Zitat von Kaetzchen:
Viel! Weil es ja darum geht, warum einige Frauen unbedingt Single bleiben möchten. Und einer der Hauptgründe dafür ist ja wohl der, dass es einfach zu wenige Männer gibt, für die sich die Aufgabe dieses Luxuszustandes lohnen würde
Das ist halt das Problem der Emanzipation - Frauen, die keinen Mann brauchen, wollen oft auch keinen mehr. Weil Männer halt deutlich mehr von Beziehungen profitieren als Frauen. Und die, die einen brauchen, will keiner. Die gibt es ja auch, und auf Tinder las ich in jedem zweiten Männerprofil: bitte keine Frauen, die einen Versorger suchen.
Aha. Versorger sein will also niemand, dafür wartet Mann lieber verzweifelt auf eine Frau, die keinen Versorger braucht und TROTZDEM sich einen Mann ans Bein pinnen will. Tja, und genau DIE sind halt heutzutage selten Also einen Tod muss man sterben - entweder, Mann bleibt alleine oder Mann nimmt eine Frau, die einen Versorger sucht. Die will nämlich wenigstens und beharrt nicht auf ihrem glücklichen Singledasein
Darf ich mal?
Aus der ZEIT:
Liebe Frauen
Wie ist es, mit Ende 30 Single zu sein? Hier erzählt ein Mann.
Mal wieder Bock auf Kaffee . Ich weiß wirklich nicht mehr, was mich an der Nachricht auf meinem Telefon am meisten störte: der pseudoironische Smiley, der bei einer 33-jährigen Frau als Absenderin schon als mittleres Warnsignal gelten durfte? Dass ich drei Wochen nach einem gemeinsamen Kaffee, bei dem kein Gespräch aufkam, mich überhaupt noch mal melden sollte? Oder dass ich überhaupt solche plumpen, etwas unverhohlenen Nachrichten beantworten musste?
Ich war nach sechs Jahren Beziehung von der Mutter meiner Tochter getrennt. Meine Gefühlslage schwankte zwischen massiver Trauer und großer Erleichterung. Vor allem aber war ich entschlossen, kein halbes Dutzend Frauen durch das Leben meiner Tochter und meines zu schleusen. Im Gegenteil. Was ich mir wirklich wieder wünschte, war dieses geborgene Gefühl von Familie und Zuhause.
Was den Beziehungsmarkt anging, war ich auf eigentlich alles gefasst. Auf würdelose Tinder-Dates, auf traurige One-Night-Stands, auf Frauen, die ohne jede Erklärung wieder aus meinem Leben verschwinden würden und auf jede Art von Angst und Beziehungsunfähigkeit. Aber ich war nicht darauf gefasst, wie dieser Datingmarkt mit Ende 30 funktioniert.
In meiner Erinnerung war es immer meine Aufgabe gewesen, Frauen anzusprechen, nach Telefonnummern zu fragen, mir eine romantische, aber auch nicht zu schummrige Bar auszusuchen und zu hoffen. Jetzt aber war es andersherum: Ein alleinstehender Mann mit Kind war offenbar die perfekte Kombination aus Verfügbarkeit und nachgewiesener Vaterkompetenz. Frauen steckten mir ungefragt ihre Telefonnummern zu. Frauen schrieben mir, mehr als eindeutig. Frauen fragten mich bald, ob ich mir denn wieder eine Familie wünsche. Ich muss dazu sagen: Ich bin nicht besonders gut aussehend und könnte sportlicher sein, wahrscheinlich auch charmanter. Plötzlich aber, mit Ende 30 und Kind, war ich so attraktiv wie noch nie in meinem Leben. Nicht so sehr S.. Aber weil für mich das Wort Familie so gar kein Abschreckungspotenzial hatte, war ich auf dem Beziehungsmarkt plötzlich ein begehrtes Gut.
Was ich selbst wollte, war mir dabei gar nicht so klar. Ja, eine Familie, das schon. Aber mir schwirrte der Kopf: Wie konnte ich mir nach der Katastrophe mit der Mutter meiner Tochter noch trauen in Sachen Frauen? Wann wäre eine Beziehung für mich und meine Tochter richtig? Und an welchem Punkt, fragte ich mich, erzählt man bei einem Date denn, dass man ein Kind hat? Ganz am Anfang, wenn man sich vorstellt: Hallo, ich bin Sebastian, und ich habe eine Tochter? Oder bringt man das Kind nur so en passant im Gespräch auf um dann zu betonen, dass man ja trotzdem Single sei? Oder würde man am Morgen nach der ersten gemeinsamen Nacht die Information nachreichen: Übrigens, ich muss dir was sagen?
Ich beobachtete meine Freunde genauer. Zum Beispiel Georg, den schüchternen Fotografen, der sich immer stürmisch in fantastisch aussehende Frauen verliebte und immer wieder ernüchtert erzählte, es habe doch nicht gepasst. Die Frauen, er selbst, alle so kompliziert, mit so vielen Macken, Erwartungen und so viel Traurigkeit von den letzten Versuchen in sich.
Oder José, der zwei Kinder von zwei Müttern hatte und sich lustlos in dem Online-Datingportal OkCupid herumtrieb, immer in der Hoffnung, jemanden zu finden, der zu seiner schon organisatorisch nicht ganz einfachen Situation perfekt passt.
Und so kam ich mir schon nach wenigen Wochen auf dem Markt tatsächlich vor wie bei einer Reise nach Jerusalem, nur mit Betten statt Stühlen. Wo früher Romantik war, ist mit fortschreitendem Alter offenbar beherzte Pragmatik eingezogen. Die Ansprüche waren offenbar gesunken. Lieber irgendjemand als niemand.
Das Dating, zehn Jahre zuvor noch etwas Leichtes, Lustiges, war zu einem großen Schlussverkauf geworden: So mussten sich die allerletzten Bücher, Parfüms und Gutscheine am Vormittag des 24. Dezember fühlen. Nicht wirklich gewollt, nicht wirklich geliebt. Aber für die Umstände, die verbliebene Auswahl und vor allem den Zeitpunkt: gerade noch okay. Wie ich.
Je länger ich mir die Frauen in meinem Alter, ihr seltsam wahlloses Baggern und ihre unromantische Entschiedenheit anschaute, desto mehr wunderte ich mich auch über die Männer. Denn während die Frauen kompromissbereit und leidensfähig waren, degenerierten viele gleichaltrige Männer zu, nun ja, S. Teenagern, denen offenbar schon die Aussicht auf ein gemeinsames Frühstück zu viel Verbindlichkeit zu sein schien.
Als Raffael bei einem B. erzählte, wie viele Frauen er in den letzten Wochen und Monaten kennengelernt hatte und mit wie vielen er einfach nur deshalb geschlafen hatte, weil es so wenig Aufwand bedeutete, wusste ich nicht, ob ich das noch entspannt und lebensfroh fand oder schon leicht obszön. Denn für Raffael war offenbar ziemlich klar, dass Familie, ein gemeinsames Zuhause und Kinder für ihn so wenig interessant waren wie ein Reihenhaus in einem Vorort. Die Frauen aber waren, nach allem, was Raffael erzählte, gar nicht so lässig und lebensfroh mit ihren Küssen und ihrer S.. Sie versuchten eher, mit der Anzahl der Versuche die Erfolgsaussichten zu verbessern. Sie gingen mit meinen Freunden ins Bett, um keine Zeit zu vergeuden.
Dass für Frauen grässliche Phrase die biologische Uhr tickt, ist bekannt. Dass sich der Beziehungsmarkt, der tatsächlich nach den unfassbar kaltherzigen Prinzipien von Angebot und Nachfrage funktioniert, für Männer komplett anders darstellt, wird dabei oft übersehen. Während sich nämlich die Frauen zwischen Mitte 30 und Mitte 40 in einem grauenvollen Wettlauf um potenzielle Väter befinden, stolpern gleichaltrige Männer in eine Art Schlaraffenland der Partnerinnen. Sie können und dürfen wählerisch sein. Und sie sind es. Die Unverbindlichkeit, die viele Frauen beklagen, sie ist letztlich eine Frage von Biologie und Macht. Und die Männer Ende 30 spielen ihren Vorteil gnadenlos aus.
Ich kenne Männer, die Beziehungen wegen charakterlicher und körperlicher Bagatellen beendet haben. Ich kenne Männer, die ihren Freundinnen allerlei unverhandelbare Vorgaben diktiert haben, vom wöchentlichen Besäufnisritual mit den Fußballkumpeln bis zur zwei Monate langen Abenteuerreise durch Südamerika natürlich ohne Freundin. Einfach weil sie es können. Es ist die Arroganz der biologischen Macht.
Während für Frauen Mitte 30 die Optionen immer weniger werden und dadurch außerdem, wenn man ehrlich ist, die Ansprüche sehr schnell rapide sinken, verhält es sich für Männer exakt andersherum. Mit etwa Mitte 30 wird nämlich der Punkt überschritten, an dem 15 Jahre jüngere Frauen als Partnerinnen infrage kommen. Rechnet man also etwas wohlwollend mit ein, dass viele Männer sich auch eine maximal fünf Jahre ältere Partnerin vorstellen könnten, umfassen die Geburtsjahrgänge, die zur Auswahl stehen, plötzlich 20 Jahre. Das dürfte Peak-Partnerwahl für Männer sein.
Was diese Männer aber nicht sehen, ist: Auch ihre biologische Uhr tickt. Natürlich, auch mit Anfang 50 kann man noch Vater werden, wenn man eine Frau findet, die das möchte. Aber Vater sein? Mit meiner Tochter, deren Vater ich mit Anfang 30 wurde, renne ich über den Spielplatz, klettere auf Bäume und in der Kletterhalle, und wenn ich eine zu ambitionierte Wanderung plane, dann trage ich sie den letzten Kilometer eben auf den Schultern nach Hause. Das geht nur, weil ich jung Vater wurde.
Wer sich aber aus Angst vor Alltag und Verbindlichkeit und der Hoffnung auf ein paar mehr Jahre in der Kneipe und in fremden Betten noch mit 40 gegen die Frau mit Kinderwunsch entscheidet, entscheidet sich eben auch gegen das Rennen, den Spielplatz und die Wanderung. Wer erst mit 50 Vater wird, wird den Schulabschluss seiner Kinder als Rentner erleben. Und seine Enkel vielleicht nie kennenlernen. Ticktack, ticktack.
Vor Jahren hat mir mein Freund Benjamin, der mit 38 Vater wurde, den weisen Rat gegeben: Warte nicht zu lange. Mir fehlt oft die Kraft, sagte Benjamin damals. Ich kann meine Tochter nicht nachts beruhigen, tagsüber wieder arbeiten und dann abends Fangen spielen. Was er im Nachhinein anders machen würde, fragte ich. Die letzten fünf Jahre in der Kneipe hätte ich mir gut sparen können, sagte Benjamin damals. Wenn man ganz ehrlich ist, ist es doch sowieso immer derselbe Abend.