kontakt aufzunehmen. Dort muss sich ein Mitspieler für sie interessiert haben, so dass sie mit ihm auch privaten Kontakt aufgenommen hat, im Laufe der letzten Monate hat sich das gesteigert (ich wusste natürlich von Nix).
Durch zuviel Stress war ich dann im Oktober für einige Tage im Krankenhaus, war nichts Schlimmes aber auf dem Wege zum Burn-Out. Als ich dort eingeliefert wurde, ist es meiner Frau das erste Mal gelungen, eine längere Auto-Fahrt alleine ins Krankenhaus zu machen. Das muss eine Art Initialzündung gewesen sein, denn danach ist sie regelmässig mit dem Auto unterwegs gewesen, hat ihren Sohn alleine zu den regelmässigen Besuchen bei uns abgeholt (70km) - alles was ich bisher gemacht hatte.
Anfang des Jahres eröffnete sie mir völlig überraschend, dass sie überlege, sich zu trennen und eigene Wege zu gehen. Es gab die üblichen Gespräche, in mir begann die heile Welt zusammen zu brechen. Da sie jedoch immer wieder beteuerte, es stecke kein anderer Mann dahinter, konnte ich noch relativ besonnen reagieren und hatte wohl auch im Kopf, vielleicht könnte eine (vorübergehende) Auszeit unsere Beziehung reanimieren. Was mir spanisch vorkam war die Tatsache, dass sie evtl. in den Schwarzwald ziehen wollte, mit Hilfe einer Bekannten aus dem Online-Spiel - immerhin über 400km von uns, ihrem Sohn und ihren Schwestern entfernt. Es plätscherte in diesem undefinierten Zustand dahin, bis sie mir eines Tages sagte, sie möchte im März in den Schwarzwald fahren um sich dort mal umzuschauen. Schweren Herzens sagte ich, wenn du das willst dann mach es. Auf der anderen Seite war ich auch stolz auf meine Frau, dass sie sich das nun zutraute. Als sie bereits dort war, kam ich durch einen dummen Zufall dahinter, dass die Bekannte aus dem Schwarzwald ein Mann ist. Am Telefon hat sie zwar noch alles geleugnet, nach ihrer Rückkehr vor zwei Wochen gab sie dann aber alles zu, sei sich aber auch nicht sicher, ob sie diesen Schritt wirklich gehen wolle. Meine spontane Reaktion war, ich verzeihe ihr und wir begannen, in endlosen Gesprächen über Alles zu sprechen, was bei uns schief gelaufen war. Der aus dem Schwarzwald war allerdings ebenso präsent über's Telefon und muss ihr ziemliche Daumenschrauben angesetzt haben, so dass sie nach einigen Tagen völlig verzweifelt meinte, sie hätte von uns beiden die Schnauze voll und würde am liebsten alleine ihren Weg gehen. Warum auch immer, bei einem unserer Gespräche kamen wir zu einem Punkt, an dem ich sie dann in die Entscheidung trieb, dann müsse sie eben den Weg mit dem Anderen gehen. Seitdem hat sie mit ihm am Telefon die Wohnungssuche begonnen und ist gestern wieder zu ihm gefahren, wird Ostern bei ihm sein und am Dienstag, einen Tag vor ihrem Geburtstag zurück kommen. Ich gehe davon aus, dass dann alles klar ist, sie haben ein neues gemeinsames Zuhause gefunden und dass sie alleine die Wohnung anmietet, ist nur eine Formsache, er wird innerhalb weniger Wochen bei ihr einziehen.
Ich versuche immer noch, meine Gefühle für sie zu sortieren, weiss inzwischen überhaupt nichts mehr, kann nicht mehr schlafen und versuche immer wieder erfolglos zu verdrängen. Allmählich kommen bei mir Gedanken hoch, mache ich mich vielleicht zum Deppen, weil ich das seit der Entscheidung alles so hinnehme und ihr sogar angeboten habe, sollte es nicht klappen mit ihm, würde ich sie wieder heimholen. Sie hat das auch dankbar akzeptiert - klar, sie ist sich überhaupt nicht sicher, wie der Alltag mit ihm dann sein wird. Er lebt seit vielen Jahren ohne Familie alleine, ist von seiner Persönlichkeit offenbar auch schnell aufbrausend und wird sich möglicherweise total an sie klammern. Den Freiraum, den sie braucht und bei uns hatte, wird sie nicht mehr haben.
Das ist meine Geschichte und ich würde mich freuen, Meinungen, Ratschläge, Erfahrungen zu bekommen. Bin ich gerade dabei, meine Würde zu verspielen und sollte ich nicht besser einen endgültigen Schlussstrich ziehen, auch wenn es mir das Herz zerreisen könnte? Sie ist immer noch die ganz grosse Liebe für mich, wie sind andere Menschen damit zurecht gekommen, eine Liebe loszulassen?
Danke schon mal für eure Antworten.
28.03.2013 07:08 •
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